# taz.de -- Stromsteuerdebatte: Zurücksteuern ahoi!
> Der Anteil der Steuereinnahmen mit Umweltbezug sinkt seit 2005 – und mit
> der Senkung des Flugverkehrsteuer fällt er weiter.
(IMG) Bild: Auch Strom wird – im Jahresverlauf betrachtet – eine knappe Ressource bleiben
Manchmal hilft bei der Bewertung eines Gesetzes ein Blick auf die
Entstehungsgeschichte. Die Stromsteuer, im April 1999 unter der ersten
rot-grünen Bundesregierung eingeführt, war eine Kernkomponente [1][der
ökologischen Steuerreform]. Eine fiskalische Revolution.
Das Konzept war durchdacht: Man belastete den Verbrauch von Energie mit
einer Abgabe und schuf damit ökologisch motiviert Sparanreize. Das auf
diese Weise eingenommene Geld floss in die Rentenkasse und dämpfte die
Lohnnebenkosten, kam so der Wirtschaft und den Bürgern wieder zugute. Im
Gesamtpaket war das politisch gut vermittelbar. Deutschland erbrachte den
Beweis, dass ökologische Steuern durchaus Akzeptanz finden, wenn den
Mehrbelastungen an anderer Stelle transparente Entlastungen in gleicher
Höhe gegenüberstehen. So wurde die Stromsteuer ein Teil der Energiewende –
und kein schlechter.
Dann aber rotierten die Mühlen des Populismus. Politiker begannen, die
Abschaffung der Stromsteuer zum Symbol einer vermeintlich
bürgerfreundlichen Politik hochzustilisieren; die Stromwirtschaft
sekundierte nach Kräften. Noch blieb die Stromsteuer erhalten, doch für
große Unternehmen kommt der subventionierte Industriestrompreis. Zugleich
wurde – umweltpolitisch noch absurder – die Luftverkehrsteuer reduziert.
Angesichts solcher Irrungen ist es an der Zeit, das Thema Energiepreise
einmal unaufgeregt aus größerer Flughöhe zu betrachten. Ausgangspunkt ist
die Erkenntnis, dass der Staat für die Erfüllung seiner Aufgaben Geld
braucht. Betrachten wir diesen Bedarf als gegeben, klammern also Debatten
darüber, wie hoch der Staatshaushalt überhaupt sein sollte, bewusst aus,
dann lautet die Frage: Aus welchen Steuerarten soll das Geld zu welchem
Anteil stammen? Aus ökologischer Sicht ist die Antwort eindeutig: [2][Einen
möglichst großen Part seiner Einnahmen] sollte der Staat auf der Basis von
Umweltverbrauch erheben.
## Falsche Richtung
Die Bemessungsgrundlagen können vielfältig sein. Umweltsteuern können pro
Tonne CO2 oder pro verbrauchter Energieeinheit erhoben werden. Denkbar wäre
auch, die Flächenversiegelung zu besteuern oder – wie es die Schweiz
praktiziert – den Verbrauch von VOC. VOC sind flüchtige organische
Substanzen, wie Gase in Sprays, Kühlflüssigkeiten, Löse- und
Reinigungsmittel und Bestandteile von Dämm- und Schaumstoffen. Sie tragen
zum Klimawandel bei.
In Deutschland geht die Entwicklung allerdings seit Jahren in die falsche
Richtung. Im Jahr 2005 hatten die umweltbezogenen Steuern noch einen Anteil
von 12,2 Prozent an den gesamten Steuereinnahmen – ein historischer
Spitzenwert nach sieben Jahren rot-grüner Schröder-Regierung. Seither sinkt
der Anteil stetig. 2020 lag die Quote noch bei 10,2 Prozent, 2023 nur noch
bei 7,5 Prozent. Fiele die Stromsteuer weg, ergäbe sich ein weiterer
Rückgang um 0,6 Prozentpunkte.
