# taz.de -- Paarbeziehungen in der Klimakrise: Das Private ist klimapolitisch
> Als langjähriger Klimajournalist fühlt sich unser Autor oft wie ein
> wandelnder Vorwurf an die Mitmenschen. Seltsam, freakig, kauzig. Woher
> kommt das?
(IMG) Bild: Viele Menschen konsumieren Fleisch, als gäbe es kein Morgen
Das ist mal eine interessante Frage, die der [1][Newsletter „Yale Climate
Connection“, kurz YCC, da stellt: Wie beeinflusst der Klimawandel unsere
persönlichen Beziehungen?] Keine Ahnung, wie das bei Ihnen ist, aber für
mich kann ich sagen: Er führt dazu, dass meine Frau mich für einen Freak
hält.
Wahrscheinlich hat sie sogar recht damit. Denn wir saßen neulich an einem
ruhigen Herbstabend friedlich auf dem Sofa. Meine Frau legte ihr Strickzeug
zur Seite, nahm ihren Roman in die Hand und fragte mich: „Und was liest du
da?“ Die ehrliche Antwort: Auf meinem iPad hatte ich mich in eine
wissenschaftliche Studie vertieft, wie der Klimawandel die Geopolitik
verändert. Ich fand die Lektüre um Längen spannender als viele Krimis.
Meine Frau aber meinte: „Du bist echt seltsam.“
Vielleicht macht der Klimawandel uns genau so: seltsam. In dem Interview
bei YCC jedenfalls sagt die Paartherapeutin Orna Guralnik, die Klimakrise
wirke indirekt auch auf unser enges Zusammenleben. Sie sei der wichtigste
Faktor in der Geopolitik, bei Paarbeziehungen und Familienplanung:
[2][Menschen litten unter Stress, fühlten sich hilflos und vereinzelt],
manche junge Menschen wollten deshalb keine Familie mehr gründen. Dazu
komme ein schlechtes Gewissen über die Zerstörung der Natur.
Auch den Anstieg [3][von Polyamorie] erklärt Guralnik teilweise mit der
Klimakrise: Die Menschen sähen keinen Sinn mehr darin, sich auf die
kleinstmögliche Beziehungseinheit eines Paares zu konzentrieren. Und klar
ist: Die [4][Klimakrise erhöht den Stress]. Je wärmer es wird, desto höher
die Konfliktbereitschaft. „Climate Anxiety“ ist ein großes Thema, Menschen,
vor allem junge, fürchten sich vor der Zukunft, und das mit gutem Grund.
## Seelische Hornhaut
Und ich so? Nach 20 Jahren Berichterstattung zum Thema habe ich mir eine
gewisse seelische Hornhaut zugelegt. Vieles Furchtbare ist Routine
geworden: Jedes Jahr sterben Hunderttausende Menschen in der Klimakrise,
die [5][meisten Gletscher sind verloren], die Arktis schwindet, wer noch
Korallen sehen will, muss sich beeilen. Aber trotzdem bin ich erstaunlich
selten so richtig verzweifelt. Keine Ahnung, woran das liegt. Ich denke
jedenfalls nie: „Gut, dass ich 2100 nicht mehr erleben muss!“ Aber in der
unerklärlichen Weigerung zu verzweifeln und der professionellen Abstumpfung
gibt es natürlich auch immer wieder diese Momente, wo mir der Arsch auf
Grundeis geht. Noch so ein Begriff, den wir in der Erdüberhitzung verlieren
werden.
Haben sich meine persönlichen Beziehungen verändert? Sicher: Als
Klimajournalist bin ich ein wandelnder Vorwurf an meine Mitmenschen, das
hat mich seltsamer, freakiger, kauziger gemacht, glaube ich. Oder
vielleicht ist auch die Welt um mich herum, die auf eine massive Bedrohung
mit Ignoranz reagiert, seltsam, freakig und kauzig.
Andere finden es seltsam, wie ich trotz aller Kritik Deutschland lobe für
seine Energiewende, seinen Klimaschutz, seine politische Konsenskultur und
sein sauberes Trinkwasser. Ich habe Freunde verloren, weil ich es nicht
ertrage, wenn ideologische Dummschwätzer die Klimakrise herunterreden. Und
ich halte nicht mehr den Mund, wenn Bekannte beim [6][Thema Fliegen],
Autofahren, Wählen und Fleischessen weiter so leben, als gäbe es kein
Morgen. Denn genau das passiert dann nämlich.
27 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://yaleclimateconnections.org/2025/11/couples-therapist-orna-guralnik-thinks-climate-change-is-affecting-your-relationship/
(DIR) [2] /Umweltpsychologin-ueber-Klimaschutz/!6083885
(DIR) [3] /Beziehungscoach-ueber-freie-Liebe/!5980493
(DIR) [4] /Gesundheit-und-Klimakrise/!6079317
(DIR) [5] /Warum-die-Gletscher-in-den-Alpen-immer-schneller-schmelzen/!6104514
(DIR) [6] /Forscher-ueber-die-deutsche-Luftfahrt/!6128838
## AUTOREN
(DIR) Bernhard Pötter
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