# taz.de -- Bedeutung von Klima- und Ökopolitik: Das Ende der Vernunft
       
       > Grüne und Klimaaktivisten scheinen ihren Platz im Bewusstsein der
       > Öffentlichkeit verloren zu haben. Die ökologische Transformation wird nun
       > konservativ bestimmt, nicht durch Überzeugungsarbeit.
       
 (IMG) Bild: Der Aktivismus klammert sich an den Glauben, dass mit Überzeugungskraft eine ökologische Politik zu machen ist. Doch die Konservativen regieren.
       
       [1][taz FUTURZWEI] | Klimapolitik legt eine Pause ein. Der nächste Schritt
       in ein geopolitisch umsteuerndes Aussteigen aus dem fossilen Welt- und
       Lebensbeherrschungsmodus auf allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
       Feldern lässt auf sich warten.
       
       Der Übergang in das elektrische Zeitalter auf der Basis von erneuerbaren
       Energien und Wasserstoff wird einerseits in [2][Deutschland] ausgebremst,
       [3][andererseits nimmt er durch China globale Fahrt auf.]
       
       [4][Die Grünen] und die [5][Klimaaktivisten] werden im politischen Diskurs
       ignoriert, sie haben den über Jahre erstrittenen und verantwortungsethisch
       gut begründeten Platz für [6][Klima]- und Ökopolitik im Bewusstsein der
       Öffentlichkeit verloren.
       
       Warum ist das so? Dafür gibt es mehrere Gründe.
       
       ## Das Versprechen der Grünen scheint gescheitert
       
       Das Versprechen der Grünen, ein Übergang ins nachfossile Zeitalter sei
       möglich – ohne einschneidende Veränderungen im alltäglichen Leben, ohne den
       Verlust von Arbeitsplätzen, ohne grundsätzliche Änderungen der Lebensstile
       und ohne hohe Kosten für jeden einzelnen – ist an den jetzt schon
       wahrnehmbaren Folgen der ökologischen Transformation auf dem Weg
       zerbrochen.
       
       Wie immer in Momenten großen historischen Wandels, müssen die damit
       verbundenen unvermeidbaren Lasten und Zumutungen von denen getragen werden,
       die weiter unten im gesellschaftlichen Gefüge leben. Nur trauen sich die
       Grünen genauso wenig, wie alle anderen Parteien, das im öffentlichen
       Diskurs zu adressieren.
       
       Alle Versuche, das gebremste Vorankommen der Transformation dem
       [7][Kapitalismus], der skrupellosen Dominanz der [8][Großkonzerne] in der
       Politik und der Macht der fossilen Industrien zuzurechnen, sind wirkungslos
       geblieben, weil sie erfolgreich als ideologisierte Systemkritik denunziert
       wurden.
       
       Informationen, die das tatsächliche Ausmaß der Bedrohung, die
       wissenschaftlichen Fakten und die zu erwartenden negativen Entwicklungen
       darstellen, sind im öffentlichen Diskurs so präsent und abrufbar wie nie
       zuvor.
       
       Das löst aber keine mobilisierende Wirkung, keine versachlichten Diskurse
       oder gar Zustimmung zu einer mehrheitlich getragenen Transformation aus. Im
       Gegenteil: Klimawandel leugnende Positionen und gefälschte Darstellungen
       der ökologischen Wirklichkeit gewinnen an Einfluss.
       
       ## Erstarrung des Fortschritts zur Norm?
       
       Auch Versuche vieler Klimaaktivisten, die Klimakrise in Untergangsszenarien
       apokalyptisch aufzuladen, sind ins Leere gelaufen. Vielmehr haben
       Positionen an Einfluss gewonnen, die anstelle eines grundsätzlichen
       Übergangs ins nachfossile Leben ein Weiter-So in und mit der
       Klimakatastrophe zur Hauptaufgabe erklären.
       