Dass die Ökologisierung des Steuersystems seit Jahren zurückgedreht wird,
liegt auch daran, dass das einstige Projekt von Rot-Grün zunehmend von
Lobbyinteressen hintertrieben wird. Übrigens auch von jenen, die den Strom
zur Lösung aller Klimaprobleme verklären, ob im Verkehr oder im
Wärmesektor. Lobbyisten versuchen den Eindruck zu erwecken, Strom komme
einfach aus der Steckdose und stehe damit beliebig zur Verfügung – was in
manchen Stunden zwar stimmt, in anderen aber ganz und gar nicht. Die
Forderung, die Stromsteuer abzuschaffen, erwuchs in den letzten Jahren auch
aus der verqueren Argumentation heraus, dass es für Strom, weil er
inzwischen aufgrund von 60 Prozent erneuerbarem Anteil zur „guten“ Energie
mutiert sei, keine Sparanreize mehr brauche.
Doch wer wirklich die Energiewende will, sollte keine politische
Entscheidung treffen, die Energie für die Käufer billiger macht, egal um
welche Form von Energie es sich handelt. Denn auch Strom wird – im
Jahresverlauf betrachtet – eine knappe Ressource bleiben. Man sollte daher
die Stromsteuer weiterhin als Instrument nutzen, um einen sparsamen Umgang
mit elektrischer Energie zu erwirken. Wer entlasten will, sollte vielmehr
dafür sorgen, dass der Staat zumindest einen Teil der eingenommenen
Umweltabgaben zurückgibt in Form des vielzitierten Klimageldes, das einen
Fixbetrag pro Kopf darstellt. So bliebe erstens der Anreiz zum
Energiesparen erhalten. Und zweitens wäre das Konzept auch sozialpolitisch
attraktiv, weil ärmere Menschen naturgemäß – etwa, weil ihre Wohnungen
kleiner sind und weil sie weniger Autos besitzen – weniger Energie
verbrauchen als der Durchschnittsbürger. Beim Klimageld bekämen sie
folglich mehr ausgezahlt, als sie zuvor eingezahlt haben.
Energieverschwender hingegen würden draufzahlen.
## Die Schweiz
Die Bundesregierung verschanzte sich jedoch stets hinter der Ausrede, es
gebe keinen praktikablen Weg der Abrechnung für ein Klimageld. Was Humbug
ist: Schon Kleinkinder bekommen eine Steuer-ID zugewiesen. Durch Kopplung
der Zahlungen an diese Nummer ließe sich die Auszahlung kontrollieren.
[3][Die Schweiz kriegt das mit ihrer Lenkungsabgabe], die sie für CO2 und
VOC erhebt, problemlos auf die Reihe – auch wenn man einräumen muss, dass
die Schweiz einen Weg der Rückzahlung wählte, der Deutschland in dieser
Form nicht zur Verfügung steht: Die Schweiz bezahlt ihr Klimageld über die
obligatorische Krankenversicherung aus. Dort erhält in diesem Jahr jeder
Bürger einen direkten Zuschuss von 61,80 Schweizer Franken (etwa 67 Euro).
Der Betrag ist transparent und wird vom Staat offensiv kommuniziert. Jede
und jeder sieht also, dass ihre Umweltsteuern nicht irgendwo im
Staatshaushalt versacken, sondern zurückfließen.
In Deutschland redet man hingegen lieber unablässig von Klima- und
Umweltschutz, von Nachhaltigkeit sowieso, bevor das Engagement in der
politischen Realität schnell endet.
25 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://dip.bundestag.de/vorgang/gesetz-zum-einstieg-in-die-%C3%B6kologische-steuerreform-g-sig-14019018/102315
(DIR) [2] https://www.umweltbundesamt.de/daten/umweltindikatoren/indikator-umweltbezogene-steuern#wie-ist-die-entwicklung-zu-bewerten
(DIR) [3] https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/verminderungsmassnahmen/co2-abgabe/co2-abgabe-fuer-privatpersonen.html
## AUTOREN
(DIR) Bernward Janzing
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