# taz.de -- Chaos um die kaputte A100: Laster sollen zurück auf die Autobahn
       
       > Charlottenburger Kieze leiden unter den Lkws, die nicht über die marode
       > A100 fahren dürfen. Eine Bürgerinitiative hat jetzt eine innovative Idee.
       
 (IMG) Bild: Hier sollte eine Brücke stehen: Die abgerissene Westendbrücke soll bis 2027 ersetzt werden
       
       Kai Wegner scheint wirklich daran zu glauben, dass es Berlin unter seiner
       Ägide gelingt, das Image als Hauptstadt der Verzögerung abzustreifen: „Der
       Baustart für die Westendbrücke und die vorgesehene kurze Bauzeit zeigen:
       Wir meinen es ernst mit dem neuen Berliner Tempo“, verkündete der
       Regierende Bürgermeister am Freitag anlässlich des feierlichen ersten
       Spatenstichs an der A100 in Charlottenburg. Der [1][Ersatz für die im
       Frühjahr zusammen mit der maroden Ringbahnbrücke abgerissene Westendbrücke]
       – die ebenfalls die Ringbahn überquert – soll schon im Sommer 2027 fertig
       und das Verkehrschaos oberhalb des Dreiecks Funkturm Geschichte sein.
       
       Sollte es wirklich funktionieren, wäre das für hiesige Verhältnisse
       tatsächlich knapp unter Lichtgeschwindigkeit. Andere
       Verkehrsinfrastrukturprojekte überschreiten regelmäßig die vorgesehenen
       Zeitrahmen. Aktuell warten ÖPNV-KundInnen im Nordwesten der Stadt schon
       seit drei Jahren auf die Wiederinbetriebnahme der U6, ein viertes ist
       bereits eingepreist. Aber die NutzerInnen der Autobahn haben zwei Vorteile:
       Erstens steht ihr Fortbewegungsmittel aktuell wieder hoch im Kurs, zweitens
       baut und zahlt hier der Bund. 130 Millionen lässt er sich die beiden neuen
       Brücken kosten.
       
       Auch Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) glaubt, dass es bei der
       Wiederherstellung der A100 jetzt „Schlag auf Schlag“ geht. Den
       AnwohnerInnen des Kiezes rund um die Charlottenburger
       Königin-Elisabeth-Straße ist allerdings auch das nicht schnell genug: Seit
       im Frühjahr schnell wachsende Risse in der Ringbahnbrücke deren sofortige
       Sperrung notwendig machten, kommen die Menschen nicht zur Ruhe. Zwar können
       Pkw-FahrerInnen, die auf der A100 nach Norden wollen, seit April eine Spur
       der hier getrennt geführten Gegenfahrbahn nutzen. Der Schwerlastverkehr
       aber wird abgeleitet, um erst über den Messedamm und anschließend durch das
       Wohnviertel zu donnern.
       
       Die GmbH selbst nennt als Grund für die Umleitung Probleme mit der Statik
       einer weiteren Autobahnbrücke. Die liegt kurz hinter der Abfahrt
       Halenseestraße, die die Laster aktuell nutzen müssen. Würde sie in beiden
       Richtungen von schweren Lastwagen befahren, wäre sie dem offenbar nicht
       gewachsen.
       
       Für [2][den Verkehr von der Avus] nach Norden gilt sogar: Ausnahmslos alle
       Fahrzeuge müssen abfahren und sich durch die Stadtstraßen zwängen, bis sie
       sich am Spandauer Damm wieder auf die A100 einfädeln können. Zwar
       informiert die Autobahn-GmbH mit Anzeigen auf dem Berliner Ring über das
       Nadelöhr in Charlottenburg und fordert den Lastverkehr auf, die Stadt
       lieber komplett zu umfahren. Viel scheint das nicht zu nutzen. Auf Anfrage
       der Linksfraktion räumt die Verkehrsverwaltung ein, dass täglich zwischen 6
       und 19 Uhr über 1.500 Lkws die Königin-Elisabeth-Straße passieren – und
       auch danach geht es weiter, auch in der Nacht.
       
