# taz.de -- Werkschließung bei Jungheinrich: Nachhaltig abgebaut
> Die Jungheinrich AG bekommt den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“
> verliehen. Dagegen protestieren jene, die dort gerade ihre Arbeitsplätze
> verlieren.
(IMG) Bild: Flott unterwegs: Ein Gabelstapler fährt durch die Fabrikhalle in Norderstedt
Seit drei Wochen stehen sie vor den Werkstoren von Jungheinrich in
Lüneburg. Mit dem unbefristeten Streik wollen die Mitarbeiter ihren
Arbeitgeber noch einmal an den Verhandlungstisch zwingen. Der hatte im
Sommer angekündigt, das Werk schließen zu wollen. Doch noch immer hoffen
hier rund 300 Leute, dass es irgendwie doch eine Zukunft für sie gibt.
Insgesamt will das Unternehmen 1.000 Arbeitsplätze an verschiedenen
Standorten, überwiegend in Norddeutschland, abbauen. Jungheinrich
produziert Gabelstapler, Hubwagen und Lagersysteme. Das Werk in Lüneburg
trifft es durch die Komplettschließung besonders hart. 400
Industriearbeitsplätze fallen hier weg, 300 sollen gestrichen, 100 an
andere Standorte verlagert werden.
Das versetzt auch die lokale Politik in Aufruhr – Protest gab es aus dem
Rathaus und fast allen Fraktionen. Jungheinrich ist nicht der erste
Industriebetrieb, der hier den Rotstift ansetzt. Auch Panasonic und der
Autozulieferer Yanfeng haben Arbeitsplätze gestrichen, das Lüneburger
Eisenwerk musste Insolvenz anmelden.
An diesem Freitag wird sich nun eine Abordnung der Streikenden auf den Weg
nach Düsseldorf machen und vor dem Maritim-Hotel weiter demonstrieren. Dort
findet nämlich die glamouröse Gala des „Deutschen Nachhaltigkeitspreises“
statt. Unter den Ausgezeichneten: die Firma Jungheinrich.
## Der deutsche Nachhaltigkeitspreis ist umstritten
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ist eine große Nummer. Auch in diesem
Jahr versammelt die zweitägige Veranstaltung wieder viel Prominenz aus
Politik und Klimabewegung: die WTO-Generaldirektorin [1][Ngozi
Okonjo-Iweala], EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall, Bundestagspräsidentin
Julia Klöckner, Bundesministerin Karin Prien, den UNIDO-Generalsekretär
Gerd Müller, die Klimaforscher Johan Rockström und Mojib Latif, die
Bestsellerautorin Maja Göpel, den Publizisten Eckart von Hirschhausen und
die Klimaaktivisten Luisa Neubauer und Vanessa Nakate listet die Website
auf.
Verliehen werden allerdings auch eine kaum noch zu überschauende Anzahl an
Preisen in x Unterkategorien an Einzelpersonen, Städte, Unternehmen und
Initiativen. Der Preis war in den vergangenen Jahren deshalb auch öfter in
die Kritik geraten: Weil die Auswahl nicht immer transparent erschien, die
schiere Masse das angestrebte Lernen voneinander schwierig machte, die
[2][Verknüpfungen zwischen Politik, Veranstaltern], [3][Jury-Mitgliedern
und Ausgezeichneten undurchsichtig erschienen].
Am Ende müssen die Ausgezeichneten dann auch noch zahlen, um das DNP-Siegel
verwenden zu dürfen. Gleichzeitig hat der seit 2008 existierende Preis dem
Nischenthema [4][Nachhaltigkeit] unbestreitbar eine sehr große und sehr
prominente Bühne bereitet.
Die Firma Jungheinrich erhält die Auszeichnung laut Jurybegründung nun
unter anderem für ihren Einsatz für elektrische Antriebe und ihr
umfangreiches Wiederaufbereitungs- und Recyclingprogramm bei gebrauchten
Geräten.
Sie setzt auf [5][Klimaneutralität] entlang der gesamten
Wertschöpfungskette. Bis 2050 will man netto null Treibhausgasemissionen
erreichen, setzt dabei auf Kreislaufwirtschaft, erneuerbare Energien und
gesteigerte Energieeffizienz. Eine ähnliche Begründung war schon mit der
Preisverleihung 2022 verbunden.
## Nachhaltig unsozial findet das die IG Metall
Jungheinrich, als Familienunternehmen in Hamburg gestartet, ist längst ein
international agierendes Unternehmen und als solches nicht nur auf Spar-,
sondern auch auf Wachstumskurs. Aus dieser globalen Perspektive spielen
wohl ein paar Hundert Arbeitsplätze in Deutschland keine so große Rolle.
Und genau das hält die IG Metall, die den Protest unter dem Motto
„Nachhaltig unsozial“ organisiert, für eine schwer erträgliche Doppelmoral.
„Hier werden hoch qualifizierte Arbeitsplätze und das Wissen ganzer
Generationen vernichtet“, kritisiert Gewerkschaftssekretär Florian
Rebstock. „Nachhaltigkeit darf kein Marketingbegriff sein. Sie beginnt bei
den Menschen – nicht auf Preisverleihungen.“ Wer von Verantwortung rede,
müsse sie auch leben.
Das Werk in Lüneburg, sagt Rebstock, gehöre zu den innovativsten im
Konzernverbund und schreibe schwarze Zahlen. Hier arbeiten Ingenieurinnen,
Entwickler und Facharbeiterinnen Hand in Hand – Konstruktion und Fertigung
greifen ineinander, um Sonderbauten im industriellen Maßstab zu
realisieren.
Offensichtlich, so munkeln Branchenmagazine, ist dieses spezielle Segment
aber eben nicht mehr so gefragt. In Zeiten der Krise setzt man eher auf
Massenproduktion. Offenbar soll auch die Kooperation mit China ausgedehnt
werden. Außerdem, [6][heißt es unter anderem im Finance Magazin], müsse
sich Jungheinrich noch vom verlustreichen Verkauf der russischen
Tochterfirma erholen.
5 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Neue-WTO-Chefin-Okonjo-Iweala/!5752027
(DIR) [2] https://www.spiegel.de/wirtschaft/deutscher-nachhaltigkeitspreis-wie-serioes-ist-die-umstrittene-auszeichnung-a-009b3570-6e77-4ad4-8a3d-c921ba7bf575
(DIR) [3] /Preis-fuer-Leuphana-Uni/!5969547
(DIR) [4] /Kompensation-fuer-Umweltschaeden/!5878356
(DIR) [5] /UN-Klimakonferenz-in-Belem/!6123618
(DIR) [6] https://www.finance-magazin.de/deals/ma/jungheinrich-verkauft-sein-russlandgeschaeft-und-kassiert-gewinnprognose-222537/
## AUTOREN
(DIR) Nadine Conti
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