# taz.de -- Salomé Balthus gegen „Weltwoche“: Persönlichkeitsrechte gelten auch für Sexarbeiterinnen
> Ein Schweizer Gericht urteilt im Sinne der Prostituierten Hanna Lakomy.
> Ein Journalist hatte ohne Einverständnis über ein Date mit ihr
> geschrieben.
(IMG) Bild: Die Kolumnistin und Autorin Hanna Lakomy
Dreistigkeit zahlt sich nicht immer aus. Das musste nun auch ein Journalist
der Schweizer Weltwoche lernen. Er hatte die Berliner Prostituierte und
Autorin Hanna Lakomy aka Salomé Balthus um ein Interview gebeten, sie
lehnte ab, er buchte dann ein Abendessen mit ihr – [1][und schrieb später
in der Weltwoche darüber.] Den Text reichte er sogar für einen
Journalistenpreis ein, gewann aber nicht. Lakomy verklagte ihn vor einem
Schweizer Gericht. Das hat ihr nun Recht gegeben.
Die Weltwoche muss nicht nur den Artikel auf ihrer Internetseite löschen,
sie muss auf ihrer Titelseite sowie online auch die Entscheidung des
Gerichts publizieren und offenlegen, wie viel Gewinn sie mit dem Text
gemacht hat. Mit der Information kann Lakomy dann auf Gewinnherausgabe
klagen. Auch eine Entschädigung will sie einfordern. Das Urteil ist noch
nicht rechtskräftig, Berufung ist bis Mitte Januar möglich.
Dass eine Zeitung einem Gericht ihren Gewinn offenlegen muss, ist bisher
kaum vorgekommen. „Das Urteil ist ein Meilenstein“, sagt Lakomys Schweizer
Anwalt Pablo Bünger der taz. „Bisher waren die Gerichte beim Punkt
Gewinnherausgabe zurückhaltend. Das jetzige Urteil etabliert die
Gewinnherausgabe als Standard.“
Lakomy selbst sagt der taz am Telefon, sie sei „erleichtert“, dass das
Verfahren endlich beendet sei, und „dankbar“ für den Ausgang. Die
Weltwoche, die sich selbst nonkonformistisch, wirtschaftsliberal und
staatskritisch nennt und allgemein als rechtspopulistisch angesehen wird,
antwortete bis Redaktionsschluss nicht auf Anfragen der taz.
## „Keinerlei Interesse“ an Zusammenarbeit
Die Geschichte begann eigentlich schon vor über sechs Jahren, im April
2019. Damals war Lakomy in einer Schweizer Talkshow aufgetreten, die in
einem Eklat endete. Talkmaster Roger Schawinski zeigte in den ersten
Sendeminuten einen Einspieler, in dem Alice Schwarzer sagt, viele
Prostituierte hätten in ihrer Kindheit sexuellen Missbrauch erfahren.
Schawinski fragte Lakomy: „Ist das bei Ihnen auch der Fall gewesen?“ Lakomy
ringt etwas mit der Fassung, verneint, weist die Frage aber auch von sich.
[2][Später zitiert sie ihn in ihrer wöchentlichen Kolumne bei der Welt aus
dem Gedächtnis falsch und verliert daraufhin ihre Kolumne.]
Die Talkshow „Schawinksi“ machte Lakomy in der Schweiz bekannt. Auch der
Weltwoche-Journalist Roman Zeller sah die Sendung und bat im Anschluss – so
steht es in den Gerichtsunterlagen – bei Lakomys Escort-Agentur Hetaera um
ein Interview mit ihr. Die Antwort lautete, Lakomy habe „an einer
Zusammenarbeit mit der Weltwoche keinerlei Interesse“, er solle von
weiteren Anfragen dieser Art Abstand nehmen. Der taz sagt sie später, sie
habe zuvor „negative Erfahrungen mit einer bürgerlich-rechten Zeitung“
gemacht.
Zeller erhält als Antwort zusammen mit der Absage: Als Kund*innen seien
Mitglieder der Redaktion willkommen. Daraufhin antwortete Zeller, dann
wolle er sie „als Kunde“ treffen. Und das tat er im November 2019 dann.
## Lakomy nennt einige Zitate „ausgedacht“
Am 5. Dezember 2019 erscheint Ausgabe 49 der Weltwoche. Auf der Titelseite
angekündigt wird ein „Rendezvous mit Salomé Balthus. Ein Abend mit der
intellektuellen Edelprostituierten“. Der Text selbst steht auf den Seiten
40 bis 42, illustriert unter anderem mit einem Foto von Lakomy bei ihrem
Auftritt in der Talkshow. Am gleichen Tag erhält Lakomy eine
Weihnachtskarte von Zeller, die auch als Beweismittel dem Gericht vorliegt.
Der Text: „Du hast mich beeindruckt, weshalb ich unbedingt darüber
schreiben wollte – ich hoffe, Du bist mir nicht böse.“
Lakomy ist nicht böse, sondern „fassungslos“, erzählt sie der taz. „Ich
hätte mir nicht träumen lassen, dass jemand zu so viel Frechheit fähig ist
und meint, damit durchzukommen.“ Die Weltwoche habe später argumentiert,
das Porträt über sie sei doch positiv, stelle sie in einem guten Licht dar
– warum sie denn etwas dagegen habe? Darum ging es Lakomy aber nicht. „Ich
hatte nicht zugestimmt. Fertig. Das ist ja, als würde ich jemanden in ein
Zimmer sperren und sagen, was hast du denn, das ist doch ein schönes
Zimmer“, sagt sie der taz.