       ## Doch nicht so viel verpufft
       
       Das bringt nicht nur die Anwohnenden um die Ruhe und den Schlaf, es
       gefährdet mutmaßlich auch Infrastruktur wie Fernwärmeleitungen und den
       Tunnel der U2 unter dem Kaiserdamm, die für eine solche Dauerbelastung gar
       nicht ausgelegt sind. Der grüne Fraktionschef und Spitzenkandidat Werner
       Graf findet: „Hier zeigt sich beispielhaft, wie die CDU mit ihrer Politik
       buchstäblich Berlin kaputt macht.“
       
       [3][Die berühmte „Verkehrsverpuffung“, von der ein paar Wochen nach der
       Sperrung der Ringbahnbrücke viele sprachen,] scheint jedenfalls in großen
       Teilen Wunschdenken zu sein: „Verglichen mit der Zeit direkt nach der
       Sperrung sind es mittlerweile vielleicht 20 oder 30 Prozent weniger, aber
       wir bewegen uns trotzdem weiterhin auf einem sehr hohen Level“, sagt Uli
       Oer von der Bürgerinitiative (BI) Königin-Elisabeth-Straße.
       
       Die Grünen-Fraktion hat einen Antrag eingereicht, mit dem das
       Abgeordnetenhaus den Senat nun zum Handeln auffordern soll: Er beinhaltet
       die Sperrung der Königin-Elisabeth-Straße für den Schwerlastverkehr und die
       Entwicklung eines Konzepts zusammen mit der Autobahn GmbH und dem Land
       Brandenburg, das die meisten schweren Lkw wirksam um Berlin herumführt. Als
       Sofortmaßnahme fordern die Grünen ein lokales Nachtfahrverbot für Lkws und
       die Aufstellung von Blitzern sowie Schadstoff-, Lärm- und
       Erschütterungsmessstellen. Im Plenum am vergangenen Donnerstag wurde der
       Antrag erst einmal vertagt.
       
       ## Initiative mit eigener Lösung
       
       Nun hat die BI selbst einen überraschend einfachen Vorschlag gemacht, um
       das Problem zu beheben: Die Autobahn GmbH soll den Lkw-Verkehr auf Höhe des
       ICC einfach über eine Behelfsauffahrt zurück auf die noch funktionierende
       Hälfte der A100 leiten.
       
       Die Bürgerinitiative und andere VerkehrsaktivistInnen habe sich nun zur
       Aufgabe gemacht, die Autobahn GmbH und die ausführende Projektgesellschaft
       Deges von dieser Idee zu überzeugen – bislang mit wenig Erfolg.
       
       Die Deges argumentiert, dass man eine Behelfsauffahrt nicht dort einrichten
       könne, wo gleichzeitig die neue Ringbahnbrücke gebaut wird. Auch sei zu
       wenig Platz für die benötigten Kurvenradien. Der Ingenieur Hennig Voget,
       der im ADFC-Landesvorstand sitzt und der benachbarten Bürgerinitiative
       Klausenerplatz angehört, hält das für nicht stichhaltig. Er hat alles mit
       den ihm zugänglichen Informationen überschlagen und kommt zu dem Schluss:
       „Es ist eine Herausforderung – aber ein K.-o. ist noch nicht zu erkennen.“
       
       Die Baustelle müsse flexibel organisiert werden, temporär könne der
       Schwerlastverkehr auch für einige Tage oder Wochen über die aktuelle
       Umleitung geführt werden. Zusatznutzen: Würde sich der Zustand der statisch
       herausgeforderten Brücke verschlechtern, wäre mit der Behelfsauffahrt schon
       eine Alternative vorhanden.
       
       Während die BI am Freitag in Sichtweite des Spatenstichs demonstrierte,
       hatte Voget hatte die Gelegenheit, persönlich mit Mitarbeitern der DEGES zu
       sprechen. „Ich habe ihnen gesagt, dass wir schon im Vorwahlkampf sind und
       da noch einiges an politischem Druck kommen wird“, sagt er. „Und dass sie
       nicht darüber nachdenken sollen, warum es nicht geht, sondern darüber, wie
       es gehen kann.“
       
       7 Dec 2025
       
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