# taz.de -- Israel und Jordanien: Beziehungsstatus? Es ist kompliziert
       
       > Israel will ein Krankenhaus eröffnen, das Jordanier*innen von der
       > anderen Seite der Grenze besuchen können. Doch die Beziehung der Länder
       > bleibt angespannt.
       
 (IMG) Bild: Immer wieder für Monate geschlossen: Grenzübergang Allenby Bridge zwischen dem Westjordanland und Jordanien
       
       Ein nagelneues Krankenhaus in Israel, mit Hunderten Betten und einer
       Krebsabteilung. Um Patient*innen aufzunehmen, die von der anderen Seite
       der Grenze aus Jordanien kommen. Könnte das dazu beitragen, die in
       Schieflage geratenen Beziehungen zwischen Israel und seinem Nachbarland
       Jordanien wieder geradezubiegen?
       
       Das Projekt Jordan Gateway ist schon lange geplant. Seit 1994, seit dem
       Friedensabkommen, das jordanische und israelische Regierungsvertreter am
       Grenzübergang in Wadi Araba unterschrieben. Es sieht eine Zone mit
       Sonderstatus am Ufer des Jordans vor, in der Jordanier*innen und
       Israelis arbeiten dürfen, ohne in das jeweils andere Land einzureisen, und
       soll einen Knotenpunkt bilden für den Handel mit Waren aus dem arabischen
       Raum nach Israel und weiter übers Mittelmeer.
       
       Bereits im Jahr 1998 hatten die zwei Länder den entsprechenden Deal
       unterzeichnet. Doch dann passierte lange nichts. Aus mehreren Gründen:
       Spannungen über die palästinensische Frage, Sicherheitsbedenken, rechtliche
       Hürden. Denn die Beziehung zwischen Israel und Jordanien ist alles anders
       als einfach. Jordanien plädiert etwa für eine Zweistaatenlösung, verurteilt
       Gewalt am Tempelberg und an Palästinenser*innen, Israel fürchtet sich vor
       [1][einer Radikalisierung im Nachbarland].
       
       Weiteren Schwung bekam das Projekt 2022, als die israelische Regierung eine
       weitere Phase genehmigte. Doch dann kam der Gazakrieg, und die Beziehungen
       zwischen Jordanien, dessen Einwohner*innen mindestens zur Hälfte
       palästinensische Vorfahren haben, und Israel gerieten in ein Loch, das weit
       tiefer ist als jede Baugrube.
       
       ## Triumph der Realpolitik?
       
       Das bestätigt der jordanische Geopolitik-Experte Amer al-Sabaileh. „Für die
       Diplomatie sind dies [2][nicht gerade die besten Zeiten]“, findet er.
       Jordanien hat sich nach Beginn des Konflikts aus einem gemeinsamen
       Energieprojekt zurückgezogen, seinen Botschafter aus Israel zurückgerufen
       und den israelischen aus dem Land geschmissen. Jordaniens Außenminister
       bezichtigt Israel, die Bewohner von Gaza vertreiben zu wollen. Israels
       Premierminister Netanjahu wiederum verärgerte den Nachbarn, als er
       erklärte, er befürworte ein „Großisrael“, was im biblischen Sinne
       jordanischen Boden beinhalten würde.
       
       Doch Politik ist eben auch Pragmatik. So könnte das Projekt des Jordan
       Gateway weniger problematisch sein, als es auf den ersten Blick erscheint.
       Es könnte [3][beiden Ländern Vorteile bringen], findet al-Sabaileh. „Die
       Realpolitik zeigt die Notwendigkeit eines solchen Vorhabens.“ Jetzt wollen
       israelische Politiker jedenfalls dem Projekt neues Leben einhauchen. Es
       dürfte kein Zufall sein, dass dies genau jetzt geschieht. Nach dem Konflikt
       in Gaza versucht Israel weiter, die Normalisierung mit arabischen Ländern
       voranzubringen.
       
       Und Jordanien braucht Arbeitsplätze. Seine Arbeitslosigkeit liegt gerade
       bei über 21 Prozent, unter Frauen sogar knapp 34 Prozent. Doch nach dem
       Konflikt in Gaza, bei dem mehr als 70.000 Palästinenser*innen
       gestorben sind, könnte die jordanische Bevölkerung Israel gegenüber kaum
       abgeneigter sein.
       
       ## Spannungen, aber weiterer Kontakt
       
       Und doch sind die Verhältnisse zwischen Jordanien und Israel selbst während
       des Kriegs nie ganz erstarrt. Mehr oder weniger öffentliche Kooperationen
       im Bereich Sicherheit gingen weiter, sagen Vertraute. Informierte
       bestätigen, dass israelische Delegationen trotz der Lage weiterhin ins Land
       gekommen sind.
       
       „Der Konflikt in Gaza hat politische Spannungen sicherlich intensiviert“,
       erläutert Sicherheitsexperte Saud al-Sharafat. „Eine wesentliche
       Sicherheitskoordination bestand indes weiter, wenn auch auf eine diskrete
       und kontrollierte Art.“ Etwa bei Grenzsicherheit und Informationsaustausch.
       Sie sei notwendig für die Stabilität der Region. Für Jordanien genauso. Das
       Land steuere gerade „einen vorsichtigen Balanceakt: den starken Gefühlen
       der Bevölkerung zu begegnen, während es die nötigen Sicherheitsmechanismen
       bewahrt“.
       
       Mitte Dezember hat Israel gleichfalls den Grenzübergang Allenby Bridge
       zwischen dem Westjordanland und Jordanien für Hilfskonvois nach Gaza wieder
       geöffnet. Nach einem Terrorangriff im September blieb er monatelang zu. Ob
       das ausreicht, um die Stimmung im Nachbarland zu besänftigen, bleibt
       angesichts der noch katastrophalen Lage in Gaza und der Gewalt im
       Westjordanland fraglich.
       
       „Es wird viel mehr brauchen, denn Jordanien hat große Angst vor Israels
       Macht und ist sehr kritisch gegenüber Israels Handeln in Gaza“, findet
       Asher Susser, ehemaliger Professor für Nahoststudien an der Universität Tel
       Aviv. Die Beziehung zwischen Israel und Jordanien bestehe aus zwei
       widersprüchlichen Elementen: gemeinsamen regionalen Interessen, etwa gegen
       den Iran, sowie der Angst Jordaniens vor einer Vertreibung der
       Palästinenser*innen über den Jordan. Nur Schritte in Richtung einer
       Zweistaatenlösung könnten das Verhältnis bessern, so Susser.
       
       Doch gerade eben hat Israel mit dem Bau einer Sperranlage begonnen, 12
       Kilometer westlich des Jordans. Das Projekt kostet 1,7 Milliarden US-Dollar
       und wird über 400 Kilometer lang sein – so lang wie die gesamte Grenze
       zwischen Israel, dem Westjordanland und Jordanien. Die Regierung hat das
       Vorhaben mit Waffenschmuggel und zwei Terrorattacken begründet, bei denen
       die Angreifer aus Jordanien unbemerkt ins Land gekommen sind.
       Kritiker*innen sagen hingegen: Das Projekt diene dazu, die Kontrolle
       über das Westjordanland zu verfestigen und eine eventuelle Annexion
       voranzutreiben.
       
       23 Dec 2025
       
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