Beim Treffen habe Zeller keine für Journalist*innen üblichen Utensilien
ausgepackt. „Ich habe kein Mikrofon auf dem Tisch gesehen, kein Handy,
keinen Notizblock“, sagt Lakomy der taz. Und dennoch zitierte Zeller sie
später im Text ausführlich. Lakomy nennt die Zitate zum Teil ausgedacht und
macht das auch bei Gericht geltend. In den Akten heißt es, Zeller bestehe
darauf, Lakomy richtig wiedergegeben zu haben. Laut Urteil wäre es an der
Weltwoche gewesen, zu beweisen, dass die Zitate tatsächlich gefallen sind,
Zeller sie korrekt wiedergegeben und Lakomy ihr Einverständnis zur
Veröffentlichung gegeben habe. Diese Beweise habe die Zeitung nicht
erbringen können.
Ein klares Urteil
Um als Ausländerin in der Schweiz überhaupt klagen zu können, musste Lakomy
die anvisierten Gerichtskosten vorstrecken – 15.000 Franken (im Jahr 2020
etwa 14.000 Euro). Dafür richtete sie ein Crowdfunding ein, und innerhalb
von zwei Wochen hatte sie den Betrag zusammen.
Die fehlenden Notizen wie auch die Weihnachtskarte gehören sechs Jahre
später zu den Gründen für das Bezirksgericht Zürich, klar im Sinne Lakomys
zu urteilen: Zeller hat ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, indem er ohne
ihr Wissen und ihre Einwilligung über ihre Begegnung einen Artikel schrieb
und veröffentlichte. Auch aus dem E-Mail-Verkehr sei keine Einwilligung
erkennbar, und in seinem Artikel habe er selbst geschrieben, dass sie ihm
kein Interview geben wollte. „Ein Kunde (unabhängig von dessen Beruf) ist
nicht berechtigt, einen Artikel über das Treffen mit einer Escort-Dame oder
Prostituierten zu veröffentlichen, ausser diese wäre ausdrücklich damit
einverstanden“, heißt es im Urteil.
Das Gericht nennt Zellers Aussagen „vage“, „widersprüchlich“ und
„ausweichend“. Seine Argumentation, Lakomy sei eine öffentliche Person, die
selbst Details aus ihrem Privat- und Intimleben – beispielsweise in ihrer
regelmäßigen Kolumne, zunächst bei der Welt, [3][später bei der Berliner
Zeitung] – preisgebe, erkennt es nicht an. „Aus dem Umstand, dass die
Klägerin in anderen Foren Privates diskutiert und über ihr Sexualleben
schreibt, kann jedoch keine Blankoermächtigung zur Verbreitung sämtlicher
privater Informationen ohne Zustimmung der Klägerin abgeleitet werden“.
Der Rechtsstreit zog sich über Jahre, da Lakomy nach Schweizer Recht
zunächst einen Vergleich anstreben musste – aus dem wurde jedoch nichts,
weil, so sagt Lakomy der taz, die Weltwoche den Artikel nicht von ihrer
Webseite habe löschen wollen. „Ich wollte sowieso keinen Vergleich, ich
wollte gerichtlich klären lassen, ob ein Journalist mich privat als Kunde
treffen und danach darüber schreiben darf, was er will. Man kann sich ja
nicht alles gefallen lassen.“ Mit dem Urteil ist jetzt klar: Darf er nicht.
22 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Unerlaubtes-Weltwoche-Portraet/!5647963
(DIR) [2] /Welt-Autorin-gefeuert/!5584921
(DIR) [3] https://www.berliner-zeitung.de/autoren/hanna-lakomy--li.125846
## AUTOREN
(DIR) Johanna Treblin
## TAGS
(DIR) Sexarbeit
(DIR) Medienethik
(DIR) Die Welt
(DIR) Journalismus
(DIR) Gerichtsurteil
(DIR) Reden wir darüber
(DIR) Alice Weidel
(DIR) Medienrecht
(DIR) Die Welt
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Alice Weidel bei Schweizer „Weltwoche“: Kolumne zuerst!
Alice Weidel wird Kolumnistin bei der Schweizer „Weltwoche“. Unser Autor
Uli Hannemann hat schon mal vorgelegt, was dabei herauskommen kann.
(DIR) Unerlaubtes „Weltwoche“-Porträt: Undercover beim Rendezvous
Ein „Weltwoche“-Autor trifft die Escort-Dame Salomé Balthus und schreibt
darüber einen Artikel. Einem Interview hatte sie nie zugestimmt.
(DIR) „Welt“-Autorin gefeuert: Hickhack um Salomé Balthus
Die Sexarbeiterin hatte in ihrer Kolumne auch Vorwürfe gegen einen
Schweizer Talkmaster erhoben. Nun ist sie gefeuert. Oder?