# taz.de -- Skandalschlachthof Bad Iburg: Noch eine Bewährungsstrafe für den Metzger
> Der Ex-Chef des stillgelegten Bad Iburger Schlachthofs Temme soll ohne
> Lebendbeschau geschlachtet haben. Die Soko Tierschutz beklagt mangelnde
> Härte.
(IMG) Bild: Tierleid dokumentiert: Aktivisten protestieren vor dem Amtsgericht Bad Iburg
Als Angeklagter vor Gericht zu stehen, im Verfahrenskomplex zum 2018
veterinäramtlich stillgelegten Horror-Rinderschlachthof Temme im
niedersächsischen Bad Iburg, ist Heinrich Wilhelm B., dessen
Ex-Geschäftsführer, mittlerweile gewohnt.
Ebenso, dass Friedrich Mülln dabei unter den Zuschauenden sitzt, der Leiter
der Münchner Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz, die die Missstände bei
Temme vor sieben Jahren durch schockierendes Undercover-Videomaterial
aufgedeckt hat.
Als B. im Herbst 2022 vom Amtsgericht Bad Iburg wegen Verstoßes gegen das
Tierschutzgesetz in 58 Fällen zu einer Gesamt-Freiheitsstrafe von zwei
Jahren verurteilt wird, auf Bewährung, stürmt Mülln türenknallend aus dem
Saal. Sein Urteil damals über das in seinen Augen viel zu milde Urteil:
„Lächerlich!“
Letzten Freitag, als B. in Bad Iburg erneut in Sachen Temme vor Gericht
steht und eine zweite Gesamt-Freiheitsstrafe kassiert, diesmal wegen
gewerbsmäßigen Betrugs in 37 Fällen, ein Jahr und zehn Monate, plus 7.200
Euro Geldstrafe, winkt Mülln nur noch ab.
## Dubiose Sondergenehmigung
„Fürs Türenknallen habe ich keine Energie mehr“, sagt er der taz. „Erneut
haben wir hier Staatsanwalt Lustlos und Richter Mutlos erlebt. Das Urteil
ist eine Katastrophe!“ Schon die Tierschutzvergehen habe der Staat nicht
angemessen bestraft. Jetzt habe er auch noch darin versagt, die
wirtschaftskriminellen Aspekte effektiv zu ahnden. „Die Menschen, die hier
Illegales getan haben, wissen jetzt: Wir haben Narrenfreiheit“, schimpft
Mülln.
[1][Kern des finalen Prozesstages ist eine dubiose Sondergenehmigung]. Das
Veterinäramt habe dem Schlachthof erlaubt, bis zu zehn Tiere am Tag auch
ohne eine amtstierärztliche Lebendtierbeschau zu schlachten, hatte B.`s
Vorgänger ausgesagt; Beweise dafür gibt es keine. Unbestreitbar ist laut
Soko-Videomaterial: Oft waren vor der Schlachtung keine Tierärzte vor Ort,
obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist.
Eine Sondergenehmigung? Vier Amtstierärzte, einst für Temme zuständig,
sagen dazu als Zeugen aus. Ihr häufigstes Wort dabei ist: „Nein!“ Ausnahmen
seien nicht erlaubt, habe es nicht gegeben.
„Ohne Lebendtierbeschau geht es gar nicht“, wehrt einer von ihnen ab. „Es
gibt ja Krankheiten, die man nur bei lebenden Tieren erkennen kann.“ Temme
sei ein „Problemschlachthof“ gewesen, sagt ein anderer.
Was bleibt, sind Unklarheiten. Gab es nun eine Sondergenehmigung oder
nicht? Wenn ja, warum? Außerdem wäre sie illegal gewesen. Wenn nein, hätte
den Ärzten spätestens bei der Schlachtfleischuntersuchung für den
Tauglichkeitsstempel auffallen müssen, dass mehr Fleisch vorliegt als hätte
vorliegen dürfen. Gemeldet wurden solche Diskepanzen nie.
Jürgen Restemeier, der Verteidiger von B., fordert einen Freispruch. Sein
Mandant habe gedacht, er mache alles richtig, habe sich auf das [2][Tun der
Tierärzte] verlassen.
Richter Edmund Jahner nimmt B. das nicht ab. Er habe gewusst, dass Fleisch
ohne Lebendtierbeschau nicht in den Nahrungsmittelverkehr gelangen dürfe.
Eine Absprache zwischen Veterinäramt und Schlachthof, stellt das Gericht
fest, habe es nicht gegeben. Die Fleischabnehmer hätten darauf vertraut,
dass ordnungsgemäß verfahren werde und seien von B. getäuscht worden.
Trotzdem hat B. Glück. Die meisten der 107 ihm vorgeworfenen Betrugsfälle
werden fallengelassen, aus Mangel an Beweisen.
Der Prozess habe ein [3][Totalversagen zutage treten] lassen, findet die
Soko Tierschutz. Sie bilanziert: „Ein Geschäftsführer, der ausgiebig
Gesetzte ignoriert, Mitarbeiter, die sich in Gewaltexzessen verlieren,
Veterinäre, die systematisch bei der Vertuschung helfen.“
Vor dem Amtsgericht hatten AktivistInnen der Soko „Gefängnis für den
Tierquäler!“ gefordert. Auf einigen Schildern stand: „Da's bei Hunden
klappt: 2 ½ Jahre Knast.“ In der Tat hat das Gericht vor wenigen Wochen
einen Hundehalter zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt wegen
Verwahrlosung seiner Tiere. Im Vergleich zu ihm ist B. erstaunlich
glimpflich davongekommen.
Die [4][Soko Tierschutz geht davon aus], dass die Sondergenehmigung
existierte. Ende letzter Woche hat sie nochmal nachgelegt – mit einer neuen
Strafanzeige gegen weitere Amtsveterinäre des Landkreises Osnabrück wegen
des Verdachts auf Beihilfe zum schweren gewerbsmäßigen Betrug.
Viel Hoffnung hat Mülln für das Verfahren nicht.
16 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Prozess-um-Horror-Schlachthof-Bad-Iburg/!6125090
(DIR) [2] /Freispruch-nach-Tierschutz-Skandal/!5908002
(DIR) [3] /Gruene-Ministerin-ueber-Schlachthoefe/!6045740
(DIR) [4] https://www.soko-tierschutz.org/
## AUTOREN
(DIR) Harff-Peter Schönherr
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