# taz.de -- Syrer gegen Syrer in Deutschland: Der lange Arm der Islamisten
> Minderheiten wie Drusen und Alawiten sind nicht nur in ihrer Heimat
> Syrien akut gefährdet. Auch in Deutschland werden sie von Landsleuten
> bedroht.
(IMG) Bild: Israelische Drusen aus Majdal Shams am 16. Juli 2025 an der Grenze, um Verwandten in nahe gelegenen syrischen Dörfern zu helfen
Die Freude vieler Syrer über den Sturz des Diktators Assad währte nur kurz.
Als Gefangener, der zwei Jahre in Assads Gefängnissen verbracht hatte,
erschien mir diese Befreiung wie ein unglaublicher Traum. Aber leider
verwandelte sich alles in einen Albtraum. Bereits wenige Monate nach der
Machtübernahme durch die Islamisten griffen ihre staatliche Truppen,
zusammen mit radikalislamischen Milizen, Küstenstädte an. [1][Orte, an
denen vor allem Alawiten leben] – eine syrische Minderheit, der auch
Ex-Diktator Assad angehört. Zurückblieben mehr als 1.500 Tote.
Die verhaltene Verurteilung dieses Massakers durch die internationale
Gemeinschaft ermutigte die islamistische Regierung offenbar, ihren
aggressiven Kurs gegenüber weiteren Minderheiten fortzusetzen. Im Juli
marschierten ihre Kräfte [2][in die überwiegend von Drusen bewohnte Stadt
Suweida] ein. Es war eine Neuauflage des Küstenszenarios – jedoch noch
brutaler und blutiger, da die Drusen Widerstand leisteten.
Mehr als 2.000 Zivilisten, überwiegend Frauen und Kinder, wurden getötet.
Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte brannten die
Islamisten über 33 Dörfer nieder und vertrieben ihre Bewohner vollständig.
Die Folgen dieser Bluttaten beschränken sich nicht auf Syrien. Denn viele
Mitglieder der großen, syrisch-sunnitischen Exilgemeinschaft in Deutschland
sind uneingeschränkte Unterstützer des neuen sunnitischen Machthabers
[3][Ahmed al-Scharaa], einem ehemals gesuchten islamistischen Terroristen.
Das lässt sich mühelos in den sozialen Medien beobachten.
## Übergriffe auf Drusen
Das feindselige Klima, dem Drusen und Alawiten in Syrien ausgesetzt sind,
überträgt sich so auf ihre Angehörigen in Deutschland. In Berlin zeigte
sich dies unmittelbar nach dem Massaker von Suweida. Ende Juli trafen sich
bei einer Kundgebung nahe dem Roten Rathaus hunderte Unterstützer des neuen
syrischen Regimes, feierten die Gewalt gegen Drusen in Syrien und forderten
zu Mord und Vergewaltigungen an ihnen auf. Zwar nahm die Polizei einige
Demonstrierende fest, doch in den folgenden Monaten häuften sich Übergriffe
auf Drusen in verschiedenen Teilen der Stadt.
Ich selbst habe letzten Sommer erlebt, wie junge Männer in der Berliner
U-Bahn fröhlich davon sangen, Drusen in Syrien zu töten, und dabei mit ihre
Händen symbolisch Scheren formten. Schnurrbärte sind ein zentrales Symbol
der Würde in der drusischen Kultur. [4][Die Schere] ist ein Hinweis auf die
Absicht, Drusen mit dem Abschneiden ihrer Schnurrbärte demütigen zu wollen.
Ich bin selbst syrischer Druse und spürte beim Anblick dieser Szene den
tiefen Konflikt zwischen meiner Identität und meinem Glauben, und ich
empfand tiefe Enttäuschung und Schmerz. Zum ersten Mal ging die Bedrohung
für vertriebene Syrer in Deutschland nicht von Rechtsextremisten oder
Fremdenfeinden aus, sondern von Menschen aus meinem eigenen Heimatland. Um
Provokationen oder Bedrohungen zu vermeiden, zog ich mich zurück.
Viele Drusen berichten online von einer spürbaren Verschlechterung des
gesellschaftlichen Klimas in Berlin. Einige haben mir auch persönlich davon
erzählt. Die Beziehungen zu sunnitischen Landsleuten seien seit den
Verbrechen von Suweida angespannt. Zahlreiche sunnitische Familien haben
den Kontakt zu drusischen Familien abgebrochen – eine Folge gezielter
medialer Hetzkampagnen der neuen islamistischen Regierung, die von ihren
Anhängern bereitwillig übernommen werden.
Eine Freundin von mir wurde gebeten, einen syrischen Laden in Berlin zu
verlassen, nur weil sie Drusin ist: Sie erzählte mir, ein Angestellter in
einem Lebensmittelgeschäfts in der Altstadt von Spandau habe sie
aufgefordert, den Laden zu verlassen, nachdem er ihren drusischen Akzent
erkannt habe.
Leila konnte an diesem Tag nichts einkaufen. Besonders schmerzlich sei für
sie jedoch der Blick der anderen Kunden gewesen – überwiegend sunnitische
Syrer –, die schwiegen und damit ihre Zustimmung signalisierten. Zwar
erstattete sie Anzeige bei der Polizei, rechnet jedoch nicht mit wirksamen
Konsequenzen für den Täter. Zahlreiche drusische Familien meiden
mittlerweile die Geschäfte von Anhängern des neuen syrischen Machthabers.
Aus Angst vor Anfeindungen.
Mehrere Betroffene berichten, sie seien dort offen als „Verräter“
beschimpft worden – weil das Massaker an den Drusen in Syrien auch durch
das entschlossene [5][Eingreifen von Israel] gestoppt wurde. Ich habe seit
Beginn der Angriffe auf Suweida aufgrund dieser Anschuldigungen etliche
syrische Freunde verloren. Viele meiner Bekannten benutzen keine sozialen
Medien mehr. Sie wollen nicht länger hinnehmen, von der sunnitischen
Mehrheit als Verräter bezeichnet zu werden, nur weil sie Drusen sind.
Selbst bei Demonstrationen drusischer Aktivisten in Berlin gegen die
Verbrechen in Syrien blieben die Teilnehmer nicht von verbalen Angriffen
und Beleidigungen durch vorbeigehende syrische Passanten verschont – trotz
sichtbarer Präsenz der deutschen Polizei. Zahlreiche in Europa –
insbesondere in Deutschland – lebende Influencer verbreiten nach wie vor
Hetze gegen Drusen und andere Minderheiten über die sozialen Medien. Ihre
Plattformen sind zu regelrechten Sprachrohren der Aufwiegelung geworden und
tragen maßgeblich zu einem Klima der Angst und Unsicherheit unter syrischen
Minderheiten in Deutschland bei.
21 Dec 2025
## LINKS
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## AUTOREN
(DIR) Yahya Alaous
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