# taz.de -- Erster Berlin-Monitor: Berliner mögen ihre Demokratie
       
       > Laut einer Studie über politische Einstellungen engagieren sich Berliner
       > gerne politisch und sind weniger antisemitisch als andere Deutsche
       
 (IMG) Bild: Berliner gehen gerne demonstrieren, weil sie das Gefühl haben, dass es etwas bringt
       
       Was Demokratie und Vielfalt betrifft, gehe in Berlin nicht alles den Bach
       runter, antwortete Oliver Decker, Demokratieforscher an der Universität
       Leipzig, auf die Nachfrage eines Journalisten. Tatsächlich fielen die
       Ergebnisse des ersten „Berlin-Monitors“, den Justizsenator Dirk Behrendt
       (Grüne) am Mittwoch im Roten Rathaus gemeinsam mit beteiligten Forschern
       vorstellte, in vielen Punkten positiv aus. 87 Prozent der Berliner lehnen
       der repräsentativen Befragung zufolge eine Diktatur ab – auch wenn 22
       Prozent mit der Demokratie, wie sie derzeit existiert, nicht zufrieden
       sind. Ebenfalls positiv: Die Berliner sind in hohem Maße
       zivilgesellschaftlich aktiv und fühlen sich politisch wirkmächtig.
       
       Der Berlin-Monitor wurde vom Abgeordnetenhaus und vom rot-rot-grünen Senat
       in Auftrag gegeben und soll von nun an alle zwei Jahre erstellt werden.
       Laut den AutorInnen Oliver Decker, Gert Pickel (beide Uni Leipzig) und
       Katrin Reimer-Gordinskaya (Hochschule Magdeburg-Stendal) liefert er eine
       „Einschätzung der politisch-kulturellen Situation in Berlin“. Damit solle
       die Studie „Impulse für die Weiterentwicklung demokratischer Alltagskultur“
       geben.
       
       Konkret wurden von Anfang März bis Ende April 2.005 Berliner über 16 Jahren
       zu antidemokratischen Haltungen, Vorurteilen, Diskriminierungserfahrungen
       und antisemitischen Einstellungen befragt. Während sich 29 Prozent der
       Berliner wegen ihres Geschlechts diskriminiert fühlen, gilt das für 27
       Prozent wegen ihrer Herkunft, hier besonders bei Menschen mit muslimischem
       Hintergrund. 15 Prozent fühlen sich aufgrund ihres Einkommens diskriminiert
       und bilden bei der Frage nach erlebter Diskriminierung die drittgrößte
       Gruppe.
       
       Bei den Ergebnissen zum diesjährigen Schwerpunktthema Antisemitismus fällt
       auf, dass im Vergleich zu bundesweiten Ergebnissen weniger Berliner ganz
       oder teilweise eindeutigen antisemitischen Stereotypen zustimmen. So
       stimmen 20 Prozent der Bundesdeutschen der Aussage zu, der Einfluss der
       Juden sei zu groß, in Berlin sind es 16 Prozent.
       
       ## Verschiedene Formen des Antisemitismus
       
       Die Forscher stellten aber auch Unterschiede in der Verbreitung bestimmter
       Formen des Antisemitismus in verschiedenen Bevölkerungsgruppen fest:
       Sogenannter israelbezogener Antisemitismus sei unter Berlinern mit
       Migrationshintergrund stärker verbreitet als bei anderen. Während 20
       Prozent der Berliner deutschen Staatsbürger mit Migrationshintergrund die
       Gründung Israels für eine schlechte Idee halten, sehen dies nur 9 Prozent
       der Berliner ohne Migrationshintergrund so. Zugleich ist Antisemitismus mit
       revisionistischen Bezügen auf die NS-Geschichte bei Berlinern ohne
       Migrationshintergrund weiter verbreitet.
       
       Eren Ünsal, Leiterin der Landesstelle für Gleichbehandlung, begrüßte den
       Berlin-Monitor als langfristig konzipiertes „Korrektiv“ für die Berliner
       Politik. Die Ergebnisse bewertete Ünsal positiv: „Das Konzept der Stadt der
       Vielfalt wird in Berlin gut gelebt.“ Zugleich stellte sie fest, dass man
       bei der Sensibilisierung für Antisemitismus die muslimische Community
       gezielt ansprechen müsse.
       
       Benjamin Steinitz, Projektleiter der Recherche- und Informationsstelle
       Antisemitismus Berlin (RIAS), kommentierte, dass die Herausforderung
       angesichts der Ergebnisse des Berlin-Monitors darin bestehe, „jede
       Erscheinungsform von Antisemitismus konsequent zu benennen, ohne sich dabei
       für minderheitenfeindliche politische Agenden instrumentalisieren zu
       lassen“.
       
       „Es ist zufriedenstellend, dass Berliner mit der Demokratie zufrieden
       sind“, sagte Justizminister Behrendt. Positiv sei insbesondere, dass die
       Berliner das Gefühl hätten, Einfluss auf die Politik nehmen zu können.
       
       21 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Volkan Ağar
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Dirk Behrendt
 (DIR) #Unteilbar
 (DIR) Antisemitismus
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Antisemitismus
 (DIR) Polizei Berlin
 (DIR) Bürgerliche Mitte
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Menschenfeindlichkeit: Berlin grenzt aus
       
       Rassismus und Antisemitismus steigen unter Berliner*innen laut einer
       Studie. Die gegenwärtigen Krisen stärken Ressentiments.
       
 (DIR) Polizei Berlin: Neue Aufgabe, alte Schule?
       
       An der Besetzung der Position des Antisemitismusbeauftragten bei der
       Berliner Polizei gibt es Kritik. Despotischer Führungsstil vorgeworfen.
       
 (DIR) Mitautorin der „Mitte-Studie“: „Die Mitte rückt an den rechten Rand“
       
       Studienautorin Beate Küpper hält die Parteien für mitschuldig an
       Vorurteilen. Die Asyldebatte sei teils „hetzerisch“ geführt worden.
       
 (DIR) Aktivist und Jurist zu White Supremacy: „Ich fühle mich nicht mehr sicher“
       
       Der US-amerikanische Jura-Professor Khaled Beydoun erinnert auf Twitter an
       die Geschichten der Christchurch-Opfer. Auch Trumps Rhetorik ermuntere zu
       Verbrechen.
       
 (DIR) Leipziger Autoritarismus-Studie: Rassismus auch in der Mitte
       
       Rechtsextreme Einstellungen bleiben in Deutschland auf hohem Niveau. Jeder
       dritte Deutsche stimmt laut einer Studie rassistischen Aussagen zu.