# taz.de -- 1.393 Tage Krieg in der Ukraine: Sind die Ukrainer kriegsmüde?
> Im Ausland interessiert man sich immer sehr für die Stimmung der
> Ukrainer. Unser Autor beantwortet wiederkehrende Fragen von Journalisten.
(IMG) Bild: Kriegsmüde? Das kann sich die Ukraine nicht leisten. Improvisiertes Denkmal für gefallene Soldaten in Kyjiw
Ausländische Journalisten fragen regelmäßig nach der Stimmung in der
Ukraine: Sind wir erschöpft vom Kämpfen? Sollten wir den Donbas aufgeben?
Und warum wollen Ukrainer im Ausland eigentlich nicht kämpfen?
Bei aller Verehrung für die Europäische Union und die USA, diese aktuellen
„Friedensgespräche“ sind keine. Erörtert wird vielmehr eine Form der milden
Kapitulation der Ukraine, mit unterschiedlich großen Gebietsabtretungen.
Natürlich brauchen wir westliche Hilfe im Krieg. Aber braucht die Ukraine
auch Unterstützung für ihre Kapitulation?
## Kämpfen, um zu überleben
Vielleicht kommunizieren wir nicht richtig? Vielleicht ist bis heute immer
noch nicht klar, dass wir uns einfach verteidigen, um nicht umgebracht zu
werden. Im Westen aber klingt das so: Lasst sie doch noch ein bisschen
kämpfen. Und dann sollen die Ukrainer selbst entscheiden, wie sie
vergewaltigt werden möchten. Sind doch selber schuld: haben Putin böse
angeschaut und wollten unbedingt nach Europa. Und Wahlen sollten sie
endlich abhalten!
Bei uns gibt es einen Witz: „Die Ukraine kämpft, alle anderen sind
kriegsmüde.“ Sie können sich gar nicht vorstellen, wie müde wir sind vom
Dauerbeschuss, den vielen Begräbnissen und den Stromausfällen. Aber wer
verteidigt uns, außer uns selbst? Wir hatten auf die USA gehofft, aber
jetzt rollt Trump Putin den roten Teppich aus und redet von Business mit
Russland. Und Europa? Fährt gerade seine Ukraine-Hilfe zurück, weil man ja
nicht gegen eine Atommacht kämpfen könne. Und man ja Pazifist sei. In
Deutschland protestieren bereits Jugendliche unter dem Slogan „Lieber unter
Putins Herrschaft leben als zu kämpfen“ gegen die Wehrpflicht.
Und dann noch diese Nachrichten: „Der Krieg ist bald vorbei!“ Woher kommt
das? Russland bombardiert und erobert weiter. Aber nach solchen Meldungen
nimmt die Hilfe ab. Und: „Nichts verringert die Zahl derjenigen, die zum
Militärdienst bereit sind, so sehr wie die wiederholten Ankündigungen vom
baldigen Kriegsende“, sagte mir ein Offizier einer Rekrutierungsstelle.
## Lohnt es sich, den Donbas zu opfern?
Etwa 80 Prozent des Donbas sind bereits besetzt. Die Ukrainer haben das
starke Gefühl, dass Trump Putin Zeit gibt, auch den Rest zu erobern. Putins
Truppen rücken schon in weiteren Gebieten vor. Wer garantiert, dass sie an
den Grenzen des Donbas Halt machen werden? Den Donbas jetzt zu opfern, ist,
als würde man einem Kannibalen ein Bein geben, in der Hoffnung, dass er
nicht auch noch das zweite abhackt. Ich frage Journalisten normalerweise
zurück: Wären die europäischen Länder bereit, einen Teil ihres Territoriums
im Austausch für einen brüchigen Frieden ohne Garantien aufzugeben? Wenn
alle drumherum das dringend empfehlen?
## Und warum kämpfen die Ukrainer im Ausland nicht?
Ich verrate Ihnen etwas: Auch die Ukrainer im Land selber wollen nicht
wirklich kämpfen. 2022 war uns klar, dass wir unser Land verteidigen, dass
wir dabei unterstützt werden. Jetzt wissen wir nicht mehr, wofür wir
kämpfen sollen, außer für das Recht zu leben. Die „Unverletzlichkeit der
Grenzen“ und der „Schutz der Menschenrechte“ haben sich als Fiktion
herausgestellt. Niemand verteidigt uns.
Und Sie fragen die Geflüchteten ernsthaft, warum sie sich nicht gegen die
russische Militärmaschine stellen, ohne Hoffnung auf irgendeine
Unterstützung? Die Ukrainer, die Sie in Ihrem Land sehen, sind nur die
erste Welle. Wenn sich die Situation nicht ändert, wird es eine zweite und
dritte Welle geben – diejenigen, die den Krieg überlebt haben.
Und diejenigen, die in der Ukraine bleiben, werden in die russische Armee
eingezogen, um zu neuen Eroberungen geschickt zu werden. Wie jetzt bereits
in den besetzten Gebieten. Raten Sie mal, welche Länder Russland noch
erobern möchte?
Aus dem Ukrainischen [1][Gaby Coldewey]
18 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Artem Perfilov
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