# taz.de -- Long Covid und Selbsttötung: Wenn nur der Suizid als Ausweg erscheint
> Suizidhelfer verzeichnen mehr Anträge von jungen Menschen mit
> ME/CFS-Erkrankung, darunter auch Post Covid, die Hilfe zur Selbsttötung
> erbitten.
(IMG) Bild: Immer mehr ME/CFS-Erkrankte beantragen Suizidhilfe. Hier eine Protestaktion im Oktober vor dem Bundesforschungs-ONGOministerium
Normalerweise ist die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS)
wegen geleisteter Suizidhilfen in den Medien. Doch am Donnerstag lud die
Gesellschaft gemeinsam mit der Betroffeneninitiative PiEr für
Post-Covid-Erkrankte in Berlin zu einer gemeinsamen Pressekonferenz. Der
Grund: Die Gesellschaft erreichen immer mehr [1][Anträge auf Suizidhilfe]
von jungen Menschen, die die sogenannte Myalgische
Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) haben.
Die Erkrankung hat in ihrer schwersten Form zur Folge, dass die Betroffenen
nur noch im Dunkeln liegen können, die Ohren mit Schallschützern
abgeschirmt, von Schmerzen geplagt und manchmal sogar unfähig zu sprechen
und selbstständig zu essen. Die schwere neuroimmunologische Erkrankung
entsteht unter anderem auch als Folge einer Corona-Infektion und wird dann
als Post Covid, manchmal auch als [2][Long Covid] bezeichnet. In sehr
seltenen Fällen gilt die Erkrankung als Folge einer Corona-Impfung und
heißt dann Post Vac.
Es habe ihn erschüttert, sagte DGHS-Präsident Robert Roßbruch, von den
Fallbearbeiterinnen in der Geschäftsstelle zu hören, dass es zunehmend
Menschen gebe, noch dazu sehr junge Menschen, die fest entschlossen seien,
dass nur noch der Tod ihr Leiden beenden könne. In den vergangenen zwölf
Monaten hätten acht Personen einen schriftlichen Antrag auf Vermittlung
einer Freitodbegleitung gestellt, die wegen ihrer Diagnose ME/CFS und dem
damit verbundenen Leiden keinen Ausweg mehr sähen.
Fünf der Antragssteller:innen seien inzwischen mithilfe der
Suizidbegleiter verstorben, drei befänden sich noch im Antragsverfahren.
Unter den acht Personen, die einen Antrag gestellt haben, seien fünf junge
Frauen im Alter von 24 bis 29 Jahren gewesen. Roßbruch schilderte, dass in
einigen Fällen sogar die Väter oder Mütter der Kranken bei der DGHS
anriefen und die Mitarbeiterinnen anflehten, den Antrag ihrer Tochter auf
Vermittlung einer Freitodbegleitung nicht abzulehnen.
## „Humanitäre Katastrophe vor unserer Haustür“
Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS sind in Deutschland
650.000 Menschen erkrankt, die Initiative PiER aus Schleswig-Holstein
spricht von 1,5 Millionen Betroffenen, die ME/CFS oder dessen
Begleiterkrankungen haben.
Die Sprecherin von PiER, Barbara von Eltz, erklärte, die Krankheit sei eine
„humanitäre Katastrophe vor unserer Haustür“. Die [3][Krankheit sei
untererforscht], die Patient:innen litten häufig unter Stigmatisierung
und müssten gegen „Psychologisierung und Ignoranz“ kämpfen. [4][Sie fänden
kaum Ärzt:innen], die ihnen helfen könnten und lägen meist unversorgt in
ihren Betten.
Während in der Bevölkerung oft die Meinung herrscht, Müdigkeit und
Erschöpfung seien das wichtigste Symptom der Erkrankung, korrigierten
sowohl die Initiative PiER als auch der Internist und auf ME/CFS
spezialisierte Arzt Wolfgang Ries diesen Eindruck.
Das Hauptsymptom von ME/CFS sei die „postexertionelle Malaise“ (PEM), sagte
Ries am Donnerstag. Dies sei der „Schlüssel“ zum Verständnis von ME/CFS.
Die PEM, auch „Crash“ genannt, ist eine oft verzögert eintretende deutliche
Verschlimmerung nach auch nur leichter körperlicher, geistiger oder
emotionaler Anstrengung. Diese Verschlimmerung kann länger anhalten und
schon durch eine kurze Unterhaltung, eine Mahlzeit, sogar durch ein
freudiges Ereignis getriggert werden. Deswegen gehen auch die wohlgemeinten
Ratschläge ahnungsloser Ärzte ins Leere, die den Erkrankten raten, doch mal
Sport zu treiben oder mehr vor die Türe zu gehen, um das Leiden zu bessern.
Ries schilderte Fälle von Patient:innen, die vom Arzt in die Psychiatrie
eingewiesen wurden, die in Pflegeheimen landeten, weil es niemanden zu
Hause gab, der sie versorgte oder die nicht mal einen Hausarzt fanden, der
bei ihnen Hausbesuche machte.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte kürzlich angekündigt,
[5][das Ministerium fördere bis 2028 insgesamt 34 Projekte mit 118
Millionen Euro], um Grundlagen- und klinische Forschung enger mit der
Versorgungsforschung zu verzahnen. Allerdings: „Forschung benötigt Zeit“,
erklärte Warken.
27 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Barbara Dribbusch
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