# taz.de -- Friedensprozess zwischen Türkei und PKK: Historischer Besuch auf der Gefängnisinsel İmralı
> Eine Delegation des türkischen Parlaments trifft PKK-Gründer Öcalan. Für
> Präsident Erdoğan bleibt der Friedensprozess ein Drahtseilakt.
(IMG) Bild: Anhänger mit einem Foto von Abdullah Öcalan, dem inhaftierten Anführer der kurdischen PKK, in Diyarbakir, Türkei, am 27. 2. 2025
Das erste Mal seit seiner Inhaftierung vor 26 Jahren ist Abdullah Öcalan,
Gründer und historischer Führer der kurdischen PKK-Guerilla, auf der
Gefängnisinsel İmralı von einer Delegation des türkischen Parlaments
besucht worden. Jahrelang saß er in mehr oder weniger [1][strenger
Isolationshaft]. Doch seit dem Beginn eines neuen Friedensprozesses mit der
PKK vor gut einem Jahr ist Öcalan wieder zu einem gesuchten
Gesprächspartner geworden.
Nach mehreren Besuchen von Abgeordneten der kurdischen DEM-Partei hatte er
im Frühjahr die PKK aufgefordert, die Waffen niederzulegen und die
Auflösung der Partei einzuleiten. Die Phase des bewaffneten Kampfes sei
vorbei. Auf Drängen der DEM wurde dann im Parlament eine 50-köpfige
Kommission aus nahezu allen Parteien eingerichtet, die über die Zukunft der
kurdischen Minderheit und das Schicksal ehemaliger PKK-Mitglieder beraten
soll. Am Ende dieses mehrmonatigen Prozesses ist nun eine Delegation aus
Vertreter*innen von drei Parteien zu Öcalan gereist, um mit ihm über seine
Vorstellungen zu reden.
Was für ein enormer Schritt dieser Besuch am Montagabend war, zeigte sich
schon an seinem ungewöhnlichen Ablauf. Das genaue Datum wurde bis zuletzt
geheim gehalten. Auf Anweisung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan wurden
keine Fotos über den Besuch veröffentlicht. Auch der Inhalt des Gesprächs
wird bis zu einem Bericht vor der Kommission am Mittwoch geheim gehalten.
Die mitgereiste kurdische DEM-Abgeordnete Gülistan Kılıç Koçyiğit sagte
lediglich, es sei ein sehr gutes Gespräch gewesen.
Das bis vor Kurzem noch Undenkbare: Neben Koçyiğit waren auch der
stellvertretende Parteivorsitzende der regierenden AKP, Hüseyin Yayman, und
einer der Vizevorsitzenden der ultranationalistischen MHP, Feti Yıldız,
dieses Mal mit von der Partie.
## Warum der Friedensprozess auch die CHP unter Druck setzt
Für Erdoğan sind diese Gespräche ein politischer Drahtseilakt. Einerseits
möchte er gerne als der Mann in die Geschichte eingehen, der [2][den über
40 Jahre andauernden bewaffneten Kampf der PKK beenden] konnte und eine
„terrorfreie Türkei“ erreichte. Andererseits weiß er, dass große Teile der
Bevölkerung strikt gegen Gespräche mit Öcalan und der PKK sind, die in
ihrem bewaffneten Kampf fast 50.000 Tote hinterlassen hat.
Aber auch für die oppositionelle CHP ist der „Friedensprozess“ schwierig.
Denn während Erdoğan mit der PKK plötzlich auf Dialog setzt, lässt er
reihenweise CHP-Politiker ins Gefängnis werfen und versucht, die Partei mit
Hilfe der Justiz zu vernichten. Wie soll die CHP da bei dem angeblichen
Friedensprozess mitmachen?
Damit Erdoğan die Opposition aus CHP und DEM nicht völlig
auseinanderdividiert, hat die CHP sich an der Kommission zur Zukunft der
Kurden beteiligt, wollte nun aber keinen Vertreter mit zu Öcalan schicken.
Der ganze Prozess sei ihm zu intransparent, sagte ihr Vorsitzender Özgür
Özel. Zurecht fragt die CHP, wie es zu einer Aussöhnung mit den Kurden
kommen soll – wenn das autokratische Regime von Erdoğan nicht gleichzeitig
wieder zu demokratischen Regeln und einer unabhängigen Justiz zurückkehrt.
Dafür gibt es indes keinerlei Anhaltspunkte. Nach dem [3][populären
Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu,] der im März ins Gefängnis
geworfen wurde, wird jetzt auch gegen den CHP-Oberbürgermeister von Ankara,
Mansur Yavaş, ermittelt. Beide – sowohl İmamoğlu wie auch Yavaş – liegen in
Umfragen vor Erdoğan und könnten ihn bei den für 2028 geplanten
Präsidentschaftswahlen schlagen.
## Zugeständnisse an die Kurden?
Auch für die Verhandlungen mit der PKK kommt nun bald die Stunde der
Wahrheit. Die Kommission soll ab dem 28. November ihren Abschlussbericht
formulieren und Empfehlungen aussprechen. Ohne substanzielle
[4][Zugeständnisse an die Kurden] könnte der gesamte Prozess dann ins
Stocken kommen. Bisher aber hat Erdoğan das peinlichst vermieden.
Selbst die Empfehlung seines ultranationalistischen Koalitionspartners
Devlet Bahçeli – den seit über sechs Jahren inhaftierten früheren
[5][Vorsitzenden der damaligen Kurdenpartei HDP, Selahattin Demirtaş,
freizulassen] – hat Erdoğan trotz endgültiger Aufforderung des
Menschenrechtsgerichtshofes in Straßburg bislang ignoriert.
25 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Wolf Wittenfeld
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