# taz.de -- Geplanter Emissionshandel: „Verfassungsrechtlich sehr riskant“
       
       > Experten üben bei einer Anhörung scharfe Kritik am geplanten
       > CO2-Emissionshandel. Sie bemängeln nicht nur die fehlende Wirksamkeit.
       
 (IMG) Bild: Wie kann dieser CO2-Ausstoß verfassungsgemäß verteuert werden?
       
       Berlin taz | Wenn im Bundestag über neue Gesetze beraten wird, werden dazu
       stets Expert*innen angehört. Jede Fraktion darf mindestens einen benennen,
       und gewählt werden sie normalerweise so, dass sie zumindest grob die
       Position der Partei unterstützen. Dass sich die beiden Experten, die von
       der FDP und von der Linken vorgeschlagen wurden, komplett einig sind, kommt
       darum nicht gerade oft vor.
       
       Beim geplanten [1][CO2-Emissionshandel] im Bereich Wohnen und Verkehr war
       es am Mittwoch aber der Fall: Stefan Klinski, von der Linksfraktion
       eingeladener Wirtschaftsjurist an der Berliner Hochschule für Wirtschaft
       und Recht, und Thorsten Müller, der von der FDP vorgeschlagene Leiter der
       Stiftung Umweltenergierecht, warnten, die Pläne der Bundesregierung seien
       voraussichtlich nicht verfassungskonform.
       
       „Dieses Gesetz ist verfassungsrechtlich sehr riskant“, warnte Klinski die
       Mitglieder des Umweltausschusses. Und Müller erklärte in seiner
       [2][Stellungnahme]: „Dem Gesetzentwurf begegnen tiefgreifende
       verfassungsrechtliche Bedenken.“ Die Argumentation fällt bei beiden
       Juristen ähnlich aus: Der Staat dürfe nicht beliebig neue Steuern
       einführen. Der geplante CO2-Emissionshandel wirke in den ersten Jahren
       faktisch wie eine Steuer, weil er bis zum Jahr 2025 einen Festpreis pro
       Tonne CO2 vorsieht. Anders als beim europäischen Emissionshandel, der nur
       für Kraftwerke und Industrie gilt, sei zudem keine maximale Menge an
       Zertifikaten festgelegt.
       
       Eine solche Begrenzung und die damit einhergehende Knappheit hatte das
       Bundesverfassungsgericht bei einer Entscheidung im Jahr 2018 aber explizit
       zur Bedingung für die Zulässigkeit des Emissionshandels gemacht. Zwar sei
       es theoretisch denkbar, dass die Verfassungsrichter ihre damaligen Vorgaben
       lockern und einen Festpreis für eine zeitlich begrenzte Einführungsphase
       akzeptieren, darauf setzt die Bundesregierung. Das halten die Juristen aber
       für wenig wahrscheinlich.
       
       ## Steuer als rechtssichere Alternative
       
       „Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bietet keine
       tragfähige Grundlage für die Annahme, das Konzept sei
       finanzverfassungsrechtlich zulässig“, sagt Klinski, der im Vorfeld zwei
       Rechtsgutachten zu dieser Frage verfasst hatte.
       
       Eine solche Verfassungwidrigkeit würde das Gesetz zwar nicht aufhalten,
       weil eine Klage keine aufschiebenden Wirkung hätte. Allerdings könnten
       erhebliche finanzielle Belastungen auf den Bund zukommen, warnt Müller.
       Denn wenn bereits im Vorfeld verfassungsrechtliche Bedenken bestanden,
       könne das Gericht nicht nur die Unvereinbarkeit des Gesetzes feststellen,
       sondern die Nichtigkeit.
       
       „Die Folge wäre die Pflicht zur Rückzahlung der eingenommenen Mittel“, so
       Müller in seiner [3][Stellungnahme]. Als rechtssichere Alternative schlagen
       die Experten vor, statt einem Emissionshandel mit Festpreis in der
       Anfangsphase auf eine Steuer zu setzen. Das sei durch eine CO2-bezogene
       Anhebung der bestehenden Energiesteuern problemlos möglich.
       
       ## Bundesregierung zeigt sich unbeeindruckt
       
       Die Bundesregierung lässt sich von der wachsenden Kritik aber nicht
       beeindrucken. „Ich vertraue auf die Einschätzung unserer Juristen, die das
       Gesetz für verfassungskonform halten“, sagte Umwelt-Staatssekretär Jochen
       Flasbarth (SPD) der taz.
       
       Neben der Kritik an der rechtlichen Ausgestaltung gab es auch zahlreiche
       inhaltliche Einwände. Brigitte Knopf vom Klimaforschungsinstitut MCC
       erklärte, der Preis, der von 10 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2021 auf 35 Euro
       im Jahr 2025 steigen soll, werde „kaum eine Lenkungswirkung entfalten“. Zum
       Erreichen der Klimaziele notwendig sei ein Einstiegspreis von 50 Euro im
       Jahr 2021, der bis 2030 auf 120 Euro ansteige. Für die Gewerkschaft IG BCE
       kritisierte Rolf Bartels, die Pläne als „sozial unausgewogen“.
       
       6 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ergebnisse-aus-dem-Klimakabinett/!5627718
 (DIR) [2] https://www.bundestag.de/resource/blob/665998/ec4cc21e220eac9b32469fe7046e5f33/19-16-293-A-Klinski-data.pdf
 (DIR) [3] https://www.bundestag.de/resource/blob/666344/a78fd3836b10226f16d3d9d62a1e8b29/19-16-293-F-Mueller-data.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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