# taz.de -- Angst vor Zwangs-Outing per Tracking-App: Infektiös im Klub
       
       > Ein Mann in Südkorea infiziert beim Feiern mehrere Menschen mit Corona.
       > Die fürchten nun ein Zwangs-Outing durch digitale Überwachung.
       
 (IMG) Bild: Dicht an dicht im Nachtklub, so mag es das Corona-Virus
       
       PEKING taz | Südkorea gilt als [1][Musterschüler bei der Bekämpfung des
       Coronavirus]. Über vier Tage gab es gar keine Neuinfektionen in dem Land.
       Doch nun könnte der Fall einer einzigen Unachtsamkeit die Lage zum Kippen
       bringen: Ein 29-Jähriger hatte die Nacht vom Freitag vor einer Woche in
       Seouls Ausgehviertel Itaewon durchgefeiert. Am Donnerstag drauf wurde er
       positiv auf Corona getestet. Am nächsten Morgen bestätigte das koreanische
       Zentrum für Seuchenprävention, dass er 14 Personen infiziert hatte.
       
       Laut Regierung muss man sich nun darauf einstellen, dass viele weitere
       Infizierte folgen könnten. Schließlich hatte der Mann fünf Klubs und Bars
       der queeren Szene besucht und potenziell mit 2.000 Menschen Kontakt gehabt.
       
       Südkorea hatte das Virus bisher eindämmen können – auch per aggressivem
       Tracking von Infektionssträngen mithilfe von Überwachungsdaten sowie einer
       radikalen Transparenz über Neuansteckungen. Doch nun wird die
       Hightech-Nation auf die Probe gestellt, ob sie [2][eine zweite
       Infektionswelle] verhindern kann.
       
       Zunächst gingen die Behörden die Namenslisten der betroffenen Klubs durch,
       auf denen sich seit dem Virusausbruch jeder Gast mit seiner Telefonnummer
       eintragen muss. „Es gibt jedoch möglicherweise blinde Flecken, zum Beispiel
       wenn Ausländer oder andere Kunden kein Handy in Korea haben. Zudem konnten
       nicht alle Nummern wiederhergestellt werden“, heißt es von einem Beamten
       von Seouls Stadtregierung.
       
       ## Sorge vor Suiziden durch Tracking
       
       Deshalb haben die Behörden Massen-SMS aufgrund von Telekommunkationsdaten
       an alle möglicherweise Infizierten geschickt, um sie zu Corona-Tests
       aufzufordern.
       
       Für den LGBT-Aktivisten Heezy Yang stellt dies ein Dilemma dar: Wer sich
       jetzt meldet, riskiert ein Zwangs-Outing. Schließlich wird jeder
       Neuinfizierte von den Behörden veröffentlicht – anonymisiert zwar, doch mit
       Alter, Nationalität, Wohnbezirk und Bewegungsabläufen während jener Nacht.
       
       „Sie können ihre Arbeit, Familie, Freunde, ja selbst ihr Leben verlieren“,
       sagt Yang. Er hoffe, dass keiner der Betroffenen suizidiere. „Als sich
       Heterosexuelle infiziert haben, wurden diese dann als ganze Gruppe
       stigmatisiert?“, fragt er rhetorisch. Im Netz passiere nämlich genau das.
       
       ## Regierung setzt auf Freiwilligkeit
       
       Südkorea ist nach wie vor eine homophobe Gesellschaft ohne
       Antidiskriminierungsgesetz. Die stärkste Ablehnung Homosexueller kommt
       ausgerechnet von den großen Freikirchen, also jenen, die selbst Opfer von
       Hassattacken wurden. Denn sie hatten sich trotz mehrmaliger Aufforderung
       der Behörden geweigert, zur Eindämmung der Pandemie vorübergehend auf
       Gottesdienste zu verzichten, und verbreiteten so selbst das Virus.
       
       [3][Südkoreas Regierung, die eine Ausgangssperre bislang vermeiden konnte,
       setzt nach wie vor auf Freiwilligkeit:] Statt alle Klubs und Bars zu
       schließen, empfiehlt die Regierung jetzt nur, dies für die nächsten vier
       Wochen zu tun.
       
       8 May 2020
       
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 (DIR) Fabian Kretschmer
       
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