# taz.de -- Coronahilfen für freie Künstler: Überall anders
       
       > Weil die Coronahilfen des Bundes die Lebenssituation freier Künstler
       > nicht berücksichtigen, haben einige Länder Geld draufgelegt. Aber nicht
       > alle.
       
 (IMG) Bild: Die Kunstproduktion läuft weiter: Bilder und Banner am Hamburger Künstlerhaus Frise
       
       Hamburg taz | Letztlich geht es um die Definition von Arbeit. Darum, wann
       sie in Corona-Krisenzeiten als systemrelevant und „erfolgreich“ gilt. Ist
       zum Beispiel ein Künstler nur „gut“, wenn er ständig ausstellt und
       verkauft? Und falls er es tut: Soll man dieses Geld gleich als „Gewinn“
       definieren und auf Hartz-IV-Ansprüche anrechnen, wie es das Finanzamt tut?
       
       Angesichts der Tatsache, dass etliche Künstler wenig verkaufen, scheint
       diese Lesart nicht angemessen. Da Hartz-IV-Sachbearbeiter aber so denken
       und auch jeden Cent des Lebenspartners anrechnen, scheuen Künstler diesen
       Weg. Unter anderem deshalb, weil man mit Hartz IV aus der so wichtigen
       Künstlersozialkasse fällt, in die man schwer wieder hineinkommt. Überhaupt
       ist das Ganze ein unwürdiges Verfahren, das dem Selbstverständnis der auf
       Unabhängigkeit bedachten Künstler aufs Heftigste widerspricht.
       
       Über all dies seien Politiker „unzureichend bis gar nicht informiert“, sagt
       Miro Zahra, Leiterin des Künstlerhauses Plüschow bei Grevesmühlen im
       westlichen Mecklenburg-Vorpommern. Verständlich also, dass es [1][Künstler
       erzürnt], wenn Politiker in Corona-Zeiten bloß lapidar auf Hartz IV
       verweisen, falls die Soforthilfe des Bundes nicht reichen sollte.
       
       Und die weist bekanntlich Lücken auf: Die maximal 9.000 Euro aus diesem
       Topf dürfen nur für Betriebskosten wie Ateliermieten verwendet werden.
       Lebenshaltungskosten sind nicht vorgesehen, und da für viele Künstler
       derzeit Nebenjobs wegfallen, kann das durchaus dramatisch sein.
       
       ## Schnelle Hilfen in Hamburg
       
       Moniert wurde das früh, aber nachjustiert haben nur wenige Bundesländer.
       Sehr schnell hat etwa Hamburg für Künstler, die ihre Professionalität
       nachweisen, eine [2][Zusatz-Soforthilfe] von 2.500 Euro für drei Monate
       eingestellt. Sie wird, das bestätigen Künstler, zügig bewilligt und
       überwiesen. Für den Fall, dass die Krise länger dauere, berate man derzeit
       über eine Aufstockung, heißt es aus der Behörde. In diesem Fall könnten die
       Künstler weitere 2.500 Euro beantragen.
       
       Anderswo läuft es weniger rund: Zwar hatten auch Berlin und
       Nordrhein-Westfalen Zusatz-Soforthilfen eingerichtet, aber die Töpfe waren
       schnell leer. Schleswig-Holstein wiederum hat die vom Landeskulturverband
       gesammelten Spenden auf zwei Millionen Euro aufgestockt, aus denen Künstler
       insgesamt 1.000 Euro beantragen können. Die sind zwar projektgebunden. Aber
       das sei notwendig, weil die Regularien des gemeinnützigen
       Landeskulturverbands es erforderten, sagt Anders Petersen, Sprecher des
       Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK)
       Schleswig-Holstein. „Das ist immer noch wenig, aber ich bin froh, dass der
       Landeskulturverband und die Landesregierung so schnell reagiert haben“,
       sagt er.
       
       Auch in Bremen existieren diverse kleinere Zusatz-Corona-Hilfsprogramme für
       Künstler, aber keines ist so bedingungslos und unkompliziert wie das
       hamburgische. Allerdings werde ständig überprüft und nachgebessert, sagt
       Nicole Nowak, Leiterin des dortigen Künstlerhauses.
       
       Im benachbarten Niedersachsen indes regen sich bislang nur einzelne Städte.
       Braunschweig legte einen kommunalen Hilfsfonds auf, aus dem
       Solo-Selbstständige bis zu 3.000 Euro beantragen können. Eine landesweite
       Lösung fehlt aber. „In der Politik geht man wohl davon aus, dass Kunst
       irgendwie von selber läuft“, sagt der Braunschweiger Künstler und
       Hochschul-Dozent Jonas Karnagel. „Und da freie Künstler keine Lobby haben,
       kommen sie im öffentlichen Diskurs leider kaum vor.“
       
       In Mecklenburg-Vorpommern ändert sich das gerade. Auch hier hatte die
       Landesregierung zwar eine eigene Soforthilfe in Form von
       „Überbrückungs-Stipendien“ à 2.000 Euro beschlossen. Die dürfen allerdings
       nur für Materialien ausgegeben werden, deren Quittungen akribisch
       vorzulegen sind. Diese enge Sicht verwundert auch deshalb, weil in der
       ehemaligen DDR die staatliche Förderung von Kunst systemimmanent und
       selbstverständlich war. Aber diese Tradition ist wohl in Vergessenheit
       geraten.
       
