# taz.de -- Deutschlands jüngster Profiboxer: Boxen im Grenzbereich
       
       > Ein Trainingsbesuch bei dem 15-jährigen Arminius Rolle, der von seinem
       > Vater betreut wird. Es ist ein Verhältnis der ganz besonderen Art.
       
 (IMG) Bild: Ästhetischer Stil: Arminius Rolle (l.) bei seinem zweiten Profikampf gegen Max Teschke (29)
       
       Zu Gast beim Training von Deutschlands jüngstem Profiboxer in Berlin erlebt
       man nicht nur den 15-jährigen Arminius Rolle bei ausdauerndem und
       konzentriertem Boxtraining. Im verspiegelten Trainingsraum im Berliner
       Stadtteil Neukölln wird vor allem eine besondere Vater-Sohn-Beziehung
       spürbar. Denn Arminiusʼ Trainer ist sein Vater, [1][Robert Rolle, selbst
       ehemaliger Europameister] der International Boxing Federation im
       Halbschwergewicht.
       
       Sein Sohn wiederum erhielt dieses Jahr eine Sondergenehmigung des Bundes
       Deutscher Berufsboxer (BDB) und umgeht damit die Altersbeschränkung für
       Profikämpfe. Nun darf er zwei Profikämpfe pro Jahr bestreiten. Am 31. Mai
       dieses Jahres gewann er seinen ersten Profiboxkampf in Nürnberg gegen den
       sieben Jahren älteren Constantin Albrecht. Gerade ist er in der
       Vorbereitung für seinen nächsten Profikampf. Und das heißt, bis zu zehnmal
       die Woche Boxen, Sparring, Laufen und Krafttraining. Vor und nach der
       Schule, am Wochenende auch.
       
       Los geht die heutige Trainingseinheit mit Seilspringen und Reflexball im
       Wechsel. Arminius lässt einen mit einem elastischen Gummiband am Kopf
       befestigten kleinen Softball mit schnellen Fäusten umher tanzen.
       Leichtfüßig, schnell und ausdauernd wärmt sich der drahtige schwarzhaarige
       Junge mit den großen dunklen Augen auf. Er ist zurückhaltend, aber nicht
       ängstlich. Robert Rolle, dessen [2][Mutter Eva Rolle] die erste deutsche
       Box-Promoterin und seine Managerin war, beobachtet seinen Sohn – mit einem
       Auge als Vater, mit dem anderen als Trainer.
       
       Keine einfache Doppelrolle. Ob er sich Gedanken um die Gesundheit seines
       Sohnes mache? „Klar, manchmal beobachte ich das schon mit Sorge – vor allem
       das Sparring“, sagt er. „Da muss man sich nichts vormachen, [3][fürʼs
       Gehirn ist das nicht gut.“] Der Vater erklärt: „Eigentlich müsste man
       sagen, okay, bis 18 Jahre macht er kein hartes Sparring und keine Kämpfe.“
       Aber, so stellt nun wieder der Trainer Rolle fest: „Ohne Sparring gewinnt
       man keine Kämpfe.“
       
       Hundert Prozent Vertrauen 
       
       Die Lösung für das Dilemma wurde die väterliche Kontrolle und Aufsicht.
       „Arbeiten, arbeiten, dran bleiben“, ermahnt er seinen Schützling. Dieser
       vertraut ihm blind, wie er selbst sagt. „Mein Vater hat da den Überblick
       über alles.“ Den Überblick vor allem über ein Business, in dem man keinem
       hundert Prozent vertrauen könne, warnt Robert. Er selbst habe viele,
       teilweise bis zu zehn Trainer gehabt. Das sei besser so, da man nicht von
       einer Person abhängig sei. Bei Familie sei das aber etwas anderes.
       
       Jetzt bandagiert der Vater dem Sohn die Hände und hilft ihm in die
       Boxhandschuhe. Padtraining ist angesagt. Der Vater hält und führt. Der Sohn
       reagiert mit klaren Geraden und Haken. Er weicht aus, duckt sich und taucht
       auf. „Bleib mehr in Bewegung“, wird er ermahnt und motiviert: „Gleich haben
       wir es geschafft.“
       
       Das Team Rolle macht weiter. Geschwindigkeit und Intensität steigern und
       verlangsamen sie wechselseitig gemeinsam. Kein Genörgel und Geschrei.
       Vielleicht hätte man beim Training eines jugendlichen Profiboxers mehr
       Bootcamp erwartet wie man das von Filmen kennt.
       
