# taz.de -- Kiel wählt grünen Oberbürgermeister: Mit der Stadtbahn ins Rathaus
> Samet Yilmaz (Grüne) gewinnt in Kiel gegen den CDU-Kandidaten. Die SPD
> war in ihrer Hochburg nicht mal in die Stichwahl gekommen.
(IMG) Bild: Mit dem Versuch, rechts zu überholen, ist Gerrit Derkowski in Kiel gescheitert. Am Sonntag durfte er Samet Yilmaz gratulieren
In die Stichwahl ging er nur als Nummer zwei, im entscheidenden Wahlgang
aber siegte er deutlich: Samet Yilmaz wird der neue Oberbürgermeister der
Landeshauptstadt Kiel. Der 44-Jährige ist der erste Grüne auf diesem
Posten. In der Stichwahl überrundete er Gerrit Derkowski, der als
Parteiloser antrat, aber von CDU und FDP unterstützt wurde.
„Ich bin superglücklich und sehr dankbar für das Vertrauen der Kielerinnen
und Kieler“, sagte Yilmaz am Wahlabend. Nach Auszählung aller Wahlkreise
entfielen 54,1 Prozent der abgegebenen Stimmen auf den gebürtigen Kieler
mit türkischen Wurzeln, sein Gegenkandidat erhielt 45,9 Prozent. An der
Stichwahl hatten sich knapp 44 Prozent der 190.000 Stimmberechtigten
beteiligt, mehr als an früheren Stichwahlen, heißt es in einer Mitteilung
der Stadt.
Diese vergleichsweise gute Beteiligung könnte damit zu tun haben, dass
beide Kandidaten unterschiedliche Positionen zur geplanten Stadtbahn haben:
Derkowski hält das Projekt für zu teuer und hätte sich im Fall seines
Sieges für ein alternatives Konzept starkgemacht. Yilmaz will die Stadtbahn
so umsetzen, wie sie vor Jahren von der Ratsversammlung beschlossen wurde.
Hinter Yilmaz liegen anstrengende Monate, die von Vorwürfen gegen ihn
persönlich und Pannen in den eigenen Reihen begleitet waren. Dabei traten
die Grünen eigentlich mit besten Voraussetzungen und entsprechend
breitbeinig in den Wahlkampf ein. Schließlich sind sie seit der jüngsten
Kommunalwahl 2023 die stärkste Kraft in der Ratsversammlung.
Die SPD, die in Kiel eigentlich ein Dauerabo auf Wahlsiege hat, schwächelt.
Der bisherige sozialdemokratische Oberbürgermeister Ulf Kämpfer trat nach
zwölf Jahren an der Rathausspitze nicht mehr an, [1][er will seine Partei
in den nächsten Landtagswahlkampf führen]. Mit einem blassen Kandidaten kam
die SPD in ihrer alten Hochburg Kiel nicht einmal in die Stichwahl.
In der Ratsversammlung kooperieren Grüne und SPD. Doch nach dem ersten
Wahlgang konnte sich die SPD nicht zu einer Empfehlung für Yilmaz
durchringen. Der 85-jährige frühere SPD-Oberbürgermeister und langjährige
Bundestagsabgeordnete Norbert Gansel hatte gar zur Wahl des Quereinsteigers
Derkowski aufgerufen.
Zuvor hatte die SPD bei einer Debatte um den Erhalt eines Miniparks in
einer Nebenstraße mit der CDU gegen die Grünen gestimmt. Da sich die AfD
auf die Seite des Grünen-Antrags schlug, gab es bundesweite Aufregung:
„Grüne in Kiel wackeln an der Brandmauer“, [2][hieß es in der taz.]
Auch Yilmaz selbst, der als Politik- und Islamwissenschaftler beim
Landesverfassungsschutz tätig war, geriet im Herbst in die Schlagzeilen: Er
solle ein „Extremistenfest unterstützt“ haben, titelte der Spiegel.
Hintergrund war, dass Yilmaz in seiner Funktion als Kommunalpolitiker den
Anruf eines Mitglieds eines Vereins aus der [3][rechtsextremen und
türkisch-nationalistischen Ülkücü-Szene] erhielt.
Es ging um die Frage, ob wegen schlechten Wetters der Abbau eines – von
Stadt und Polizei genehmigten – Festes später erfolgen dürfte. Wegen des
Pfingstwochenendes hatten die Vereinsmitglieder in der Verwaltung niemanden
erreicht und baten Yilmaz um Vermittlung. Pikant daran ist, dass er in
seinem Hauptamt genau diese Gruppen überwachen soll. Der Verfassungsschutz
[4][startete eine Überprüfung und entband ihn von seinem Dienst,] im
Innenministerium ist Yilmaz weiter tätig.
## Der neue OB erbt einen Schuldenberg
Im April zieht er von seinem jetzigen Büro im Ministerium ins rund drei
Kilometer entfernte Rathaus. Dort erwarten ihn zahlreiche Probleme: Die
Stadt belastet ein Schuldenberg, im Jahr 2028 soll es wieder einen
ausgeglichenen Haushalt geben – dafür muss Yilmaz den Weg bereiten.
Gleichzeitig soll es hohe Investitionen geben: Viele Schulen müssen saniert
werden, zudem braucht es Ausbauten für die künftige Ganztagsbetreuung. Das
Projekt Stadtbahn wird ebenfalls viele Millionen kosten.
Yilmaz versprach am Wahlabend, den Dialog mit allen Seiten zu suchen: „Ich
bin als Oberbürgermeister für alle gewählt worden“, sagte er. „Die Menschen
erwarten, dass die Stadt funktioniert.“ Während die CDU die „grün-rote
Rathauskooperation am Ende“ sieht, sendet die SPD versöhnliche Signale:
„Wir stehen bereit, um weiterhin gemeinsam Kiel sozial, gerecht und
zukunftsfähig voranzubringen.“
8 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Esther Geisslinger
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