# taz.de -- Ermittlungspannen beim Neonazitrio: Einen Tag zu spät
       
       > In einem Schreiben des sächsischen Innenministers steht, dass die
       > Festnahme von zwei NSU-Mitgliedern im Jahr 2000 verpatzt wurde. Damals
       > hatten sie erst einen Mord begangen.
       
 (IMG) Bild: Nicht erkannt: die mutmaßlichen Neonaziterroristen im Untergrund.
       
       BERLIN taz | Ein mobiles Einsatzkommando der Polizei stand bereit, ab 15
       Uhr des 30. Septembers 2000. Die Beamten sollten sofort informiert werden,
       falls die drei untergetauchten Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und
       Beate Zschäpe zu dem Haus in Chemnitz kommen sollten. Geheimdienstler vom
       sächsischen Verfassungsschutz hatten sich schon zwei Stunden zuvor in eine
       konspirative Wohnung gegenüber gesetzt - und warteten.
       
       "Es tauchte aber keiner der Gesuchten auf." So schreibt es der sächsische
       Innenminister Markus Ulbig (CDU) in einem Schreiben an den Innenausschuss
       des Landtags, das der taz vorliegt. Nachdem zuletzt ein Geheimgutachten des
       Bundesamts für Verfassungsschutz bekannt wurde, wird damit zum zweiten Mal
       von offizieller Seite eine verpatzte Festnahme des Neonazi-Trios
       eingeräumt.
       
       Denn: Wie aus dem Schreiben des Innenministers hervorgeht, waren die
       Beamten um einen Tag zu spät an dem Haus mit der Adresse Bernhardstraße 11
       erschienen. Am Tag zuvor lief in der konspirativen Wohnung nur eine
       Videokamera, und zwar "ohne Mannbesatzung", wie es in Ulbigs Schreiben
       heißt.
       
       ## Der erste Mord, drei Wochen zuvor
       
       Auf den Videobändern entdeckten die sächsischen Verfassungsschützer später
       einen Mann und eine Frau, die schon am 29. September vor dem Haus
       aufgetaucht waren und aufs Klingelschild schauten. Es waren, so vermuteten
       die Geheimdienstler in ihrer Auswertung des Bandes vom 5. Oktober 2000,
       Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt. Doch zu dem Zeitpunkt waren die schon
       längst wieder abgetaucht.
       
       Wie man heute weiß, hatten die Terroristen vom "Nationalsozialistischen
       Untergrund" da bereits drei Wochen zuvor in Nürnberg den türkischstämmigen
       Blumenhändler Enver Simsek erschossen. Es war der erste Mord ihrer Serie.
       Wären sie im September 2000 festgenommen worden, hätten acht weitere Morde
       an Migranten und ein Polizistinnenmord verhindert werden können.
       
       Es war nicht die einzige Observation, die zur Festnahme des Trios hätte
       führen können. So gab es 1998 die Vermutung, dass der sächsische Neonazi
       Jan W. die Untergetauchten unterstützt haben könnte. Gegen ihn und andere
       Rechtsextremisten aus dem "Blood and Honour"-Netzwerk habe es bis 2002 "zum
       Teil sehr intensive Maßnahmen" des Verfassungsschutzes gegeben, schreibt
       Sachsens Innenminister. Gebracht hätten sie nichts.
       
       ## Keine Fehler erkennbar
       
       Vielversprechender war da der Hinweis auf Kontakte der Rechtsextremistin
       Mandy S. zu Böhnhardt aus dem Jahr 2000. Dieser Hinweis war es, der
       schließlich auch zur Observation des Hauses in der Bernhardstraße 11 in
       Chemnitz im Herbst 2000 führte. Dort wohnte Mandy S. mit ihrem Freund.
       
       Doch die Überwachung führte wie drei weitere Observationen in Sachsen, die
       Landesinnenminister Ulbig anführt, nicht zur Festnahme des Trios.
       Spätestens im Jahr 2002 stellten die Sachsen dann ihre Bemühungen
       weitgehend ein. Fehler seiner Landesbehörden will Innenminister Ulbig
       dennoch nicht erkennen. Die Aufgabe der sächsischen Verfassungsschützer und
       der Landespolizei sei es lediglich gewesen, die Thüringer Zielfahnder zu
       unterstützen, denen man mit eigenen Suchmaßnahmen nicht in die Quere habe
       kommen wollen, schreibt er.
       
       Ein bisschen mehr hätte sich die sächsische Opposition da doch gewünscht.
       Sie erwarte als Lehre aus den unentdeckten Morden der zuletzt in Zwickau
       untergetauchten Terrorzelle zumindest "Ansätze von Selbstkritik aus dem
       Innenministerium und wenigstens zaghafte Hinweise auf Pannen und
       Versäumnisse in der Ermittlungsarbeit", sagte die Linkspartei-Abgeordnete
       Kerstin Köditz.
       
       12 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf Schmidt
       
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