# taz.de -- Ein touristischer Hotspot: Das Maybachufer mit seinen Verlockungen
       
       > Das Neuköllner Maybachufer wurde zu einer der coolsten Straßen weltweit
       > gekürt. Da tummeln sich die Menschen. Und manche, die was von denen
       > wollen.
       
 (IMG) Bild: Beliebter Ort am Wasser, das Berliner Maybachufer
       
       Das Paul-Lincke-Ufer muss sich gerade ganz schön bescheuert vorkommen. Ich
       meine, da erstrahlst du den ganzen Tag in der südlagebedingten Dauersonne
       des Kreuzberger Landwehrkanals. Mit den pompöseren Altbauten, den eitleren
       Trauerweiden und einer höheren Dichte an Cafés, deren Publikum auf den
       Terrassen immer so guckt, als würde es gerade von Hollywood gecastet
       werden. Sogar der Bouleplatz unter den Berliner Bouleplätzen ist auf deiner
       Seite – und nun das!
       
       Das Maybachufer in Neukölln, die schattig-versiegelte und immer noch etwas
       schmuddeligere Variante von gegenüber, wurde eben erst zu einer der
       coolsten Straßen gekürt! Nicht etwa Berlins oder von Deutschland, nee, of
       se Wööörlt! Es belegt den 7. von insgesamt 31 Plätzen. Entschieden haben
       das Lokalredakteur:innen des vor sechzig Jahren in London gegründeten
       und über die Jahrzehnte weltweit expandierten [1][Stadtmagazins Time Out].
       
       Derweil verkünden die gleichen deutschen Medien, die üblicherweise nicht
       zögern, Neuköllns Straßen und Kieze [2][mit Hetze zu teeren], die
       Platzierung mit heuchlerischem Stolz. Es sind dieselben Stimmen, die sonst
       über die hier lebenden und arbeitenden Menschen herziehen. Also auch über
       diejenigen, die dafür sorgen, dass das Maybachufer nun glänzen darf.
       
       Jedenfalls, weil wir gerade bei Licht und Schatten sind: Bevor alle
       losrennen, um sich am frisch dekorierten Maybachufer en vogue zu fühlen und
       um die nächste Runde im Gentrifizierungswahn einzuläuten, ein kleiner
       Hinweis aus persönlicher Erfahrung. Touristische Hotspots sind ja immer
       auch hohe Schulen der Diebeskunst. Und wie überall in den Berliner
       In-Kiezen sind dort echte Profis am Werk. Na ja, sagen wir „Profis“. Denn
       wirklich gut waren sie die drei Male, die sie es bei mir versucht haben,
       nicht. Aber – die Masche ist ausgebufft!
       
       Und so geht’s: Nichtsahnend sitzt man im Restaurant, der Anorak über der
       Lehne. Ein bis zwei Männer sehen das, kommen rein und setzen sich trotz
       etlicher freier Tische, welch Zufall, direkt dahinter. Einer sitzt mit dem
       Rücken zum Opfer und rückt langsam heran, bis sich die Lehnen berühren.
       Praktischerweise hängt auch seine Jacke über der Lehne. Nun tut er so, als
       würde er in seiner Jacke nach etwas suchen – will aber eigentlich mit
       seinen Händen an die andere. Zweimal bemerkte ich es gerade noch so, zuerst
       in Mitte, dann in Kreuzkölln. Einmal reichte ein leichtes Zur-Seite-Rücken,
       beim zweiten Mal drehte ich mich einfach um und schaute nach. In beiden
       Fällen standen die Typen nach kurzer Zeit auf, glotzten den verwunderten
       Kellner an und verschwanden unverrichteter Dinge.
       
       Beim dritten Mal wurde es ein bisschen lustig. Wieder ein fast leerer Raum,
       die Situation vertraut. Ein Freund, der mir gegenüber saß, versank gerade
       in seiner Erzählung, als ich wieder diesen leichten Druck an der Lehne
       spürte. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie mir der Typ langsam auf die
       Pelle gerückt war.
       
       Nun ist es eigentlich so, dass ich mittlerweile alle Wertsachen aus meiner
       Jacke in die Hosentasche stopfe, bevor ich mich setze. Diesmal hatte ich
       das vergessen. Also holte ich demonstrativ Brieftasche, Schlüssel und Handy
       nacheinander aus der Jacke, legte alles auf den Tisch, unterbrach meinen
       redseligen Kumpel und sagte: „Wetten, die stehen gleich wieder auf?“
       Während er noch dabei war, zu begreifen, was ich meinte, kam es genauso.
       
       Von draußen starrten beide Männer irritiert herein, ich grinste und machte
       winke winke. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt – ganz ohne Cops, die ohne
       Beweise eh nur mit den Schultern zucken. Und nun – viel Spaß am
       Maybachufer!
       
       29 Nov 2025
       
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