# taz.de -- Hildesheim im Zweiten Weltkrieg: „Die Bilder des zerstörten Hildesheim ähneln denen aus Gaza“
       
       > „Blüte – Zerstörung – Wiederaufbau“: In einer Ausstellung über
       > Hildesheims Zerstörung im Zweiten Weltkrieg lassen sich Parallelen zu
       > heute finden.
       
 (IMG) Bild: Von Kriegsspuren nichts mehr zu sehen: Hildesheimer Altstadt
       
       taz: Wie lässt sich die Bombardierung Hildesheims 1945 über eine
       Videoinstallation im Museum erfahrbar machen, Frau Weiss? 
       
       Lara Weiss: Das Publikum sitzt in mehreren Reihen auf verschiedenen Ebenen.
       Die Videoinstallation findet an drei Leinwänden direkt drumherum statt. Und
       dadurch befindet man sich wirklich mittendrin. Man sieht seitlich zum
       Beispiel eine Szene, in der die britischen Piloten auf Hildesheim
       zufliegen, und links und rechts schaut man aus dem Fenster der Flugzeuge
       und sieht die Kollegen aus Kanada fliegen. Wenn man nach vorne schaut,
       sieht man in das Cockpit der Piloten und hört, wie sie sich unterhalten.
       
       taz: Gibt es auch noch andere Perspektiven, aus der die Besucher:innen
       die Bombardierung erleben? 
       
       Weiss: Die Hauptfigur in der Installation ist die Mutter unseres Zeitzeugen
       Karl Scheide. Deren Perspektive ist zum Teil fiktiv, aber ausführlich
       recherchiert. In einer Szene flüchtet Karl Scheide mit seiner Mutter
       Katharina in den Schutzkeller. Und dann wechselt immer die Perspektive
       zwischen den Piloten, die die Bomben abwerfen, und der Mutter mit ihrem
       Sohn im Keller. Es gibt Überblendungen mit Bildern der Stadt, aber auch
       einzelner Häuser vor und nach der Zerstörung. Dadurch werden die Szenen
       sehr lebendig und auch sehr bewegend.
       
       taz: Dieses emotionale Berühren kann ein schmaler Grad sein. Hatten Sie
       Sorge, dass es in ein voyeuristisches Spektakel kippt? 
       
       Weiss: Wir haben uns bemüht, das zu vermeiden, und ich glaube, dass uns das
       gelungen ist. Die Videoinstallation beginnt mit [1][einem historischen
       Ausblick auf Hildesheims Geschichte.] Wie hat es die Industrialisierung
       erlebt und wie den Aufstieg der Nationalsozialisten? Zum Beispiel geht
       Katharina Scheide durch die Stadt und berichtet davon, dass ein jüdischer
       Mitbürger von den Nazis zusammengeschlagen wurde.
       
       taz: Das heißt, Sie zeigen auch die Perspektive der Opfer des Regimes? 
       
       Weiss: Auf jeden Fall. Man kann 80 Jahre nach Kriegsende nicht hingehen und
       sagen, wie schade, dass unsere schöne Altstadt kaputtgegangen ist, ohne das
       Leid der von den Nazis Verfolgten zu zeigen. Deswegen sieht man, [2][wie
       Menschen zur Deportation abgeholt werden.] Man sieht auch, wie Hitler durch
       die Stadt fährt oder die Anhänger:innen des Regimes, die nicht
       glücklich über die Befreiung waren, sondern sich fragten, was unter den
       Alliierten aus ihnen werden wird. Diese Multiperspektivität war uns
       wichtig.
       
       taz: Ein Anliegen der Ausstellung war es, gerade auch jüngere Menschen für
       das Thema zu interessieren. Ist das gelungen? 
       
       Weiss: Es waren sehr viele Schulklassen hier und es gab sehr gute Gespräche
       zwischen ihnen und den Museumspädagog:innen. Ich denke, es ist wichtig,
       gerade mit Kindern und Jugendlichen zu reflektieren, warum Krieg
       schrecklich ist und nicht wieder passieren darf. Ihnen kommt der Zweite
       Weltkrieg oft unglaublich weit weg vor. Und gleichzeitig gibt es in vielen
       Klassen durchaus Kinder mit Flucht- oder Kriegserfahrung. Wenn man die
       Bilder vom zerstörten Hildesheim sieht, [3][ähnelt sie in manchem denen aus
       Gaza.] Ich glaube, wir haben eine gute Balance gefunden, um diese Themen
       auch für diese Kinder besprechbar zu machen.
       
       taz: Gab es etwas, was die Jugendlichen besonders beschäftigt hat? 
       
       Weiss: Sie fanden die Judenverfolgung schrecklich. Sie meinten: „Das waren
       doch wichtige Bürger der Stadt, die sich für alles Mögliche eingesetzt
       haben.“
       
       17 Dec 2025
       
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