# taz.de -- Nachdenken über Bullshit: „Es geht um die Kulturtechnik des Differenzierens“
       
       > Die Philologin Gyburg Uhlmann schlägt vor, Rhetorik-Theorie der Antike zu
       > nutzen, um Bullshit, Fake News und KI-Fälschungen zu begegnen.
       
 (IMG) Bild: Einer, der nicht immer die Wahrheit spricht: US-Präsident Donald Trump vor Journalist*innen im November
       
       taz: Frau Gyburg Uhlmann, Sie halten einen Vortrag darüber, wie antike
       Rhetorik und Philosophie uns [1][in Zeiten von Fake News und „Bullshit“]
       helfen können. Was meinen Sie mit „Bullshit“?
       
       Gyburg Uhlmann: [2][Der amerikanische Philosoph Harry Frankfurt] hat schon
       1986 zu dem Thema einen Text geschrieben und ihn dann 2005 als Buch
       veröffentlicht, das sehr populär wurde. Sein Konzept von Bullshit hilft
       uns, Phänomene, bei denen manipuliert wird, besser zu verstehen. Das ist
       heute in vielen Wissenschaftsbereichen ein viel benutzter Ansatz.
       
       taz: Und was ist nun dieses Konzept „Bullshit“? 
       
       Uhlmann: Frankfurt sagt, dass es eine Kommunikationsweise ist, bei der es
       nicht darum geht, ob etwas wahr oder falsch ist. Stattdessen soll mit ihr
       eine gewisse Botschaft vermittelt werden. Wie zum Beispiel „Ich bin der
       tollste Präsident aller Zeiten“ oder [3][„Wir machen alles, damit Amerika
       wieder groß dasteht.“] Dahinter steht also eine strategische Kommunikation,
       die über die einzelne Falschinformation hinausgeht.
       
       taz: Und wie sieht Ihre akademische Betrachtung dieses aktuellen Problems
       aus? 
       
       Uhlmann: Ich stelle die Frage: Hilft es uns bei der Analyse und der Kritik
       dieser manipulativen Kommunikation im Sinne einer Abwehrstrategie wirklich,
       davon abzusehen, ob etwas wahr oder falsch ist? Ich denke, es gibt da einen
       Aspekt, der mit dem Prinzip Bullshit nicht abgearbeitet werden kann. Und da
       komme ich mit meiner Expertise dazu, weil diese Problematik ganz gut mit
       der klassischen Rhetoriktheorie erfasst werden kann.
       
       taz: Können Sie das an einem Beispiel erklären? 
       
       Uhlmann: [4][Donald Trump oder die AfD beziehen sich ja immer wieder auf
       den Common Sense], indem sie sagen, was wir da machen, ist eigentlich gar
       nichts Besonderes, sondern das ist das, was jeder normale Mensch eigentlich
       wirklich denkt. Und sie suggerieren damit, dass das alles so evident ist,
       dass man nicht mehr darüber nachdenken muss. Alle Diskurse,
       Differenzierungen und Konzepte, mit denen wir heute in der Rhetoriktheorie
       arbeiten, kommen ja aus der Antike. Deshalb gehe ich dahin zurück und ich
       habe festgestellt, dass die sich mit diesem Thema sehr intensiv beschäftigt
       haben.
       
       taz: Und zu welchen Ergebnissen sind sie dabei gekommen? 
       
       Uhlmann: In der Antike haben die einen gesagt, die Wahrheit ist sowieso
       nicht erreichbar und es reicht darum völlig aus, wenn man auf solche
       plausiblen Konzepte wie den Common Sense verweist. Und dann gibt es jene
       wie Aristoteles, die sagen: Die Aufgabe der Rhetorik muss es sein, dass der
       Redner seine Position mit den besten Argumenten darstellt. Er muss also
       mehr machen, als nur andere zu etwas zu überreden.
       
       taz: Wie lässt sich diese Erkenntnis heute anwenden? 
       
       Uhlmann: Ich meine, es lassen sich mit diesen Ansätzen aus der Antike
       Schutzmechanismen dagegen entwickeln, dass man auf Manipulationstechniken
       hereinfällt.
       
       taz: Es geht also um das Erlernen von Kulturtechniken und um
       Medienkompetenz? 
       
       Uhlmann: Genau, es geht um die Kulturtechnik des Differenzierens. Und auf
       einer weiteren Ebene auch um Phänomene wie Deep Fakes und von KI generierte
       Bilder. Da reicht es ja nicht, Fälschungen zu erkennen. Sondern man sollte
       auch wissen, was diese Bilder überhaupt mit uns machen. Also, welche
       Botschaften transportieren und insinuieren, also unterstellen sie?
       
       taz: Und um das zu vermitteln, halten Sie jetzt einen
       populärwissenschaftlichen Online-Vortrag bei der Volkshochschule? 
       
       Uhlmann: Ja, ich mag es gerne, wenn sich meine Vorträge und Texte an
       verschiedene Publika richten.
       
       taz: Haben Sie in der Richtung schon positive Erfahrungen gemacht? 
       
       Gyburg Uhlmann: Ja, ich habe eine ganze Reihe von Projekten mit Schülern
       und Schülerinnen gemacht. Und obwohl diese keinerlei Vorbildung in der
       Hinsicht haben, interessieren sie sich dafür, weil sie merken: „Da gab es
       schon in einer ganz anderen Zeit Leute, die über ähnliche Dinge nachgedacht
       haben wie ich heute.“
       
       2 Dec 2025
       
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