# taz.de -- Neue Berater der Wirtschaftsministerin: Reiches marktradikale Experten
       
       > Die Wirtschaftsministerin beruft einen Beraterkreis. Er besteht aus
       > neoliberalen Ökonom*innen, die sich für weniger Sozialstaat ausgesprochen
       > haben.
       
 (IMG) Bild: Reicht den Neoliberalen die Hand, Katherina und ihr neu berufener Berater*innenstab
       
       Berlin taz | Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche beruft ein neues
       Gremium ein, das ihre Politik noch marktkonformer ausrichten soll. Um
       „Wachstumskräfte zu revitalisieren und die internationale
       Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, braucht es entschlossene Reformen im
       Geiste der Sozialen Marktwirtschaft“, sagte die CDU-Politikerin. [1][Für
       den „Beraterkreis“ zu „Fragen der Marktwirtschaft und Ordnungspolitik“ habe
       sie deshalb „vier exzellente und anerkannte Wissenschaftler gewonnen“].
       Alle sind neoliberale Ökonom*innen, die sich zuletzt wie Reiche für weniger
       Sozialstaat ausgesprochen hatten.
       
       Am umstrittensten: Veronika Grimm, Wirtschaftsprofessorin an der
       Technischen Universität Nürnberg. Ihr hatte
       SPD-Bundestagsfraktionsgeschäftsführer Dirk Wiese erst im August eine
       „neoliberale Herangehensweise“ vorgeworfen, als sie Einsparungen bei der
       Renten-, Pflege- und Krankenversicherung gefordert hatte. [2][Grimm ist
       Mitglied der „Wirtschaftsweisen“, also dem Sachverständigenrat zur
       Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, und nicht nur wegen
       ihrer konservativen Positionen umstritten]. Die anderen „Weisen“ werfen ihr
       Interessenkonflikte vor, weil sie zugleich Mitglied im Aufsichtsrat des
       Energietechnik-Konzerns Siemens Energy ist.
       
       [3][Mögliche Interessenkonflikte waren auch beim Düsseldorfer Ökonom Justus
       Haucap ein Thema]. Dem einstigen Chef der Monopolkommission wurde
       vorgeworfen, er habe dem Fahrdienstleister Uber versprochen, PR-Artikel in
       der FAZ veröffentlichen zu können, wo er als Kurator der Fazit-Stiftung
       über die redaktionelle Unabhängigkeit der Zeitung wachen sollte. Haucap
       hatte dem stets widersprochen und betont, dass zwischen seinem Text zur
       Liberalisierung des Taxi-Marktes und seinem Eintritt in die Fazit-Stiftung
       mehr als ein Jahr vergangen sei.
       
       Wie Haucap spricht sich auch der einstige Wirtschaftsweise Volker Wieland
       gerne für eine „angebotsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik, die
       mehr Freiraum für private Initiative und Innovationen schafft“, aus.
       Wieland und Haucap sitzen auch gemeinsam im konservativen Ökonomen-Club
       „Kronberger Kreis“, dessen [4][Devise „Mehr Mut zum Markt“ lautet]. Grimm
       und Wieland schrieben im Frühjahr zusammen mit Lars Feld, früher Berater
       des einstigen FDP-Chefs und Finanzminister Christian Lindner, [5][eine
       Studie für die umstrittene arbeitgebernahe Lobbyinitiative Neue Soziale
       Marktwirtschaft]. Als ordoliberaler „Ultra“ in Reiches Beraterkreis gilt
       Stefan Kolev vom unionsnahen Ludwig-Erhard-Forum für Wirtschaft und
       Gesellschaft in Berlin.
       
       ## Ist die Einberufung von Claqueuren nötig?
       
       Fachleute fragen sich, wieso Reiche die Einberufung von Claqueuren für die
       eigene Politik überhaupt für nötig hält. Die Mitglieder des neuen Gremiums
       sagten ohnehin das, was die immer noch neue Ministerin Reiche propagiere.
       „Da können nicht viele neue Impulse kommen“, betont ein Experte, der anonym
       bleiben möchte. Andere sehen in der Berufung des Gremiums auch einen
       Affront gegenüber den Expert*innen, auf die Reiches Ressort bereits
       zurückgreifen kann. Dazu gehören die eigenen Beamt*innen, die
       Wirtschaftsweisen und zudem der sogenannte Wissenschaftliche Beirat, ein
       weiteres [6][Gremium mit 39 Wissenschaftler*innen, das das Ministerium
       „ehrenamtlich und unabhängig“] unterstützt, auf dessen Zusammensetzung
       Reiche also keinen Einfluss hat.
       
       Viele befragte Expert*innen wollten sich gegenüber der taz nicht
       öffentlich zu den neuen Berater*innen äußern. Anders der emeritierte
       linke Ökonom Rudolf Hickel. Der Expertenrat sei „eine Kampfansage gegen die
       bisherige sozial-ökologische Transformation“, so Hickel. Die Mitglieder des
       neuen Gremiums seien Marktradikale, für die die „Sündenböcke bei Problemen
       des Marktes“ immer schon feststünden: Es sei „der wuchernde Sozialstaat,
       die ‚faulen‘ Arbeitslosen, die durch Tarife getriebene Lohnexpansion mit
       ihren starken Gewerkschaften und schließlich die unter der Steuerlast
       leidenden Unternehmen“.
       
       4 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2025/09/20250903-bundeswirtschaftsministerin-katherina-reiche-beruft-wissenschaftlichen-beraterkreis.html
 (DIR) [2] /Oekonomin-Veronika-Grimm/!5990677
 (DIR) [3] https://uebermedien.de/74254/der-umtriebige-oekonom-die-faz-und-die-intransparenz/
 (DIR) [4] https://www.stiftung-marktwirtschaft.de/der-kronberger-kreis/
 (DIR) [5] https://insm.de/aktuelles/pressemitteilungen/top-oekonomen-zeigen-dramatisches-bild-der-wirtschaftlichen-lage
 (DIR) [6] https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Artikel/Ministerium/wissenschaftsbeirat.html
       
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 (DIR) Kai Schöneberg
       
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