# taz.de -- Antike Bauwerke in Libanon: Beirut reißt Kulturdenkmäler ein
       
       > In der libanesischen Hauptstadt wird über eine römische Grabstätte ein
       > Parkplatz gebaut. Doch es regt sich Widerstand aus der Zivilgesellschaft.
       
 (IMG) Bild: Bauen, bauen, bauen: Libanons Hauptstadt Beirut
       
       Byblos, eine der ältesten besiedelten Städte der Welt, oder Baalbek, eine
       riesige römische Tempelruine – Libanon ist reich an archäologischen
       Schätzen. Und davon gibt es noch viel mehr im ganzen Land. Doch oft sind
       sie versteckt hinter Glas, unter Hochhäusern und nun auch: unter einem
       Parkplatz.
       
       Wer die Schnellstraße zwischen den Stadtvierteln Ashrafieh und Hamra [1][im
       Herzen der Hauptstadt Beirut] entlangfährt, sieht auf der einen Seite eine
       Mauer mit Graffiti, dahinter ein riesiges Areal. Was auf Grundstücknummer
       740 versteckt liegt, wissen nur wenige: die einstige Stadtmauer und eine
       römische Nekropole, also eine Ansammlung von Gräbern hochrangiger Römer. Im
       Oktober teilten Aktivist*innen Fotos von Baggern auf dem Gelände. Über
       den antiken Gräbern entsteht jetzt ein Parkplatz.
       
       Ein Teil der antiken Stadtmauer und ihr Tor wurden schon 2018 abgerissen.
       Die Generaldirektion für Antiquitäten (DGA) ist die einzige Behörde im
       Libanon, die rechtlich für Denkmalschutz und Restaurierung zuständig ist.
       Sie hatte den Abriss zunächst verboten.
       
       Die Eigentümer beauftragten daraufhin selbst einen Archäologen mit einem
       Bericht, schließlich erteilte ein Richter die Genehmigung für den Bau. Das
       Ministerium für Kultur entschied dann, die archäologische Stätte einfach zu
       „integrieren“. Das hieß: die alten Steine aus dem Weg räumen und am Rand
       aufeinander zu türmen. Wegen der Wirtschaftskrise ab 2019 wurde das Projekt
       gestoppt, nun wird wieder gebaut – oder eher planiert.
       
       ## Konsum statt Kultur
       
       Das Ministerium für Kultur gab Ende Oktober ein Statement heraus: Angeblich
       sei das Projekt nur „temporär“. Bis wann, lässt das Ministerium offen. Jad
       Tabet, Berater des Kulturministers, sagt: „Die Parkanlage wurde von der DGA
       auf einem Teil des Geländes genehmigt, auf dem keine archäologischen Funde
       gemacht wurden.“
       
       Alles, was derzeit touristisch vermarktet werde, sei der kapitalistische
       Konsum in der Innenstadt von Beirut, sagt Samira Ezzo, Tourguide und
       Mitglied der Beirut Heritage Society. „Einheimische sind von der
       Archäologie in Beirut entfremdet. Denn sie wurde systematisch
       vernachlässigt.“
       
       So ist etwa der historische Stadtkern Beiruts im Besitz eines einzigen
       Immobilienunternehmens namens Solidere. Die Firma gehörte dem [2][später
       ermordeten Ministerpräsidenten Rafik Hariri]. Unter ihm wurde die Beiruter
       Innenstadt in den 1990ern nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg wieder
       aufgebaut: Antike Stätten, die im Weg waren, wurden zwischen schicken
       Gebäuden versteckt, ignoriert oder einfach zugebaut. Mitten in der
       Innenstadt liegt etwa ein römisches Bad – unter Glas, im Erdgeschoss eines
       Hochhauses, weggeschlossen von der Öffentlichkeit.
       
       Im Libanon wird historisches und kulturelles Erbe de facto entweder
       zerstört oder im besten Falle privatisiert und in Bauprojekte integriert.
       
       ## Denkmalpflege bleibt Handarbeit
       
       Aktivist*innen, die sich für den Erhalt von Natur und kulturellem Erbe
       einsetzen, landen vor Gericht. Das libanesische Justizsystem gilt als
       politisch beeinflusst. Die neue Regierung versucht, das zu ändern – doch
       bislang ohne Erfolg.
       
       Diese Woche mussten sich Umweltaktivist*innen vor Gericht
       verantworten, die versuchten, Bagger über einer Höhle am Mittelmeer in der
       Kleinstadt Amchit zu stoppen. Sie ist ein Brutplatz für die
       [3][Mittelmeer-Mönchsrobbe]. Darüber ist eine dreistöckige Villa geplant.
       Die Bauarbeiten wurden zwar per Gerichtsbeschluss eingestellt, doch der
       Grundstückseigentümer beschwerte sich.
       
       Nun wurden zwei Umweltschützer, die den Bau seit Monaten verhindern wollen,
       von einem Richter befragt. Paul Abi Rached, Präsident der
       Nichtregierungsorganisation Terre Liban, kritisierte die Behörden dafür,
       Umweltschützer vorzuladen, „anstatt den Bau der Villa zu stoppen“.
       
       „Für Libanesen“, sagt Samira Ezzo von der Beirut Heritage Society, „gibt es
       keine andere Möglichkeit, ihr kulturelles Erbe zu schützen, als es aktiv
       selbst zu pflegen und zu erhalten.“
       
       22 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /OePNV-in-Beirut/!6116244
 (DIR) [2] /Sondertribunal-zu-Mord-an-Hariri/!5050690
 (DIR) [3] https://www.sueddeutsche.de/panorama/israel-tel-aviv-robbe-tiere-1.5874728
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Neumann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Stadtgespräch
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Archäologie
 (DIR) Libanon
 (DIR) Denkmalschutz
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Kolumne Stadtgespräch
 (DIR) Libanon
 (DIR) Libanon
 (DIR) Archäologie
 (DIR) Schwerpunkt Berlinale
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Rechtsextreme in den Niederlanden: In der Scheinidylle
       
       Das niederländische Städtchen Lisse ist bekannt für seine bunten
       Blumenfelder. Nun wird der Bürgermeister wegen einer Asylunterkunft
       bedroht.
       
 (DIR) Erstes Treffen seit Jahrzehnten: Israel und Libanon führen direkte offizielle Gespräche
       
       Die letzten November unterzeichnete Waffenruhe in Libanon wackelte immer,
       doch jüngst wuchs die Sorge vor Eskalation. Direkte Gespräche sollen
       Abhilfe schaffen.
       
 (DIR) ÖPNV in Beirut: Ohne Haltestellen und Fahrplan
       
       Im Libanon hat der Staat einen öffentlichen Nahverkehr installiert. Bisher
       fuhren nur private Busse. Doch das System hat noch Tücken.
       
 (DIR) Sesshaftigkeit: Ein internationales Experiment mit vielen Anfängen
       
       Die Menschen zogen als Jäger und Sammler durch die Welt, bis sie plötzlich
       sesshaft wurden. So lautete lange die Erzählung, die Wahrheit ist
       komplexer.
       
 (DIR) Berlinale-Essayfilm „Architecton“: Abschied von Beton
       
       Victor Kossakovskys neuester Film handelt von Gestein und was der Mensch
       daraus macht. Eine Konfrontation mit den Folgen des herkömmlichen Bauens.