# taz.de -- Papstbesuch im Libanon: Das perfekte Image für Leo XIV.
> In Libanon wird das katholische Kirchenoberhaupt bejubelt. Doch es gibt
> auch Kritik: Denn in den kriegsgebeutelten Süden des Landes reist er
> nicht.
(IMG) Bild: Gläubige nehmen an einer von Papst Leo XIV. geleiteten Heiligen Messe am Hafen teil, Beirut am 2.12.2025
Zwei Militärflieger, Kanononesalven und jubelnde Massen begrüßen [1][Papst
Leo XIV]. bei seiner Landung in Beirut. Voller Freude hatten die Menschen
in Libanon den Papst erwartet, nicht nur die Christen im Land. Der Weg vom
Flughafen zum Präsidentenpalast führte durch den schiitisch geprägten Süden
der Hauptstadt. Dort versammelten sich viele Menschen am Sonntag, um dem
Oberhaupt der Katholiken zuzuwinken.
Die 16-jährige Nour Zein El-Din steht mit libanesischer Flagge am
Straßenrand. Die Schülerin ist gar nicht Christin, sondern Muslima. „Der
Papstbesuch ist natürlich wichtig“, sagt sie. „Wir sind ein Volk, vereint,
wir kennen keine Spaltung und heißen alle Religionen willkommen.“ Die
Politik nutze den Konfessionalismus, um die Gesellschaft zu trennen. „Aber
wir lassen uns nicht spalten.“ Der Papstbesuch werde „ganz sicher etwas
verändern – nicht nur symbolisch“.
Sie lebt in Bourj El Barajneh – dem Viertel, in dem Familien während des
Kriegs mit Israel im vergangenen Herbst zwangsvertrieben wurden. Unweit der
Straßenecke klafft ein Krater. Dort wurde [2][Ex-Hisbollah Chef Hassan
Nasrallah im September 2024 getötet.]
Die Hafenexplosion von 2020, die Wirtschaftskrise seit 2019, der Krieg mit
Israel seit 2023 – Libanon dürstet nach Stabilität und Frieden. Bürgerinnen
und Bürger aller Religionen hoffen, dass die Friedensbotschaft des Papsts
Wirklichkeit wird.
## Die israelischen Angriffe halten an
Am Märtyrerplatz, an dem im bis 1990 wütenden Bürgerkrieg die Frontlinie
verlief, wird das deutlich. Beim interreligiösen Treffen im Festzelt sitzen
16 religiöse Vertreter. Hinter ihnen auf der Leinwand: ein Olivenbaum.
Papst Leo XIV. preist den [3][Olivenbaum] als Symbol für „Langlebigkeit,
Widerstandsfähigkeit“ und „die Fähigkeit, selbst in den feindlichsten
Umgebungen zu gedeihen“.
Alle Vertreter preisen den Libanon als Land der Koexistenz. Nur zwei
adressierten den Elefanten im Zelt: Die israelischen Angriffe, die trotz
ausgerufener Waffenruhe weitergehen. 65.000 Menschen sind noch immer
vertrieben. Das Land sei durch die „israelische Aggression“ schwer
getroffen, sagte Scheich Ali al-Chatib, Vizepräsident des Obersten
Islamischen Schiitenrats. „Wir glauben an den Staat. Aber in dessen
Abwesenheit waren wir gezwungen, uns zu verteidigen“, so der Schiit.
Der Geistliche hatte den Papst zuvor explizit in den Südlibanon, den Süden
Beiruts und das Bekaatal eingeladen. Deren Bewohner*innen müssen
„[4][durch israelische Angriffe tägliches Leid] ertragen.“ Ein Besuch würde
dem Papst die Realität vermitteln, so al-Khatib.
„Ich bin enttäuscht, dass der Papst nicht in den Süden gekommen ist“, sagt
die 24-Jährige Mona Hashem. Sie sitzt auf einem Hartplastikstuhl in dem
Festzelt, trägt ein Kopftuch und filmt einen singenden Mädchenchor. Die
24-Jährige arbeitet für die muslimische Imam-Sadr-Organisation und hat
geholfen, die Sängerinnen nach Beirut zu begleiten. Hashem kommt aus dem
Dorf Qlailah, rund 20 Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt. Es war
Ziel israelischer Luftangriffe. Hashem musste mit ihrer Familie fliehen.
Mittlerweile lebt sie wieder in ihrem Haus. „Ich denke, er hätte kommen
sollen, um den echten Libanon zu sehen“, sagt sie.
## Gesucht: „Liebe und Frieden“
Yehya Abdel Khalek sitzt in der zweiten Reihe. Dass alle Oberhäupter der
Konfessionen den Papst treffen, sei entscheidend „um zu verdeutlichen, dass
die Libanesen ein Volk sind, das zusammenhält“, sagt er. Der Druse studiert
Islamisch-Christliche Beziehungen und betrachtet den Besuch als „wichtige
Gelegenheit, an diesem historischen Tag dabei zu sein“. Er hofft, der
Besuch führe zu „Liebe und Frieden.“ Außerdem hofft er darauf, dem Papst
die Hand zu schütteln.
Zum Ende des Besuches segnet der Papst die Menschen in Beirut bei einer
Messe unter freiem Himmel. Die 44-jährige Janet Dizon hat ein Schild
gebastelt: „Willkommen, Papst Leo, wir lieben dich.“ Seit 16 Jahren lebt
die Philippinerin in Libanon, [5][arbeitet als Haushaltshilfe]. Während des
Kriegs hat sie geholfen, für vertriebene Familien zu kochen.
Sie betet dafür, dass sie ihre zwei Kinder auf den Philippinen wiedersehen
kann. Sechs Jahre sei der letzte Besuch her. „Wenn ich rausfliege und
wieder ins Land komme, muss mein Arbeitgeber eine hohe Strafe zahlen“, sagt
sie. Bei einer Messe ergriff eine ausländische Arbeiterin das Mikro und
machte den Papst auf die widrigen Arbeitsbedingungen ausländischer
Arbeiter*innen aufmerksam – eine Disruption des perfekten Images.
## Eine Fassade, aufgebaut für den Papst
Saubere Bühnen, [6][frisch asphaltierte Straßen], ausgeleuchtete Kirchen
bei Nacht: Das Papamobil fährt durch die christlichen Berge zwischen grünen
Bäumen. Für ihn wird getanzt und gesungen. Doch ein beträchtlicher Teil des
Landes liegt hinter dieser für den Papst bereiteten Fassade.
[7][Zu den zerbombten Häusern] und herausgerissenen Olivenbäumen im Süden
fährt er nicht. Deshalb sind auch die Christen sauer, die in den Dörfern im
Süden wohnen. „Gesegnet seien die Friedensstifter“, ist das Motto des
Papstbesuchs. Mit seinem Abflug fragt sich: Wer segnet diejenigen, die den
Preis für den Krieg zahlen?
2 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Julia Neumann
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