       Nach einer Stunde Training erklärt Arminius, er habe Schulterschmerzen. Sie
       pausieren. Arminius bewegt die Schulter. Ja, das Sparring am Sonntag sei
       streckenweise etwas hart gewesen. Seit dem enormen Medienecho von
       „Deutschlands jüngstem Profiboxer“ wollten sich viele Sparringspartner –
       darunter erwachsene Männer – am 15-jährigen Talent messen. Und sie hauen
       ordentlich zu. „Unglaublich“, findet Robert Rolle und kritisiert: „Denen
       geht es um ihr Ego.“ „Ja, das Sparring war etwas hart“, stimmt sein Sohn
       zu. „Danach hast du auch ständig nachgefragt: ‚Geht’s dir gut? Alles
       okay?‘“, lacht Arminius. Er macht jetzt alternative Übungen, schlägt selbst
       welche vor. Sie bestimmen gemeinsam.
       
       Vorfreude auf jedes Interview 
       
       Auch bei der Frage, ob Profi- oder Amateurkarriere. „Welche Sau würde es
       interessieren, wenn Arminius nach vielen Jahren eine Berliner oder Deutsche
       Meisterschaft macht. Hätten wir dann die Presse? Nein, da wäre er nur einer
       von vielen.“ In der Tat, bevor die Profilizenz genehmigt wurde, mussten die
       Rolles noch den Medien hinterherlaufen. Jetzt ist es umgekehrt. Für
       Arminius Rolle ein „schönes motivierendes Gefühl“. Er freue sich auf jedes
       Interview.
       
       Aber auch aus einem anderen Grund hat das Vater-Sohn-Team den Profiweg
       eingeschlagen. Der ruhige und taktische Stil des Newcomers hätte nicht in
       die Kultur des Amateurboxens gepasst. Dort werde oft unkontrolliert und
       unsauber draufgeschlagen, es gebe zu wenig professionelle Betreuung.
       Tatsächlich wirkt Arminiusʼ Stil ästhetisch und diszipliniert – der Junge
       fast nerdig.
       
       Im Übrigen, geben beide zu bedenken, sei der Amateurboxsport in dem Alter
       nicht weniger schädlich. Die Jugendlichen reagierten in dreimal zwei
       Minuten unablässig aufeinander, um das Maximale rauszuholen. Zudem dürfe
       eine unbegrenzte Anzahl an Kämpfen absolviert werden. In Profiboxkämpfen
       hingegen baue sich der Wettkampf über die dreifache Zeit langsamer auf und
       es gebe eine Höchstkampfanzahl pro Jahr.
       
       Taktisches Gefühl 
       
       Im Jahr 2023 und 2024 war Arminius Rolle noch Junioren-Weltmeister [4][im
       Schachboxen.] Sein strategisches und taktisches Gefühl hat er ins
       Profiboxen mitgenommen. Während Arminius erzählt, holt sein Vater neue
       Getränke. Ein Kontrollfreak ist er nicht. Der 15-jährige Gymnasiast
       erzählt, „wie jeder Junge“ spiele er in der geringen Freizeit gerne das
       Computerspiel Call of Duty. Wegen des hohen Tempos.
       
       Sein Vater ist nicht autoritär und dennoch leistungsbezogen. Von der
       Urkundenreform der Bundesjugendspiele hält Trainer Rolle nichts, erzählt er
       nach der Trainingseinheit. Das Leistungsprinzip werde immer mehr
       abgeschafft, jeder werde gleich und somit auch unrecht behandelt. Leistung
       sollte schon einen Wert haben.
       
       „Unsere ganze Familie ist emotional und leidenschaftlich“, sagt Robert
       Rolle. „Mach einfach irgendwas, Hauptsache mit Passion“, lautet die
       Prämisse. Beim Leistungssport gehe sowieso nichts mit Zwang. Seine Mutter
       Eva Rolle habe ihn damals auch zu nichts gezwungen: „Sie hat das so
       gemacht, wie ich das wollte.“
       
       10 Dec 2025
       
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