# taz.de -- Gegen obdachlosenfeindliche Architektur: Politpromo von Disarstar ist geil
       
       > Kurz vorm Release seines neuen Albums hat der Hamburger Rapper Disarstar
       > Barrieren gegen Obdachlose zerstört. Marketing? Wenn ja: Bitte mehr
       > davon.
       
 (IMG) Bild: Hat die Flex angesetzt gegen obdachlosfeindliche Architektur: Hamburger Rapper Disarstar
       
       Es sieht ganz routiniert aus: Schweißerbrille auf, Flex zweimal ansetzen,
       zack, Bügel ab. Nächster Bügel. Der l[1][inke Hamburger Rapper Disarstar]
       hat sich in einer Aktion zivilen Ungehorsams obdachlosenfeindlicher
       Architektur angenommen und provisorische Schlafplätze geschaffen.
       
       Bei den Betonbänken, die zum Empire Riverside Hotel auf St. Pauli gehören,
       hatten bisher Metallbügel verhindert, dass Menschen sich ausstrecken
       können. „Man gönnt Obdachlosen nicht einmal den Dreck unter den
       Fingernägeln“, sagt Disarstar in seinem Video und breitet Matratze und
       Decke auf der befreiten Bank aus. „Nicht mal das Mindeste“, sprüht er auf
       den Beton.
       
       Gut zwei Wochen vor dem Start seines neuen Albums „Rolex für alle“
       [2][kommt das Video raus] – den Verdacht, dass es um eine „Promoaktion“
       geht, kann man da schon mal äußern. Wird auch getan. Aber ehrlich:
       Scheißegal. Disarstar hat ziemlich vieles ziemlich richtig gemacht: Eine
       kleine Aktion, für einen einzelnen machbar, trotzdem mit Sofortwirkung für
       jene, die's brauchen. Und symbolträchtig genug, um über sich selbst
       hinauszuweisen.
       
       Das Ganze versieht er mit Kontext: Im Video wird die Flex-Aktion
       gegengeschnitten mit einem Pamphlet gegen investorenfreundliche
       Stadtgestaltung und Schikanen wie Anti-Junkie-Musik am Bahnhof. „Natürlich
       geht es hier nicht um die lösungsorientierte Auseinandersetzung mit einem
       Problem“, sagt Disarstar in die Kamera. „Es geht [3][einzig und allein um
       Verdrängung.“] Am Ende gibt's noch einen Hinweis zum Weiterhelfen:
       Eingeblendet wird das Spendenkonto fürs CaFée mit Herz, eine
       Obdachlosenanlaufstelle auf St. Pauli.
       
       ## Nix gegen Promo mit guten Folgen
       
       Wünschen kann man sich in Wirklichkeit nur mehr solche Promo-Aktionen: Nix
       gegen Charitykonzerte fürs Klima, aber das stärkere Zeichen wär's schon,
       sich vor der Konzertreise vor die Einfahrt vom Kohlekraftwerk zu kleben.
       
       Nix dagegen, wenn Stars die Logos von NGOs in die Kamera halten – aber
       warum nicht zum nächsten Albumstart eine Hausbesetzung gegen
       Gentrifizierung starten? Und Bekenntnisse auf roten Teppichen zur
       gesellschaftlichen Vielfalt sind toll – aber Randale im richtigen Flugzeug
       zum nächsten Filmstart könnte auch direkt eine Abschiebung verhindern
       helfen.
       
       Alles Marketing? Klar. Und zum Glück geil.
       
       21 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Hamburger-Rapper-ueber-St-Pauli-und-Marx/!5753937
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=oNcd_yQmNrg
 (DIR) [3] /Kein-Platz-fuer-Obdachlose/!5826230
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lotta Drügemöller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Obdachlosigkeit in Hamburg
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Architektur
 (DIR) Aktivismus
 (DIR) Obdachlosigkeit
 (DIR) Stadtentwicklung Hamburg
 (DIR) Rap
 (DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Rap
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Lieblingsstück 2022: Immer noch geiler linker Rap
       
       Das Album „Rolex für alle“ des Hamburger Rappers Disarstar war
       experimenteller als die Vorgänger. Thematisch blieb er seiner Linie treu.
       
 (DIR) Kleinpartei „Die Urbane“ im Wahlkampf: HipHop goes Bundestag
       
       Die Kleinpartei „Die Urbane“ setzt sich für Antirassismus und
       Dekolonialisierung ein. Wer steht dahinter? Ein Treffen im Hamburger
       Schanzenviertel.
       
 (DIR) Poller-Protest in Hamburg: Solidarität mit dem Sitzfleisch
       
       Wegen „Lärmbelästigung und starken Alkoholkonsums“ sind in St. Georg
       Sitzgelegenheiten abgeschafft worden. Nun gibt es wieder Sitzpolster.
       
 (DIR) Hamburger Rapper über St. Pauli und Marx: „Ich lebe permanent im Widerspruch“
       
       Disarstar kam mit 15 Jahren in eine Notunterkunft, war drogenabhängig und
       vorbestraft. Heute ist er als Musiker erfolgreich und studiert nebenbei.