       „Aus Verzweiflung“, sagt Miro Zahra vom Künstlerhaus Plüschow, „haben wir
       jetzt eine Petition aufgesetzt, in der wir unbürokratische Hilfe der
       Landesregierung fordern“. Binnen Tagesfrist unterzeichneten 190 Künstler,
       regionale Medien berichteten, aber gefruchtet hat es noch nichts. „Es ist
       eine Frage der Wertschätzung“, sagt Zahra. Kunst gelte eben nicht als
       systemrelevant.
       
       ## Wichtige Verkaufsgespräche
       
       In der Tat ist es bezeichnend, dass Museen und Galerien – obwohl, leider,
       nicht der Massenansammlung verdächtig – als Erste schlossen und als Letzte
       wieder öffnen dürfen.
       
       Auch ist unklar, wann Künstlerateliers wieder öffnen. Warum das nottut?
       Erstens, weil viele Künstler dort Kurse abhalten und ein bisschen Geld
       verdienen. Zweitens, weil Käufer, Sammler dort hinkommen. Sie wollen nicht
       irgendein Bildchen im Internet sehen, sondern mit dem Künstler sprechen.
       „Der Kauf ist immer Ergebnis einer Interaktion“, sagt der Hamburger
       Fotokünstler DG Reis. „Neben den Ausstellungen ist das jetzt alles Knall
       auf Fall weggebrochen.“
       
       Überhaupt ist die Sichtbarkeit für Künstler in Corona-Zeiten noch mühsamer
       geworden und kaum zu kompensieren durch Internet-Auftritte. Und die zu
       Beginn der Krise noch auf Youtube gestellten Vernissagen gibt es inzwischen
       auch nicht mehr.
       
       ## Kunst braucht reale Orte
       
       Dabei ist das Rezipieren von Kunst etwas Dreidimensionales, Sinnliches, da
       kommt man nicht drum herum. „Die Video-Installation, die ich im Frühjahr
       zeigen wollte, eignet sich einfach nicht fürs Internet“, sagt Iris Holstein
       vom Hamburger Künstlerhaus [3][Frappant.] „Die ist für einen konkreten Raum
       konzipiert, die muss man erleben.“
       
       Zu Beginn des Lockdowns sei sie angesichts der Perspektivlosigkeit ganz
       verzagt gewesen, sagt sie. Irgendwann habe sie beschlossen weiterzuarbeiten
       und die Installation trotzdem aufzubauen. Man könne ja nicht einfach die
       Kunstproduktion stoppen.
       
       Das tun auch die Künstlerhäuser im Norden nicht, deren staatliche
       Jahresfinanzierung zwar gesichert ist. Aber ihre Ausstellungen fallen aus,
       und um präsent zu bleiben, greifen einige auch auf die physische Welt
       zurück: In Schaukästen zeigen etwa das [4][Hamburger Westwerk] und das
       dortige [5][Künstlerhaus Frise] wechselnde Werke ihrer Künstler. Die Frise
       hat zudem ein Banner des US-amerikanischen Künstlers Paul Garrin
       aufgehängt: „Nur wenn man ein verlässliches Support-System hat, bleibt die
       Kunst sichtbar“, steht da sinngemäß. Mit Support sind Galerien, Museen,
       Künstlerhäuser, öffentlicher Raum gemeint.
       
       Etliche Künstlerhäuser haben ihre Schaukästen jetzt zu öffentlichen
       Ersatzorten gemacht. Um durch den Ausnahmezustand hindurch ihre Strahlkraft
       zu behalten und zu sagen: Wir arbeiten weiter, die Kunstproduktion läuft,
       seid unbesorgt.
       
       5 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://irre.taz.de/exec/inputmask.pl?sid=814425e3686e918f30d91c173163c2e6&bart_id=5&justopened=1&id=4126914&dad=1&Sprache=2#$
 (DIR) [2] https://irre.taz.de/exec/inputmask.pl?sid=814425e3686e918f30d91c173163c2e6&bart_id=5&justopened=1&id=4126914&dad=1&Sprache=2#$
 (DIR) [3] https://irre.taz.de/exec/inputmask.pl?sid=814425e3686e918f30d91c173163c2e6&bart_id=5&justopened=1&id=4126914&dad=1&Sprache=2#$
 (DIR) [4] https://www.westwerk.org/
 (DIR) [5] https://www.frise.de/cms/3-0-Aktuell.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Petra Schellen
       
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