       Den Grünen sehen sich, auch wegen ihrer realpolitischen Qualitäten und
       Erfolge, als politische Subjekte der ökologischen Transformation. Doch
       ihnen ist der ökologische „Fortschritt zur historischen Norm geronnen, und
       aus dem Zukunftsbezug der Gegenwart die Qualität des Neuen, die Emphase des
       unvorhersehbaren Anfangs“ verloren gegangen. So beschrieb [9][Jürgen
       Habermas] 1985 in „Der philosophische Diskurs der Moderne“ die Erstarrung
       des Fortschritts zur Norm.
       
       Die Grünen übersehen deshalb, dass in der Gesellschaft, in der Wirtschaft,
       unter den Menschen das neue, nachfossile Leben auf vielfältige, eher
       unspektakuläre Weise längst begonnen hat. Es gibt das anti-ökologische
       Getöse und auch wirklichen Rückbau von bereits Erreichtem durch
       [10][CDU/CSU] und [11][SPD], gleichzeitig hat aber der ökologische Umbau
       Fahrt aufgenommen.
       
       Längst geht es nur noch um die Frage, wer, wo und wie auf der Welt die
       wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und auch politischen Gewinne aus
       diesem Umbau realisiert und in geopolitische Macht übersetzt werden können.
       Auf diesem Weg werden die Bereitschaft und die Fähigkeit von Politik und
       Gesellschaft, sich für das Unvorhergesehene zu öffnen, das Tempo bestimmen.
       
       ## Chance und Fehlannahme
       
       Wenn [12][Linke] und auch Grüne aber immer noch glauben sollten, „dass alle
       Menschen im Grunde mit genug Überzeugungsarbeit zu den richtigen
       Einstellungen gelangen“, dann verpassen sie die Gelegenheiten, selbst Teil
       dieses sich vollziehenden, aber eben konservativ bestimmten ökologischen
       Wandels zu sein, denn „der Alltag, die Gewohnheit, auch kulturelle
       Imprägnierungen sind oft mächtiger als jedes Argument“, wie der Soziologe
       [13][Armin Nassehi] unlängst im Tagesspiegel sagte.
       
       Es macht auch keinen Sinn, aus Ärger oder Verzweiflung über die Umwege
       ökologischer Vernunft die Menschen zu beschimpfen. „Sie“, erklärt Bernd
       Ulrich in der Zeit, „haben nämlich mehr und mehr das Gefühl, nach ihrem
       Zenit zu leben. Auf die alte Art besser wird es nicht mehr. (…) Mit den
       egoistischen, materialistischen, ungeduldigen Menschen der Spät- und
       Konsumdemokratie lässt sich eben auch außerhalb des Ökologischen kein Staat
       mehr machen.“
       
       Ach, was. Die Menschen haben weder in den schwärzesten, nihilistischen
       Momenten ihrer Zivilisationsgeschichte, noch danach, jemals außerhalb der
       ewig fortlaufenden Zeitläufte gelebt. Es gibt für die Menschen keinen Zenit
       ihres Existierens, sie haben nach jeder ausweglos erscheinenden Großkrise
       neu angefangen, wie und mit welchen Umwegen auch immer.
       
       Warum soll das heute anders sein?
       
       Die Charakterisierung der Heutigen als egoistisch, materialistisch,
       ungeduldig und in der Demokratie nur eine Maschine zur Befriedigung ihrer
       Konsumbedürfnisse Sehende, ist eine Position, die sich selbst als etwas
       Besseres über „die Menschen“ erhebt und letztlich menschenverachtend.
       
       Dass die Grünen, womöglich, an sich selbst scheitern, ist nach 40 Jahren
       Erfolgsgeschichte kein Unglück, es beendet die ökologischen Perspektiven
       der Gattung Mensch nicht. Die Nähe eines Scheiterns ist eher als ein
       Fingerzeig für sie zu sehen, sich auf Habermas „Emphase für das
       Unvorhergesehene“ einzulassen, ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen im
       Großen und im Kleinen auf allen Feldern des gesellschaftlichen Daseins für
       das Leben in den nachfossilen Zeiten auszubuchstabieren und so Mehrheiten
       und politische Macht herzustellen.
       
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       18 Nov 2025
       
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