# taz.de -- Straßenbahn in Berlin: Ausgerumpelt
> In Friedrichshain wurde eine Tramlinie gekappt, weil bei der Neuplanung
> alles schiefgelaufen ist. Aber der Ausbau des Straßenbahnnetzes lahmt
> ohnehin.
(IMG) Bild: Gelb und effizient: die Berliner Tram, hier an der Warschauer Brücke
Wenn eine Tram der M13 auf der Friedrichshainer Holteistraße die Boxhagener
Straße quert, muss sie besonders langsam fahren, trotzdem rumpelt es laut.
Denn die Schienen der Tramlinie 21, die hier kreuzt, sind wackelig und
abgenutzt – und seit Ende vergangener Woche stillgelegt. „40 Jahre lang
durchgängig in Betrieb“ seien die Gleisanlagen der Linie 21 gewesen,
informiert die BVG – von hier bis zur Marktstraße hinter der Ringbahn, ein
Abschnitt von einem guten Kilometer. Immer wieder habe man Schadstellen
geflickt, aber nun seien „alle Möglichkeiten der laufenden Instandhaltung
ausgeschöpft“.
Für die Fahrgäste der Linie, die vom Bersarinplatz durch den
Friedrichshainer Südkiez und über Karlshorst bis Schöneweide führt, ist das
eine ärgerliche Unterbrechung. Sie müssen jetzt in Busse der Linie 240
umsteigen, die ebenfalls auf der Boxhagener Straße unterwegs sind. Noch
viel ärgerlicher: Wann sie wieder durchgehend mit der Straßenbahn fahren
können, steht in den Sternen. Es wird auf jeden Fall Jahre dauern.
Denn an dieser Stelle ist im Grunde schiefgelaufen, was schieflaufen
konnte. Die Schienen sind deshalb so marode, weil die Tram hier eigentlich
längst nicht mehr fahren sollte: Seit vielen Jahren ist vorgesehen, sie
zwei Schlenker machen zu lassen und über die südlich verlaufende
Sonntagstraße direkt an den Bahnhof Ostkreuz heranzuführen. Der ist mit der
Tram bisher miserabel angebunden.
Aber das Vorhaben ist bei den AnwohnerInnen hoch umstritten, und beim
Genehmigungsverfahren wurde von der Verwaltung wiederholt gepfuscht. Darum
hat sich seit Beginn des Planfeststellungsverfahren 2017 im Grunde nichts
bewegt. Gleichzeitig ging der Zustand der Altgleise den Bach hinunter. Die
aber wollte und will die BVG nicht grundlegend erneuern, sprich:
austauschen, weil sie ja theoretisch künftig nicht mehr gebraucht werden.
## Widerstand der Anwohnenden
2018 waren die Planungsunterlagen erstmals im Rahmen der vorgeschriebenen
Öffentlichkeitsbeteiligung ausgelegt worden, damals gab es fast 1.000
Einwendungen. Im Gegensatz zu anderen Straßenbahnplanungen ist der
Widerstand der Anwohnenden hier groß, denn die Sonntagstraße ist
vergleichsweise schmal. Bäume müssten gefällt werden, Parkplätze würden
wegfallen, man fürchtet das Quietschen der abbiegenden Trams. Ein Fehler
beim Lärmschutzgutachten war es dann auch, der eine erneute Auslegung 2021
notwendig machte.
Dummerweise stellte sich später heraus, dass es einen Formfehler gegeben
hatte. [1][2024 gab es also eine dritte und kurz darauf sogar noch eine
vierte Auslegung.]
Geht es also jetzt endlich voran? Offenbar nicht: Beim BVG-Sprechtag des
Fahrgastverbands IGEB im Oktober ließ die Senatsverkehrsverwaltung
durchblicken, dass sie eine fünfte Auslegung erwägt. Dabei geht es offenbar
vor allem um Umplanungen zugunsten der Feuerwehr. Die glaubt, dass sie bei
Rettungsarbeiten in der Sonntagstraße mit den Stromleitungen der Tram ins
Gehege kommen würde.
Für IGEB-Sprecher Christian Linow ist das alles kaum zu fassen: „Das ganze
Projekt wurde sehenden Auges an die Wand gefahren“, sagt er der taz, „und
jetzt ist der Flurschaden groß.“ Das Argument der Feuerwehr hält er für
weit hergeholt, auch weil er sich informiert hat, wie andere
Verkehrsunternehmen das Problem lösen. Die Düsseldorfer Rheinbahn teilte
ihm mit, dass im Notfall die Technische Schaltwarte den Strom einfach
abschalte, zusätzlich habe man die Feuerwehr mit Spannungsprüfern und
„Erdungsstangen“ ausgestattet.
Warum sollte das in Berlin nicht möglich sein? „Wir stehen hier langsam im
Verdacht, für jede Lösung das passende Problem zu finden“, ätzt Linow. Dass
die BVG jetzt ihre KundInnen auf unbestimmte Zeit in Busse umsteigen lässt,
geht für ihn gar nicht: „Wenn ich in der Pflicht stehe, die bestellte
Leistung zu fahren, und dann feststelle, dass ich mit meiner Planung nicht
fertig werde, muss ich tatsächlich über eine Notinstandsetzung nachdenken.
