# taz.de -- Zu viele Schadstoffe im Wasser: Ungewöhnliche Rettungsallianz für die belastete Ostsee
       
       > Bauernverbände und das Landwirtschaftsministerium in Kiel schlagen
       > gemeinsame Maßnahmen zur Rettung der Ostsee vor. Das Problem: Es ist
       > alles freiwillig.
       
 (IMG) Bild: Sieht schön bunt aus, hat aber eine miserable Schadstoffwertbelastung: Wasser der Ostsee, hier mit Plastikbecher
       
       [1][Überfischung], Erwärmung und viel zu viele Schadstoffe im Wasser: Die
       Ostsee ist in einem miserablen Zustand. Vor Weihnachten stellten
       Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsministerium und mehrere lokale
       Ostseebeiräte Maßnahmen vor, um die Mengen an Stickstoff und Phosphor zu
       verringern. Das Problem: Alle Maßnahmen sind freiwillig. Das reicht nicht,
       befürchtet der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Zurzeit hält
       Schleswig-Holstein nicht einmal die Grenzwerte der
       EU-Wasserrahmenrichtlinie ein.
       
       „Wir sind alle sehr motiviert, der Wille ist da in der Landwirtschaft“,
       sagte Heinrich Mougin. Der Landwirt mit Hof in Grömitz und
       Vorstandsmitglied des Bauernverbandes Schleswig-Holstein leitete einen von
       landesweit fünf Ostseebeiräten. Sie waren Ende 2024 als ein Punkt in einer
       [2][Zielvereinbarung] vereinbart worden, zwischen der Landesregierung und
       den landwirtschaftlichen Verbänden.
       
       Neben dem Bauernverband sind der Verband der Familienbetriebe Land und
       Forst Schleswig-Holstein, die Landesvereinigung Ökologischer Landbau
       Schleswig-Holstein und Hamburg sowie der Verein „Land schafft Verbindung“
       beteiligt.
       
       Die Beiräte sollten für ihre Region Ideen entwickeln, um die
       Schadstoffeinträge zu verringern und so etwas für die Rettung der Ostsee zu
       tun. „Zu einem [3][Ostsee-Nationalpark] haben wir Nein gesagt, aber für uns
       alle ist die Ostsee ein prägendes Element unserer Heimat“, sagte Mougin.
       „Wir nehmen die Herausforderung an, sie zu schützen.“ Ein Nationalpark
       Ostsee nach [4][Vorbild des Nationalparks Wattenmeer] war der Wunsch des
       Umweltministers Tobias Goldschmidt gewesen. Das Projekt scheiterte am
       Widerstand der Verbände für Landwirtschaft und Tourismus, auch die CDU
       konnte sich mit der Idee nicht anfreunden.
       
       Cornelia Schmachtenberg (CDU), seit November 2025 Landwirtschaftsministerin
       in Schleswig-Holstein, lobte die Arbeit der Beiräte: Es sei richtig
       gewesen, die Verantwortung an „die Experten vor Ort“ abzugeben. Niemand
       habe versucht, Entscheidungen zu verzögern, alle hätten sich zum
       gemeinsamen Ziel bekannt.
       
       Konkret geht es darum, bis zum Jahr 2035 die Einträge von Stickstoff um
       rund 470 Tonnen und Phosphor um 16 Tonnen Phosphor jährlich zu senken. Das
       sind zehn Prozent weniger als die Werte im Mittel der vergangenen Jahre.
       Bis 2045 sollen die Schadstoff-Einträge aus Dünger und Pestiziden um
       weitere zehn Prozentpunkte sinken.
       
       Denkbare Maßnahmen sind breitere Uferstreifen, in denen die Schadstoffe
       versickern können, Filtersysteme, weniger Dünger, eine andere Fruchtfolge
       oder die Wiedervernässung von Mooren. Unter allen Maßnahmen wählen die
       Ostseebeiräte diejenigen aus, die ihrer Meinung nach in ihrer jeweiligen
       Region umsetzbar sind. Alle gemeinsam würden das Ziel der 2024
       geschlossenen Vereinbarung sogar übertreffen. „Die Landwirtschaft ist hier
       in große Vorleistung getreten“, freute sich Ministerin Schmachtenberg. Lob
       für die Ergebnisse der fünf regionalen Beiräte kommt auch vom Bund für
       Umwelt und Naturschutz in Schleswig-Holstein: „Die Pläne wirken sehr
       fundiert“, sagt BUND-Sprecherin Sina Clorius der taz. „Sie sind ein guter
       Anfang und wir sind froh, dass die Landwirtschaftsministerin bei der
       Umsetzung des Aktionsplans Ostseeschutz am Ball bleibt.“
       
       ## Pläne sind nicht verbindlich
       
       Allerdings gibt es einen großen Schwachpunkt: Die Ideen der Ostseebeiräte
       sind für die Landwirt:innen nicht verbindlich. Zwar sollen die möglichen
       Maßnahmen in den kommenden Monaten bekannt gemacht werden, dazu finden
       Beratungen der einzelnen Höfe und Informationstage statt. Aber wenn die
       Ideen nicht angenommen werden, gibt es keine Handhabe, sie durchzusetzen.
       
       Dabei ist eigentlich auch das Land im Zugzwang. Denn Schleswig-Holstein
       verstößt seit Jahren gegen die EU-Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie.
       „Derzeit werden die Ziel- und Orientierungswerte für Stickstoff und
       Phosphor an mehreren Ostseezuflüssen in Schleswig-Holstein noch nicht
       erreicht“, gibt das Ministerium auf Nachfrage zu. Allerdings betreffe das
       auch andere Bundesländer. Die Einhaltung der Zielwerte sei eine
       gesamtdeutsche Aufgabe. Die Zielvereinbarung mit der Landwirtschaft sei ein
       Baustein, um die „landwirtschaftlichen Nährstoffeinträge schrittweise
       weiter zu reduzieren“.
       
       Sina Clorius reicht das angesichts der aktuellen Lage der Ostsee, aber auch
       des Grundwassers nicht: „Stickstoff-Nitrat ist ein existenzielles Problem
       für uns alle. Mehrere Trinkwasserbrunnen mussten schon geschlossen werden,
       weil das Wasser belastet war. Nitrat bedroht unsere Gesundheit und die
       Artenvielfalt.“
       
       Der BUND erinnert an den [5][„Aktionsplan Ostseeschutz“ des Landes]. Dort
       ist von einer Reduktion der jährlichen Stickstoffeinträge von rund 2000
       Tonnen die Rede. Die Phosphor-Menge müsste um rund 65 Tonnen pro Jahr
       gesenkt werden, um die Wasserrahmenrichtlinie einzuhalten.
       
       „Pläne sind gut, aber für die Ostsee kommt es auf das Ergebnis an“, sagt
       Clorius. „Es darf einfach nicht mehr so viel Stickstoff und Phosphor im
       Wasser landen, sonst sehen wir statt blauem Meer irgendwann nur noch
       Algensuppe!“
       
       27 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Fischerei-in-der-Ostsee-am-Limit/!6100632
 (DIR) [2] https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/IX/presse/PI/2024/IV./241217_zielvereinbarung_ostseeschutz
 (DIR) [3] /Nach-Aus-fuer-Nationalpark-Ostsee/!5996613
 (DIR) [4] /Weltmeere-Hitzewellen-in-den-Ozeanen/!6112919
 (DIR) [5] https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/themen/kueste-wasser-meer/aktionsplan-ostseeschutz/downloads/aktionsplan_ostseeschutz.pdf?__blob=publicationFile&v=1
       
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 (DIR) Esther Geisslinger
       
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