# taz.de -- Rechtsruck in Videospiel-Communities: „Kulturkampf wird auch im Gaming ausgetragen“
> Beim Gaming zeigt sich, dass es gesellschaftlich einen Rechtsruck gibt.
> Sozialwissenschaftlerin Stürenberg über Rechtsradikale als Zielgruppe.
(IMG) Bild: Gaming: Ein Spiel kann man auch als einen sozialen Raum betrachten, in dem Menschen aufeinandertreffen
taz: Mareike Stürenburg, gibt speziell auf die Zielgruppe Rechtsradikale
zugeschnittene Videospiele?
Mareike Stürenburg: Im Indie-Sektor gibt es tatsächlich Menschen, die
rechtsextreme Spiele herstellen. So etwa in einem Entwicklungsstudio in
Österreich. Das ist eng verbunden mit der [1][Identitären Bewegung] und für
die ist das eher ein Aushängeschild, weil sie so sagen können „Schaut mal,
das können wir auch“. Aber das ist ein relativ kleiner Markt, weil das
Entwickeln von Spielen relativ teuer und aufwendig ist. Und da wäre nicht
hilfreich, wenn ein Studio ein Spiel entwickeln würde, das dann nur von
einer kleinen Gruppe von Menschen gespielt wird.
taz: Konnte man nicht eine Weile zum Beispiel das [2][Terrorattentat von
Halle] nachspielen?
Stürenburg: Ja, aber nicht in professionell entwickelten Spielen, sondern
in von Usern hergestellten Modifikationen, die etwa auf der
[3][Spielplattform Roblox] nachgebaut und dann mit anderen Usern geteilt
wurden. Das Spannende daran ist, dass man [4][schon bei dem Attentat selber
von einer Gamifizierung gesprochen hat], weil es selber Spielelemente hatte
und der Attentäter seine Tat auch live gestreamt hat.
taz: Ist es nicht auch ein Warnzeichen, dass es über 65.000 User gibt, die
sich Adolf Hitler nennen?
Stürenburg: Ja, es gibt einige Plattformen, bei denen sich User solche
Namen ausgesucht haben und das wird auch nicht beschränkt. Dies hat viel
damit zu tun, dass dieses Problem international anders gehandhabt wird als
in Deutschland. Aber im deutschsprachigen Raum findet man auch
NS-Verherrlichungen, wenn sich zum Beispiel Gaming-Gruppen nach
Panzerbataillonen aus dem Zweiten Weltkrieg benennen.
taz: Für die wäre es doch attraktiv, wenn sie im Spiel für Deutschland den
Zweiten Weltkrieg gewinnen könnten. Gibt es solche Angebote?
Stürenburg: Ja, es gibt viele Strategiespiele und Simulationen, bei denen
man auf der deutschen Seite Krieg spielen kann. Bei den meisten werden dann
eindeutige Symbole ersetzt, sodass etwa die Soldaten keine Hakenkreuze
tragen.
taz: Aber gibt es da nicht grundsätzliche Probleme?
Stürenburg: Ja, kürzlich kam etwa ein Simulationsspiel auf den Markt, bei
dem man Schlachten und ganze Nationen steuern kann und Deutschland ist da
eine spielbare Fraktion, bei der aber der [5][Holocaust] konsequent
ausgeklammert ist. Der Spielehersteller wollte dieses sensible Thema nicht
spielbar machen, was ja für sich auch sinnvoll ist. Aber so wurde ein Bild
vom Nazi-Deutschland erweckt, das so wirkt, als hätte Deutschland den Krieg
auch ohne die vielen Enteignungen der Juden und diese enorme Vernichtung so
führen können.
taz: Ist es nicht auf einer anderen Ebene sehr problematisch, dass Leute,
die einfach nur spielen wollen, zu Zielen von Hass im Netz werden?
Stürenburg: Ja, [6][man kann ein Spiel auch als einen sozialen Raum
betrachten], in dem Menschen aufeinandertreffen und da gibt es sehr viel
Hassrede, aber auch gezielte politische Einflussnahmen unter den
Spielenden. Da wird der Kulturkampf auch im Gaming ausgetragen. Die neue
politische Rechte hat das als einen Raum für sich entdeckt, um die eigene
Ideologie zu verbreiten.
taz: Und wer wird da besonders oft beschimpft?
Stürenburg: Das trifft oft [7][marginalisierte Menschen]. Zum Beispiel
Frauen, weil die sich nicht gut tarnen können. In vielen Caming-Communities
ist Sexismus noch sehr verbreitet. Und dann geht es auch um Namen oder
Akzente. Im Amerikanischen wird da von linguistic profiling gesprochen.
taz: Ist nach Ihrer Meinung also der Rechtsextremismus im Gaming auf dem
Vormarsch?
Stürenburg: Ich denke nicht, dass das Gaming selber gefährlich ist oder die
User eine gefährliche Gruppe sind. Da kann man ganz schnell Stereotypen
aufsitzen. Aber auch beim Gaming merkt man, dass es [8][gesellschaftlich
gerade einen Rechtsruck gibt] und dass rechte Ideologen versuchen, ihn bei
Videospielen, in Videospiel-Communities und auf Videospielplattformen
voranzutreiben. Man versteht sie als unpolitische Räume, aber das sind sie
eben nicht.
taz: Spielen Sie denn selber auch?
Stürenburg: Tatsächlich ja, schon seit ich klein bin. Obwohl ich mich
selber jetzt beruflich damit auseinandersetze, bin ich es immer noch nicht
leid. Bei mir kam erst das Hobby und dann das wissenschaftliche Interesse.
11 Nov 2025
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