# taz.de -- Australien: Weltweit erstes Social-Media-Verbot für Jugendliche
       
       > Tiktok, Instagram und Co sind in Australien ab Mittwoch für alle unter 16
       > Jahren tabu. Bestimmte Gruppen trifft das besonders hart.
       
 (IMG) Bild: Zwei Teenager in Sydney: Jetzt nur noch SMS?
       
       Ein schönes Haus am Waldrand, im Dorf Wingello zwei Stunden südlich von
       Sydney. Das Heim ist liebevoll für die Weihnachtszeit dekoriert. Ruby
       Hooper sitzt am Küchentisch. Sie liest an ihrem Handy Nachrichten in
       Snapchat. Die App nutze sie vor allem, um sich mit ihren Freundinnen zu
       unterhalten und Treffen zu organisieren, sagt die 14-Jährige.
       
       Doch damit ist jetzt Schluss. Ob Snapchat, Facebook, Tiktok, X (früher
       Twitter), Youtube, Instagram, Kick, Twitch oder Threads: Von Mittwoch an
       werden [1][auf dem Kontinent rund 2,3 Millionen Kinder und Jugendliche
       ihren Zugang zu sozialen Medien verlieren].
       
       Für Ruby Hooper ist klar: „Die Folgen sind schwerwiegend, denn so ziemlich
       alle Kinder in Australien nutzen soziale Medien. Wir werden künftig wohl
       über das Telefon oder Kurznachrichtendienste kommunizieren müssen“.
       
       ## Plötzlich weg
       
       Niemand in ihrem Bekanntenkreis sei mit den neuen Vorschriften
       einverstanden, glaubt Ruby. „Wir konnten soziale Medien jahrelang benutzen.
       Und jetzt werden sie uns plötzlich weggenommen“.
       
       Ruby Hooper spricht für die digitale Generation: aufgewachsen mit dem Handy
       und bis ins Detail vertraut mit dem Internet. Eine Generation aber auch,
       die – so der australische Premierminister Anthony Albanese – besonders
       gefährdet sei wegen der negativen Seiten des Konsums sozialer Medien:
       Mobbing, unerwünschte Kontaktaufnahme, sexuelle Erpressung etwa.
       
       Das führe bei Jugendlichen zu psychischen Problemen, wie ihm Eltern geklagt
       hätten. Albanese sah dringend Handlungsbedarf. Die konservative Opposition
       stimmte zu.
       
       [2][Ein neues Gesetz] verpflichtet Anbieter sozialer Medien nun, unter 16
       Jahre alten Jugendlichen den Zugang zu ihren Diensten zu sperren.
       Unternehmen wie Meta dürfen zwar selbst entscheiden, wie sie das Alter der
       Nutzerinnen und Nutzer prüfen. Ein Pass allein aber genügt nicht. So wurden
       in den letzten Monaten verschiedenste technologische Alternativen
       evaluiert, etwa biometrische Messungen und die Verwendung künstlicher
       Intelligenz.
       
       Einige funktionierten, andere überhaupt nicht. So hielt die KI in Tests die
       Gesichter von 13-Jährigen für die von Erwachsenen. Kritiker:innen
       sprechen von einem unausgereiften Plan.
       
       ## Wissenschaftliche Zweifel
       
       Doch die technischen Hürden auf dem Weg zur Einführung der Gesetze sind
       nicht der einzige Grund für Skepsis. Laut der Medien-Expertin Catherine
       Page Jeffery von der Universität Sydney sind soziale Medien und andere
       Onlineforen für junge Leute zwar mit Risiken verbunden. „Der komplette
       Ausschluss Jugendlicher ist aber eine plumpe Reaktion auf ein komplexes
       Problem, das weit über soziale Medien-Plattformen hinausgeht“, meint sie.
       
       Die Akademikerin stellt infrage, ob das Argument von Albanese
       wissenschaftlich haltbar sei, wonach soziale Medien in vielen Fällen primär
       schädigend für die Psyche von Jugendlichen seien. Derartige Dienste
       brächten Nutzern große Vorteile – etwa bei der Kommunikation und Bildung.
       Page Jeffery steht zwar – wie praktisch alle Fachleute in Australien –
       hinter der Forderung der Politiker, soziale Medien sicherer zu machen.
       
