# taz.de -- Deutsche Handballerinnen vor Heim-WM: Teambuilding für Fortgeschrittene
       
       > Die deutschen Handballerinnen wollen bei der Weltmeisterschaft trotz
       > ihrer Starspielerin Emily Vogel als Gruppe überzeugen. Erster Gegner ist
       > Island.
       
 (IMG) Bild: Schon lange ein großes Versprechen: Auf die Klasse von Emily Vogel kann kein Team verzichten
       
       Der nächste Anlauf, in einem großen Turnier das Halbfinale zu erreichen,
       beschert dem Deutschen Handballbund (DHB) nun eine 27 Jahre alte Frau
       namens Emily Vogel. Sie kommt nach der Hochzeit mit neuem Namen und dem
       Double im Trikot ihres ungarischen Vereins Ferencváros nach Stuttgart.
       
       „Vogel“ geht Bundestrainer Markus Gaugisch gut über die Lippen in diesen
       Tagen vor dem großen Turnier: Am Mittwoch startet die gemeinsam mit den
       Niederlanden ausgetragene Weltmeisterschaft mit der Partie gegen Island (18
       Uhr im Bezahl-Stream bei Sporteurope.TV). Weitere Gegnerinnen in der
       ausverkauften Porsche Arena sind am Freitag Uruguay und zwei Tage später
       Serbien. Drei Teams kommen in die Hauptrunde.
       
       [1][Seit der Heim-WM 2017 verbindet sich mit dem Namen Emily Bölk, jetzt
       Vogel, ein großes Versprechen] – ein Talent dieser Güte würde den deutschen
       Handballspielerinnen sicher bald die erste Medaille seit 2007 bescheren.
       Doch der Versuch misslang, um die inzwischen 27 Jahre alte Buxtehuderin ein
       Team zu scharen, das den großen Vier aus Norwegen, Frankreich, Dänemark und
       Schweden davon laufen würde. Emily Vogel wurde zum Gesicht des Scheiterns –
       auch wenn es ungerecht war, schließlich war sie nie allein schuld.
       
       Um das avisierte Halbfinale zu erreichen, ist Gaugisch wieder auf eine
       treffsichere Emily Vogel angewiesen. Doch anders als seine Vorgänger
       erwartet Gaugisch nicht von ihr, die deutsche Handballwelt allein zu
       retten. Das ist nämlich häufig schief gegangen; mal besiegte sie die
       Gegnerinnen solo, dann wieder verfolgte sie bittere Niederlagen glücklos
       von der Bank.
       
       ## Schwer aufzulösendes Dilemma
       
       Gaugisch ging so weit, bei einem Lehrgang im März Spiele gegen Frankreich
       ohne Vogel zu planen. Daraus wurde innerhalb der Handballblase ein
       mittlerer Staatsakt. Niemand beim DHB wollte von einem Denkzettel sprechen,
       aber Sportvorstand Ingo Meckes erinnerte daran, dass Vogel in Budapest
       häufig zweite Wahl sei, ihre Aufgabe von der Bank kommend gut erfülle.
       
       Emily Vogel selbst hat kein Öl ins Feuer gegossen. Sie kam bei der nächsten
       Einladung einfach wieder und half im April mit, in Dänemark endlich mal
       einen der Großen zu besiegen. Überhaupt macht sie wenig Aufhebens um sich.
       Doch allein, weil sie freundlich und charmant plaudern kann, zog sie die
       Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich – was im Team mancher missfiel.
       Ein Dilemma, das kaum aufzulösen ist.
       
       Nun soll nicht sie der Star des Turniers sein, sondern die Gruppe soll mit
       ihrem Kampf auf zwei Ebenen im Mittelpunkt stehen – einmal in der Halle.
       Dort warten bis zum Viertelfinale am 9. Dezember in Dortmund gegen
       Norwegen, Schweden oder Brasilien angenehme Kontrahentinnen. Zum anderen
       sollen die deutschen Frauen unter dem WM-Motto „Hands up for more“ für
       einen Zulauf junger Spielerinnen sorgen und Themen [2][wie die Gehaltslücke
       zwischen Frau und Mann,] Equal Play und Safe Sport weiter im öffentlichen
       Gedächtnis verankern.
       
       ## Die Breite des Kaders muss genutzt werden
       
       Vor seinem fünften Turnier als verantwortlicher Trainer war es ein
       naheliegender Kniff Gaugischs, die Blicke von Vogel wegzulenken und an das
       Team in seiner Breite zu erinnern. Mit Vogel, der Spielmacherin Alina
       Grijseels, 29 Jahre alt, und der zwei Jahre älteren Abwehrchefin Xenia
       Smits hat er nur eine dünne Achse, die höheren Ansprüchen genügt – also
       dringend Hilfe der anderen benötigt, um auf Strecke zu glänzen. Das schafft
       man im Neidbetrieb Profisport nur, wenn man auch die strahlen lässt, die
       sonst im Schatten stehen: Von Regisseurin Annika Lott erwartet Gaugisch
       viel. Den jungen Linkshänderinnen Viola Leuchter (21) und Nina Engel (22)
       traut er den internationalen Durchbruch zu.
       
       Gaugisch wird ein Turnierkonzept finden müssen, das die Breite des Kaders
       nutzt. Das war zuletzt die Schwäche einer Mannschaft, die in der
       Weltrangliste hinter ihnen Platzierte verlässlich besiegte, in der
       K.-o.-Runde dann aber an den Erfolgsgewohnten abprallte.
       
       Kommunikativ hat der DHB vor dem Turnier vieles [3][Alina Grijseels] und
       Kapitänin Antje Döll überlassen. Auch Teammanagerin Anja Althaus durfte vom
       Zusammenhalt und der Fokussierung auf das große Ziel schwärmen. Gaugisch
       war eine gewisse Skepsis anzumerken. „Unser Job ist, step by step zu gehen
       und das Viertelfinale zu erreichen“, sagte er und verwies darauf, dass es
       Gründe gebe, seit 2008 das Halbfinale verpasst zu haben: Manchmal waren es
       kopflose Minuten, dann schwache Torhüterinnen; häufig wirkten die
       jeweiligen deutschen Teams, als seien sie mit dem Erreichten schon
       zufrieden. Der Hunger fehlte. Den, sagt Gaugisch, müsse das Team schon aus
       sich selbst heraus entwickeln.
       
       26 Nov 2025
       
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