# taz.de -- In Kiel heißt der Verlierer SPD: So gehen Niederlagen
       
       > Die SPD hatte in Kiel alles in der Hand. Sie hat sich mit Kandidat Ulf
       > Daude selbst abgeschossen und mit schäbigem Vorgehen gegen die Grünen
       > blamiert.
       
 (IMG) Bild: Ist doch nicht möglich: Kein Kreuzchen für Ulf Daude. Der SPD-Kandidat stand ja noch nicht mal auf dem Zettel!
       
       Der Verlierer der Kieler Oberbürgermeisterwahl ist weder die CDU [1][noch
       ihr Kandidat Gerrit Derkowski]. Verlierer ist die SPD. Und die ist so was
       von selbst schuld.
       
       Das muss man erst mal hinkriegen: In einer ewigen Hochburg wie Kiel nicht
       mal in die Stichwahl kommen! Und das, obwohl der amtierende OB Ulf Kämpfer
       ein Genosse ist, durchaus beliebt und aus eigenem Antrieb nicht mehr
       angetreten. Weil er sich zu Höherem berufen fühlt, nämlich in zwei Jahren
       gegen den noch viel beliebteren Daniel Günther (CDU) die Landtagswahl zu
       verlieren.
       
       Die SPD hatte in Kiel alles in der Hand: Sie hätte versuchen können,
       Kämpfer zu bequatschen, dass er noch eine Legislaturperiode dranhängt. Sie
       wusste rechtzeitig Bescheid, um einen Nachfolgekandidaten aufzubauen.
       
       Wenn ihr Personaltableau denn wirklich so dünn ist – was auch einiges über
       die SPD sagen würde–, hätte sie auch einen Kandidaten von außen suchen
       können. Es wäre sogar möglich gewesen, einen Parteilosen zu nominieren, wie
       es die CDU mit dem Politik-unerfahrenen Journalisten Derkowski getan hat.
       
       ## So blass wie nur möglich
       
       Aber nein. Die SPD stellt [2][mit Ulf Daude den blassestmöglichen
       Kandidaten auf]. Das Highlight in dessen Lebenslauf lautet: „Wechsel der
       Beamtenlaufbahn vom Schuldienst in den Allgemeinen Verwaltungsdienst“.
       
       Und dann wundert die SPD sich hinterher furchtbar, dass sie nicht gewonnen
       hat. Daude selbst sogar so sehr, dass er es nicht über sich bringt, eine
       Wahlempfehlung für den Grünen-Kandidaten Samet Yilmaz auszusprechen. Obwohl
       der immerhin die stärkste Ratsfraktion hinter sich hat, die mit der SPD
       seit langem vertrauensvoll verbunden ist.
       
       Oder muss man sagen: war? Denn im Wahlkampf war davon nichts zu spüren. Die
       SPD stimmte mit der CDU für die Vernichtung von Grünflächen. Als Yilmaz
       seine Position beim Verfassungsschutz verlor, entblödete sich die SPD
       nicht, im Zuge der aufkommenden Schmierenkampagne den angeblichen Vorfall –
       er hatte einen Anruf eines Graue-Wölfe-nahen Vereins an die Stadtverwaltung
       weitergeleitet – noch in den Innenausschuss zu zerren. Schäbig.
       
       So geht man mit Partnern nicht um. Viel schlimmer ist aber, dass die SPD
       damit auch ihre eigenen Inhalte verrät. Derkowski hatte populistisch
       Stimmung gegen die längst beschlossene Straßenbahn gemacht – [3][ein
       Herzensprojekt der SPD, nicht nur der Grünen (dem einst übrigens auch die
       CDU zugestimmt hatte)]. Die SPD hätte lieber ihr Scheitern in Kauf
       genommen, als den grünen Kandidaten in der Stichwahl zu unterstützen.
       
       Schlimmer noch: Der rechte Parteiflügel schob den 85-jährigen früheren OB
       Norbert Gansel vor. Der hatte sich seit Jahren nicht mehr öffentlich
       politisch geäußert. Nun sprach er in den Kieler Nachrichten eine Empfehlung
       für Derkowski aus. Die Begründung war kurios: „Wir brauchen jetzt einen
       Moderator mit Lebenserfahrung, der auch neue Ideen und Wege aufzeigen,
       repräsentieren und auch führen kann. Keinen Bürokraten.“
       
       Moderator, das ist Derkowski, allerdings nur im Fernsehen, bekannt aus der
       Tagesschau. Sein Manko, keine Verwaltungserfahrung zu haben, wendete Gansel
       dreist in einen Vorteil. Das ist dumpfer Populismus nach Trump-Art, einfach
       nur unwürdig. Aber niemand in der Partei fiel Gansel in den Arm.
       
       Die Antwort haben die Kieler Wähler:innen gegeben. Auch viele
       SPD-Wähler:innen übrigens. Sie haben den Grünen Yilmaz von Platz zwei zu
       einem komfortablen Sieg in der Stichwahl getragen.
       
       ## Vorsicht, Genossen!
       
       Einen Kandidaten übrigens, der das hingelegt hat, was man früher eine
       sozialdemokratische Bilderbuchkarriere genannt hätte: Hauptschule, Lehre,
       zweiter Bildungsweg, Studium, Promotion – und nun Oberbürgermeister.
       
       Die SPD muss nun wirklich aufpassen, dass sie die parteipolitischen
       Mätzchen bleibenlässt und zurück zu ihrem Profil, zur Sachpolitik findet.
       Sonst wird die Niederlage bei der Landtagswahl bitterer als sie müsste.
       
       8 Dec 2025
       
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