# taz.de -- Brasilien mit neuartigem Vorschlag: 125 Milliarden Dollar für Waldschutz
       
       > Die UN-Klimakonferenz findet nicht zufällig im Amazonas statt. Ein neues
       > Finanzinstrument soll Gelder für den Erhalt der Tropenwälder auftreiben.
       
 (IMG) Bild: Der Fonds soll Rodungen stoppen und nur gesunden Tropenwäldern zugutekommen: Brennender Wald am Amazonas
       
       Ein 125 Milliarden Dollar schwerer Fonds soll helfen, Tropenwälder zu
       schützen statt sie zu für kurzfristige Profite zu zerstören. Die
       brasilianischen Regierung hat den Waldschutz-Fonds mit der Abkürzung TFFF
       im Vorfeld der Weltklimakonferenz in Belém, einer Millionenstadt an der
       Amazonas-Mündung, ins Leben gerufen.
       
       Umweltschützer*innen begrüßen die Initiative, auch weil sie Klima- und
       Biodiversitätsschutz zusammenbringen soll. Rechtlich bindende
       Entscheidungen zur Umsetzung der Klimaschutzziele dürfe der Fonds aber
       nicht ersetzen, warnen sie.
       
       Regenwälder wie der [1][Amazonas] spielen klimapolitisch eine zentrale
       Rolle, weil sie durch ihre Artenvielfalt, ihre komplexen Ökosysteme und in
       ihrer Funktion als riesiger CO₂-Speicher das Klima auf dem ganzen Planeten
       beeinflussen.
       
       Doch die Entwaldung eben dieser Wälder schreitet in vielen Ländern seit
       Jahren weiter fort. [2][Teile des Amazonas Regenwalds geben heute durch
       sterbende Bäume und Waldbrände bereits mehr CO₂ an die Atmosphäre ab, als
       sie einspeichern.] 2024 wurden im Schnitt pro Minute 18 Fußballfelder
       Tropenwald zerstört.
       
       ## Bundesregierung noch uneins
       
       Ein Grund: mit dem Verkauf des Holzes oder der Bewirtschaftung der Flächen
       lässt sich weitaus mehr Geld verdienen als mit dem Schutz des intakten
       Waldes. Der Waldschutz-Fonds soll das als „innovatives Finanzinstrument“
       ändern.
       
       Industrieländer wie Deutschland sollen zunächst insgesamt 10 Milliarden
       Dollar als Sicherheiten anlegen, um dann weitere Investoren und mit ihnen
       115 Milliarden anzulocken. Der Fonds investiert das Geld auf den
       Finanzmärkten und erwirtschaftet damit Gewinne.
       
       Der Renditeüberschuss könnte bei 3,4 Milliarden Dollar pro Jahr liegen, die
       dann an die Tropenwaldländer ausgezahlt werden können. Dabei sichert der
       Fonds den Geldgebern zu, dass ihr investiertes Kapital mit Zinsen
       zurückgezahlt wird.
       
       „Brasilien wird mit gutem Beispiel vorangehen und das erste Land sein, das
       sich mit einer Milliarde Dollar zum Fonds verpflichtet“, kündigte Präsident
       Lula an. Deutschland unterstütze die brasilianische Initiative im
       Grundsatz, sagte Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan. Wie viel Geld
       die Bundesrepublik einzahlen würde, werde in der Regierung noch abgestimmt.
       Norwegen hat bereits angekündigt, drei Milliarden US-Dollar beisteuern zu
       wollen, Indonesien eine Milliarde.
       
       ## Kritiker fürchten, die Idee unterschätze Finanzmarktrisiken
       
       Der Erfolg des Fonds für den Waldschutz wird auch davon abhängen, wie viele
       Gewinne damit erwirtschaftet werden, denn nur daraus würde Geld in den
       Waldschutz fließen. Fokussieren soll sich der Fonds auf Anleihen von
       Entwicklungsländern – eine riskante Wette darauf, dass sie ihre Schulden
       bedienen können.
       
       „Die klaren Gewinner sind private Investoren wie Investmentgesellschaften
       oder Banken, die durch staatliche Garantien abgesichert sind“, sagte der
       Ökonom Max Matthey [3][dem Tagesspiegel]. „Das Risiko tragen am Ende die
       Steuerzahler – und der Regenwald.“ Eine Garantie für die Tropenwaldländer,
       stabile Auszahlungen zu erhalten, gibt es nicht.
       
       Bis zu 74 Länder, die zusammen mehr als eine Milliarde Hektar tropischen
       und subtropischen Laubwald umschließen, sollen sich auf die jährlichen
       Zahlungen bewerben können, vorausgesetzt sie senken ihre Entwaldungsraten.
       
       Wer intakte Wälder umwandelt, zum Beispiel in Agrarflächen, oder abholzt,
       bekommt nichts – oder muss Gelder sogar zurückzahlen. Ein
       satellitengestütztes System soll die Entwicklung der Entwaldung überwachen.
       Pro geschützten Hektar soll es nach den Berechnungen der brasilianischen
       Regierung vier Dollar geben.
       
       ## Indigene Rechte ausdrücklich bedacht
       
       Brasilien erarbeitete das Konzept zusammen mit internationalen
       Organisationen wie der Weltbank, NGOs wie Greenpeace und Indigenen
       Vertreter*innen. Auf ihren Druck hin steht im aktuellen Konzeptpapier, dass
       der TFFF die Empfängerländer dazu verpflichtet, 20 Prozent des Geldes
       direkt an indigene und lokale Gemeinschaften weiterzugeben.
       
       Greenpeace begrüßt die brasilianische Initiative zwar grundsätzlich,
       kritisiert unter anderem aber die Definition für förderfähige Waldflächen
       als zu locker. Auch Waldflächen mit einer geringen Baumkronenbedeckung von
       20 Prozent seien ohne klare Vorgaben förderfähig.
       
       Jannes Stoppel, Greenpeace-Waldexperte, befürchtet, dass die
       Entwaldungsraten durch den Fonds zwar auf dem Papier sinken werden, dass in
       intakten Wäldern aber weiter Holz geschlagen werden darf. „Eine Lösung wäre
       ein gestaffelter Ansatz: Der Schutz von intakten Waldflächen bekommt
       besondere Förderung und der Holzeinschlag wird strikt geahndet“, schlägt er
       vor.
       
       Auch die Entwicklungsorganisation Oxfam sieht die Initiative grundsätzlich
       positiv, betont aber, dass der Fonds als freiwillige Initiative kein Teil
       der offiziellen Verhandlungen der UN-Klimakonferenz ist.
       
       „Der TFFF sollte nicht davon ablenken, dass auf der Konferenz verbindliche
       [4][Klimafinanzierungsmaßnahmen] vereinbart werden, die für alle
       Mitgliedstaaten gelten und den Bedürfnissen der ärmeren und vulnerablen
       Ländern gerecht werden“, sagt Jan Kowalzig, Oxfam-Referent für
       Klimapolitik. Greenpeace fordert zudem eine verbindliche Entscheidung, um
       die Waldzerstörung bis 2035 zu stoppen.
       
       7 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Amazonien-im-Fokus/!t6100300
 (DIR) [2] /Studie-brasilianischer-Wissenschaftler/!5787010
 (DIR) [3] https://background.tagesspiegel.de/finance/briefing/roulette-spiel-mit-oeffentlichen-geldern#
 (DIR) [4] /Petersberger-Klimadialog-in-Berlin/!6074895
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Charlotte Kranenberg
       
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