# taz.de -- Angriff auf lesbisches Paar: Geschlagen und getreten nach einem Kuss
       
       > Ein Angriff auf zwei junge Lesben trifft in Bremen eine verunsicherte
       > queere Community. Beratungen zu LGBTIQ-feindlichen Vorfällen nehmen
       > rasant zu.
       
 (IMG) Bild: Einmal mehr Tatort queerfeindlicher Gewalt: die Bremer Straßenbahn am Hauptbahnhof
       
       In Bremen sind zwei lesbische Frauen Opfer einer queerfeindlichen Attacke
       geworden. Die beiden jungen Frauen, 18 und 19 Jahre alt, waren am späten
       Freitagabend in der Straßenbahn kurz vorm Bremer Hauptbahnhof geschlagen
       und getreten worden. Als sie sich küssten, so beschreibt es die
       Polizeimeldung von Samstagmittag, kam ein Mann an, der sie queerfeindlich
       beleidigte. Es kam zu einem Wortgefecht, dann schlug der Mann beiden Frauen
       mit der Faust ins Gesicht.
       
       Der mutmaßliche Täter wurde direkt vor Ort gefasst. Offenbar waren es
       Einsatzkräfte der Taskforce Hauptbahnhof, einer Einheit von Polizei,
       Bundespolizei und Ordnungsamt, die den Vorfall beobachtet hatten. Sie
       stoppten die Straßenbahn und nahmen den Tatverdächtigen fest. Der
       25-Jährige wird aktuell als psychisch krank eingeschätzt: Er sitzt nicht in
       normaler U-Haft, sondern wurde nach gerichtlicher Anordnung am Sonntag im
       psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.
       
       Die Polizei hatte die Tat gleich als Hassverbrechen eingestuft. In der
       Pressemitteilung von Samstagmittag ist sie bereits als solche
       klassifiziert. Das macht nicht nur für die Statistik einen Unterschied,
       sondern auch für die Ermittlungen: Zuständig ist dann der Staatsschutz, der
       bei der Kriminalpolizei angesiedelt ist.
       
       Der Fall sticht durch seine Brutalität heraus: Nachdem die 18-Jährige durch
       den Schlag ins Gesicht bewusstlos zu Boden gefallen sei, habe der Täter ihr
       noch in den Bauch getreten, heißt es von der Polizei. Beide Opfer mussten
       zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden. Auch die Wahl
       der Opfer fällt aus vielen Mustern: In fast allen anderen Berichten über
       öffentliche gewaltsame Übergriffe der letzten drei Jahre sind die Opfer
       männlich und/oder trans.
       
       ## Zahl der queerfeindlichen Straftaten wächst
       
       Beim LSVD+, dem „Verband für queere Vielfalt“, kann man sich durch eine
       [1][bundesweite Chronologie mit solchen Vorfällen] scrollen. Die jüngste
       Auswahl aus Bremen: Im Oktober wurde ein schwules Paar am Bahnhofsplatz mit
       dem Tod bedroht; im September ein schwuler Mann in der Innenstadt beleidigt
       und an den Kopf geschlagen; im August wurden CSD-Teilnehmende mit einem
       Messer bedroht; und im Juli wurde eine junge trans Frau [2][an einer
       Haltestelle verprügelt]. Der Fall wurde öffentlich größer diskutiert. 26
       queerfeindliche Straftaten zählt die Bremer Kriminalstatistik für 2024,
       2023 waren es 21.
       
       Bundesweit ist die Zahl der Anzeigen seit 2014 etwa um das Zehnfache
       gestiegen, von 184 auf 1.785 im Jahr 2023. Das ist zum einen sogar einer
       positiven Entwicklung geschuldet: einer verstärkten Anzeigebereitschaft.
       Bei der Bremer Polizei gibt es seit 2015 die Stelle eines
       Queerbeauftragten. In diesem Jahr neu dazugekommen ist eine queersensible
       Anzeigenaufnahme: Alle zwei Wochen gibt es dafür einen speziellen Termin in
       besonders geschützten Räumen. Das Angebot werde gut angenommen, heißt es
       bei der Polizei.
       
       Dass die Fälle nicht nur angezeigt, sondern auch gezählt werden können, ist
       ebenfalls Verdienst einer neuen Sensibilität. Wie sonst nur in Berlin
       werden queerfeindliche Taten auch statistisch gesondert erfasst. In Bremen
       müssen Studierende und Führungskräfte verpflichtende Schulungen zum Umgang
       mit Hasskriminalität absolvieren. Auch Dienstgruppen erhalten ergänzende
       Fortbildungen.
       
       Doch auch unterhalb der eher hohen Schwelle einer Anzeige bemerken
       Beobachter einen Wandel – so etwa im queeren Beratungszentrum Rat und Tat
       im Bremer Viertel. „Die Zahl der Beratungen zu queerfeindlichen Vorfällen
       ist deutlich gestiegen“, sagt Rainer Neumann aus dem Vorstand des Vereins.
       
       „Deutlich“ ist dabei eine ziemliche Untertreibung: So habe es im ganzen
       Jahr 2023 45 Beratungen zu Beleidigungen, Bedrohungen und Gewalterfahrungen
       gegeben. 2025 waren es allein im ersten Quartal ganze 70. Linear
       hochgerechnet auf ein Jahr könnte das eine Zunahme um das Sechsfache
       bedeuten – innerhalb von nur zwei Jahren.
       
       Ob die tatsächliche Bedrohungslage dafür verantwortlich ist und inwiefern
       das erhöhte Aufkommen eher ein Zeichen dafür ist, dass Menschen mit ihren
       Problemen mehr Hilfe suchen, ist aber auch für die Beratungsstelle schwer
       zu bestimmen. Neumann vermutet eine Mischung: Eine gestiegene Sensibilität
       für das Thema einerseits, eine gestiegene Bedrohungslage andererseits.
       
       „Es gab auf jeden Fall Zeiten, wo man entspannter als schwules Pärchen
       durchs Viertel laufen konnte“, sagt er. „Man sieht auch kaum noch Menschen,
       die sich das trauen.“ Queeres Leben, so sein Empfinden, sei weniger
       sichtbar als noch vor wenigen Jahren. „Allein das ist schon ein Problem“,
       so Neumann, denn weniger Sichtbarkeit bedeute das Gegenteil von
       Normalisierung. Fälle wie der des jungen Pärchens seien auch in der
       Community Gesprächsthema. „Das ist heftig und berührt.“
       
       8 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.lsvd.de/de/ct/3958-Alltag-Queerfeindliche-Gewaltvorfaelle-in-Deutschland
 (DIR) [2] /!6094790/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lotta Drügemöller
       
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