Wir erwarten ja keine goldenen Gleise.“
Selbst wenn die Trams auf der Boxhagener Straße nur noch mit 10
Stundenkilometern führen, wäre das für den IGEB-Sprecher der jetzigen
Lösung vorziehen. „Besser schlecht gefahren als gut gelaufen“ oder mehrfach
umgestiegen, findet Linow. Die BVG verspricht zumindest, dass die Lücke
nicht ganz so groß wie befürchtet werde – dank einer „Zwischenendstelle“
auf Höhe der Krossener Straße.
## Der Senat mag keine Straßenbahnen
Die verkorkste Situation in Friedrichshain mag den örtlichen Besonderheiten
und schlampiger Planung geschuldet sein, aber die Straßenbahn hat unter
Schwarz-Rot auch sonst einen schweren Stand. Zumindest was den Ausbau des
Netzes im Westteil der Stadt angeht, der ja eigentlich politisch gewollt
ist – oder muss man mittlerweile sagen: gewollt war?
Im Rahmen der laufenden Haushaltsverhandlungen hat die Opposition
abgefragt, wie es um die laufenden Tramplanungen steht. Das Ergebnis:
Manches tröpfelt vor sich hin, andere Vorhaben wurden auf Eis gelegt oder
komplett gestrichen.
Am weitesten fortgeschritten ist der Ausbau der Straßenbahn in Mahlsdorf:
Hier befindet man sich immerhin schon in der sogenannten
Genehmigungsplanung, „aktuell angestrebt“ wird die Inbetriebnahme in den
Jahren 2028 oder 2029. Projekte wie die Verlängerung der M10 von der
Moabiter Turmstraße bis zum S- und U-Bahnhof Jungfernheide und – am
entgegengesetzten Ende – zum Hermannplatz stecken noch in früheren
Planungsphasen. Vor 2031 oder 2032 wird hier ganz sicher nichts rollen.
Die Strecke Schöneweide–Potsdamer Platz steckt sogar noch in der
allerersten Phase, der sogenannten Grundlagenermittlung. Die wird laut
Senat noch in diesem Jahr „voraussichtlich“ abgeschlossen, angepeilt wird
eine Inbetriebnahme im Jahr 2035. Dagegen habe man die Strecken vom
Alexanderplatz über die Leipziger Straße zum Kulturforum und von
Johannisthal in die Neuköllner Gropiusstadt „qualifiziert beendet“, weil
dafür keine ausreichenden Mittel vorhanden seien.
„Qualifiziert beendet“ kann bestenfalls bedeuten, dass ein Projekt
wiederaufgenommen wird, wenn bessere Tage kommen – schlechtestenfalls ist
es damit für alle Zeiten beerdigt. Der Tramstrecke vom Potsdamer Platz nach
Steglitz, die an die Strecke Alexanderplatz–Kulturforum anschließen sollte,
droht dieses Schicksal nicht: Ihre Planung wurde noch nicht einmal
begonnen. Derweil hat die Verkehrsverwaltung die Idee einer Anbindung
Spandaus mit der Straßenbahn – die von der dort regierenden CDU abgelehnt
wird – in ihrem Bericht an den Mobilitätsausschuss einfach kommentarlos
durchgestrichen.
## Berlin hinkt hinterher
Für Oda Hassepaß, verkehrspolitische Sprecherin der Grünenfraktion, ist das
ein Fiasko: „Andere Städte setzen konsequent auf die Straßenbahn und bauen
viele neue Schienenstrecken, in Berlin blockiert die CDU alles, was keinen
Auspuff hat, und hängt damit die Menschen ab“, findet sie. Dabei sei die
Tram im Hinblick auf Transportkapazität und Kosten „eine der effizientesten
Mobilitätsformen im städtischen Raum“.
Besonders ältere Menschen und Kinder schätzten die überirdische Führung und
die – im Vergleich zur U-Bahn – vielen Haltestellen. Nicht von ungefähr
bestätigten die Gutachten zu den Neubauprojekten, die die Senatsverwaltung
selbst in Auftrag gegeben habe, die Tram als „Vorzugsverkehrsmittel“.
Der Berliner Bund für Umwelt und Naturschutz schlägt in dieselbe Kerbe:
„Eine Straßenbahn kann von der Kapazität bis zu drei Gelenkbusse ersetzen,
was knappes Fahrpersonal und Kosten sparen kann“, so BUND-Verkehrsexperte
Tilo Schütz. Die in den zuletzt eröffneten neuen Strecken zum Hauptbahnhof
und weiter zur Turmstraße sorgten für erhebliche Fahrgastzuwächse und
reduzierten den Autoverkehr. Für Schütz steht fest: Mit dem
Verkümmernlassen des Ausbaus entfernt sich Berlin „immer weiter von den
dringlichen Zielen bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen im
Verkehrsbereich“.
27 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Claudius Prößer
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