       Die meisten Akademiker:innen aber verlangen, dass die Medienkonzerne
       dazu verpflichtet werden, ein sicheres Umfeld für Jugendliche zu schaffen.
       Laut der Wissenschaftlerin könnte das australische Modell der Isolation
       Jugendlicher auch auf internationaler Ebene zu Problemen führen: „Das
       zuständige Komitee der Vereinten Nationen sagt klar, dass Kinder Zugang zu
       digitalen Medien haben sollten, sicheren Zugang.“
       
       Unter Expert:innen unbestritten ist, dass gerade für junge Menschen in
       isolierten Landesgegenden oder aus Randgruppen besonders viel auf dem Spiel
       steht. [3][Soziale Medien seien für junge Homosexuelle und trans Menschen
       oftmals die einzige Möglichkeit] des Austauschs mit Gleichgesinnten in
       einem Land, das in weiten Teilen tief konservativ ist.
       
       ## Katastrophale Folgen
       
       Gerade in ländlichen Gebieten sind Homophobie und Transphobie weit
       verbreitet. Der Ausschluss von digitalen Foren könnte katastrophale Folgen
       haben für betroffene Jugendliche – bis hin zum Suizid.
       
       Ruby Hooper zeigt sich zunehmend empörter, je länger sie über die
       bevorstehende Schließung ihrer Sozialen-Medien-Konten nachdenkt. „Wenn ich
       als 14-Jährige schon einen Job haben darf, dann will ich gefälligst auch
       über soziale Medien mit meinen Freunden kommunizieren können“, fordert sie.
       Umfragen zeigen, dass viele Eltern das neue Gesetz unterstützen. Vielleicht
       unterschätzen Erwachsene die Mitglieder der digitalen Generation.
       
       Sie und ihre Freunde seien sich nicht nur der Gefahren im Internet bewusst,
       sagt Ruby. Sie wüssten auch damit umzugehen. „Wenn wir jemanden nicht
       wollen, oder die sich nicht benehmen, dann blockieren wir sie. Ganz
       einfach“, meint die Teenagerin. Ihre Mutter Bridget, die dem Gespräch
       beiwohnt, nickt. Obwohl sie ihrer Tochter vertraut, dass sie ihr mögliche
       Probleme mit den sozialen Medien meldet, hat sie mit Ruby die Abmachung,
       jederzeit deren Handy überprüfen zu dürfen.
       
       Einfach so hinnehmen will die Jugendliche das Verbot nicht. Wie Tausende
       andere Mitglieder der Generation plant Ruby, es zu umgehen. „Ich hatte vor,
       für die digitale Altersbestimmung das Gesicht meiner Mama oder meines Papas
       zu verwenden.“ Bei Instagram habe das jedoch nicht geklappt. „Da wurde ich
       schon als unter 16 Jahre alt identifiziert.“
       
       Selbst wenn Ruby der Trick gelungen wäre – Folgen hätte das für sie keine.
       Das Gesetz sagt, dass in solchen Fällen nicht die Jugendlichen oder ihre
       Eltern zur Verantwortung gezogen würden, sondern einzig die Betreiber der
       sozialen Medien.
       
       9 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Social-Media-Verbot/!6135206
 (DIR) [2] /Jugend-ohne-Social-Media/!6128575
 (DIR) [3] /Social-Media-Verbot-fuer-Jugendliche/!6048934
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Urs Wälterlin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Social Media
 (DIR) Australien
 (DIR) GNS
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Jugendschutz
 (DIR) Social Media
 (DIR) Australien
 (DIR) Transfeindlichkeit
 (DIR) Smartphone
 (DIR) Snapchat
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Social-Media-Verbot für Jugendliche: Australiens Experiment an Heranwachsenden
       
       Australien verbietet Minderjährigen den Zugang zu Social-Media-Plattformen.
       Die werden das Verbot umgehen – und sind so größeren Gefahren ausgesetzt.
       
 (DIR) Social-Media-Verbot in Australien: Politologe sieht Gefahr für politisches Wissen
       
       Das ab Mittwoch in Australien geltende Social-Media-Verbot soll junge
       Menschen schützen. Doch es könnte der Demokratie schaden, warnt Politologe
       Zareh Ghazarian.
       
 (DIR) Geschichte der Queerfeindlichkeit: Alter Hass im neuen Gewand
       
       Queer- und transfeindliche Rhetorik ist heute allgegenwärtig. Das ist nicht
       überraschend, denn auch früher flammte sie stets in Krisenzeiten auf.
       
 (DIR) Social-Media-Verbot für Kinder: Kopenhagen zeigt, wie’s geht
       
       Kinder und Jugendliche leiden eher unter einem schlechten Selbstbild. Um
       junge Menschen zu schützen, will Dänemark soziale Medien erst ab 15
       erlauben.
       
 (DIR) EU-Kommission gegen Apple, Google, Snap: Europa will die Jugend schützen
       
       Google und Apple sowie Snapchat und YouTube nehmen den Kinder- und
       Jugendschutz nicht ernst, kritisiert die EU - und wird nun aktiv.