# taz.de -- NDR-Hörspielfassung von „Halbinsel“: Der Kollaps der überhöhten Tochter
       
       > Kristine Bilkau hat für den NDR ein Hörspiel aus ihrem preisgekrönten
       > Roman „Halbinsel“ geschaffen. Der gewinnt dadurch an Intensität.
       
 (IMG) Bild: Untergangsstimmung am Watt: Multiple Krisen prägen die Atmosphäre in Kristine Bilkaus „Halbinsel“
       
       Was wird aus uns, wenn unsere Kinder groß sind – und was wird aus ihnen,
       wenn wir sie loslassen müssen in eine Welt, die sich zunehmend unfreundlich
       zeigt? Diese Fragen treiben Kristine Bilkaus Romanfigur Annett um.
       Halbinsel, 2025 erschienen, erzählt auf 244 Seiten von ihr – einer Mutter,
       [1][die zwischen Angst, Hoffnung und Verantwortung oszilliert].
       
       Nun hat der NDR das in diesem Jahr mit dem Leipziger Buchpreis
       ausgezeichnete Werk in ein Hörspiel verwandelt. Annett, Ende 40,
       stellvertretende Leiterin der Stadtbibliothek einer nordfriesischen
       Kleinstadt, hat vor 20 Jahren ihren Mann durch eine Herzattacke verloren.
       
       Ihre Tochter Linn hat sie seitdem allein großgezogen. Die ist mittlerweile
       auch erwachsen und hat sich nach dem Abitur voller Idealismus aufgemacht in
       die weite Welt: schwedische und rumänische Wälder, Aufforstungsprojekte,
       Umweltvolontariate.
       
       Für ihre Mutter ist sie Inbegriff von Zukunft. Bis die Mittzwanzigerin auf
       einer Tagung aus Erschöpfung zusammenbricht. Annett holt sie zurück nach
       Hause, nur für eine Woche, glaubt sie – doch es wird ein ganzer, nicht ganz
       harmonischer, Sommer.
       
       ## Die Arbeit der Autorin
       
       Erstmals überhaupt wurde ein Roman der Hamburger Autorin als Hörspiel
       umgesetzt, und Kristine Bilkau hat dafür selbst Hand an ihr eigenes Werk
       gelegt, hat es verdichtet, mutig gekürzt und zugleich einzelne Figuren
       stärker profiliert.
       
       Johann etwa, der verstorbene Ehemann von Annett gewinnt im Hörspiel an
       Kontur und Tiefe. In wichtigen Momenten, Momente, in denen Annett alles
       über den Kopf zu wachsen droht, erklingt seine Stimme nicht als Geist,
       sondern als Nachhall jener Fragen, die die Witwe seit zwei Jahrzehnten
       begleiten.
       
       Schon die ersten Sekunden ziehen hinein in Annetts Schicksalsschlag.
       Klaviermusik legt einen düsteren Klangteppich, während die [2][Nachricht
       vom Kollaps der Tochter einbricht]. Geräusche wie Straßenbahnrumpeln,
       Hundebellen oder das ferne Murmeln von Passanten öffnen die Szenen nach
       außen, ohne sie zu überfrachten.
       
       In den gesamten 80 Minuten Lauflänge bleibt der Ton intim, ruhig und
       atmosphärisch. Pausen und Zurückhaltung prägen den Klang. Stimmen wirken
       nah, fast schon nach innen gerichtet, mit feinen emotionalen Nuancen.
       
       Die Soundkulisse unterstützt die fragile, nachdenkliche Stimmung zwischen
       Nähe, Zweifel und unterschwelliger Spannung. Maja Schöne leiht Annett ihre
       Stimme – eindringlich, brüchig. Selbst ohne Hintergrundgeräusche
       transportiert diese Stimme eine ganze Szene.
       
       Lucia Kotikova wiederum lässt in jedem Satz Linns Idealismus und
       Erschöpfung zugleich durchscheinen. So entsteht ein Hörraum, der die
       Grundspannung des Romans – Liebe, Erwartung, Überforderung – akustisch
       spürbar macht.
       
       Kristine Bilkau, 1974 in Hamburg geboren, hat Geschichte und Amerikanistik
       in Hamburg und New Orleans studiert. Ihr Debüt „Die Glücklichen“ (2015)
       wurde vielfach ausgezeichnet, „Nebenan“ (2022) [3][stand auf der Shortlist
       des Deutschen Buchpreises].
       
       „Halbinsel“ schließlich überzeugte die Jury der Leipziger Buchmesse 2025:
       Der „bilkausche Ton“ – ruhig, präzise, kein Wort zu viel – lege Schichten
       von Fragen frei, „die verunsichern“, begründete die Jury ihre Entscheidung
       im Sommer. Genau dieser Ton gewinnt im Hörspiel noch an Intensität.
       
       18 Nov 2025
       
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