# taz.de -- Kleiderkammern in Hamburg: Volle Lager, keine Weitergabe
       
       > Hamburgs Kleiderkammern quellen über, zugleich steigt die Zahl der
       > Bedürftigen. Aber die Kleiderkammern können pandemiebedingt nicht öffnen.
       
 (IMG) Bild: Viel zu tun: Helfer:innen von Hanseatic Help sortieren Altkleider im August 2020
       
       Hamburg taz | Ein Tag im Homeoffice kann eine gute Gelegenheit sein, den
       Kleiderschrank zu durchforsten und sich von Klamotten zu trennen, die man
       nicht mehr trägt. Andrea Hniopek, die Leiterin des Fachbereichs für
       Existenzsicherung bei der Caritas spricht aus Erfahrung: „Seit Corona
       sitzen die Leute im Homeoffice und misten ihre Kleiderschränke aus. Da
       kommt so viel zusammen, das können wir gar nicht alles annehmen“, sagt sie.
       
       Nur leider kommen die Spenden gar nicht bei den Bedürftigen an, denn die
       Kleiderkammern sind coronabedingt geschlossen. In den Containern stauen
       sich die Klamotten. Dabei wäre der Bedarf an Altkleidern derzeit hoch, weil
       die Coronapandemie Ungleichheit und Armut verstärkt.
       
       Es gab bereits Lösungsideen: Im vergangenen Jahr habe die Caritas eine
       mobile Kleiderkammer eingerichtet, die von außen zugänglich war, berichtet
       Hniopek. Die Nachfrage sei jedoch so immens gewesen, dass das Team der
       Caritas sie nicht habe bewältigen können. Die Nachbar:innen hätten sich
       schließlich wegen des Trubels beschwert. Die Caritas musste die Ausgabe
       stoppen und auch die Annahme einstellen. Lediglich in akuter Not, also wenn
       jemand ohne Schuhe vor der Tür stehe, kümmere sich ein:e
       Sozialarbeiter:in darum, den Betroffenen einzudecken, so Hniopek.
       
       Was aber genau macht den Weg des aussortierten Wollpullovers vom
       Kleiderschrank zur bedürftigen Person so kompliziert und
       corona-unfreundlich?
       
       Die meisten Kleiderspenden werden in Kellern gelagert und nicht in
       Hauptgebäuden. Konzepte zu entwickeln, bei denen die Leute coronakonform
       warten, sich zur Kontaktverfolgung eintragen und dann genug Zeit bekommen,
       um sich etwas auszusuchen, hält Hniopek für unrealistisch. Nicht zuletzt,
       weil ein Großteil der Obdachlosen und Bedürftigen aus dem EU-Ausland komme,
       sodass die Sprachbarriere die Kommunikation erschwere. Außerdem sei
       Kleidung eben nicht nur Kleidung. „Es geht da viel um Selbstbestimmung,
       Wahlmöglichkeiten und Ausdruck“, sagt Hniopek. „Ich habe mir wirklich den
       Kopf zerbrochen, aber ich sehe keine Möglichkeit, wie wir unter den
       derzeitigen Bedingungen wieder öffnen könnten.“
       
       Diese Schwierigkeiten kennt auch Manuela Szepan von der Hamburger
       Hilfsorganisation Hanseatic Help. Diese war 2015 aus einer Bürgerinitiative
       entstanden, die quasi über Nacht Kleiderausgaben für Geflüchtete in den
       Messehallen organisiert hatten. Derzeit sei der Verein die einzige
       Anlaufstelle in Hamburg, die noch limitiert Kleiderspenden entgegennehme,
       sagt Szepan. Die Vorgabe: Pro Haushalt zwei Säcke und bitte keine
       Damenkleidung mehr. „Problematisch war anfangs vor allem, dass viele nicht
       nur Klamotten, sondern auch Müll in die Säcke stopften“, sagt Szepan.
       
       Seit die Altkleidercontainer geschlossen sind, legen manche die Säcke
       einfach bei Institutionen wie Hanseatic Help vor die Tür. Anfangs mussten
       die Ehrenamtler diese mit crononabedingter Minimalbesetzung sortieren und
       im Zweifel über den Restmüll kostenpflichtig entsorgen. Mittlerweile
       versuchen sie, die Säcke zumindest während der Öffnungzeiten schon bei der
       Abgabe zu kontrollieren.
       
       „Viele unserer ehrenamtlichen Helfer sind Rentner“, sagt Szepan. „Gerade
       bei ihnen war die Angst, sich anzustecken, zu Beginn der Pandemie groß.“
       Unternehmen hatten Schutzausrüstung wie Masken, Handschuhe und
       Desinfektionsmittel gespendet. Auch finanzielle Unterstützung durch die
       Stadt hätte da helfen können, sagt Szepan. Um den betroffenen Menschen in
       der aktuellen Notlage zu helfen, wären ihrer Meinung nach vor allem die
       Erhöhung des Hartz IV-Satzes und eine ordentliche Grundsicherung für
       Rentner:innen wichtige politische Maßnahmen.
       
       Gesonderte Angebote für Menschen, die auf Kleider- und Sachspenden
       angewiesen sind, gibt es seitens der Stadt nämlich nicht. Die Sozialbehörde
       verweist dazu lediglich auf eine Online-Übersicht mit externen
       Anlaufstellen. Ein Großteil davon hat die Ausgabe und Aufnahme von
       Kleiderspenden jedoch längst gestoppt. Was die Ausmistenden betrifft, rät
       auch Szepan zum Online-Besuch: „Auf den Internetseiten der Initiativen
       steht eigentlich immer, was gebraucht wird und was nicht. Sich daran zu
       halten, entlastet uns schon total.“
       
       17 Mar 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johanna Sethe
       
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