# taz.de -- Trans Day of Remembrance: Vom Frühwarnsystem zur Randnotiz
       
       > Zum Trans Day of Remembrance gibt es neue Zahlen: 281 trans Menschen
       > wurden im letzten Jahr getötet. Die Community braucht mehr mediale
       > Aufmerksamkeit!
       
 (IMG) Bild: Weltweit protestieren Demonstrierende für die Sichtbarkeit von trans Personen, wie hier im Zentrum von São Paulo, Brasilien
       
       Zu Beginn des Rechtsrucks mussten [1][trans Personen] oft als
       Frühwarnsystem herhalten. Das Motto im medialen Diskurs: Ja, es wird
       schlimm werden für uns, aber schaut mal auf die, für die ist es jetzt schon
       schlimm. Danke, die Analyse stimmt, aber mehr Solidarität folgte daraus
       nicht.
       
       Von der Relevanz, die die trans Community Mitte der 2010er Jahre circa
       genoss, ist – offenbar sind alle zu sehr mit anderen Themen beschäftigt –
       nicht mehr viel spürbar. Da überrascht es auch kaum, dass dieses Jahr weder
       über die Transgender Awareness Week noch den [2][Trans Day of Remembrance]
       großartig berichtet wurde.
       
       281 ermordete trans Personen hat das [3][Trans Murder Monitoring] von
       Oktober 2024 bis September 2025 gezählt. Es ist einer der wenigen Berichte
       zum Thema und wird jährlich von der Organisation Trans Europe and Central
       Asia (TGEU) herausgegeben. Dafür sucht und analysiert die TGEU weltweit
       Berichte über die Tötung von trans Personen. 281 Tote, das sind zwar nicht
       ganz so viele wie im Vorjahr, aber das beutetet laut der TGEU nicht, dass
       sich die Situation für trans Personen global verbessert hat. Viel eher
       hängt die Zahl wohl mit dem sinkenden Medieninteresse über diese Morde
       zusammen. Wenn es weniger Berichte gibt, dann lässt sich auch weniger
       zählen.
       
       Das Zählen von Menschen, die transfeindlicher Gewalt zum Opfer fallen, ist
       nicht neu, [4][selbst Wikipedia führt eine Liste]. Die American Medical
       Assosiation bezeichnete 2019 die Gewalt an trans Personen als Epidemie.
       
       ## Wer ist trans?
       
       Insgesamt hat die TGEU seit dem Jahr 2005 weltweit 5.322 Morde an trans
       Personen gezählt. Eine hohe Dunkelziffer ist, wie bei vielen
       Gewaltstatistiken, zu erwarten. Eine weitere Ebene ist die Frage, ab wann
       man in solchen Statistiken als trans gilt.
       
       Dass trans Personen ihr Trans-Sein abgesprochen wird oder sie oft in ihrer
       Identität nicht ernst genommen werden, zeigt wieder einmal der aktuelle
       Fall einer Düsseldorfer Polizeikommissarin. Ihr wird von ihrem eigenen
       Polizeipräsidium vorgeworfen, aus rein strategischen Gründen ihren
       Personenstand geändert zu haben. Aber: In welcher Welt ist es einfacher,
       als trans Frau zu leben, als als cis Mann? Definitiv nicht in unserer. Auch
       wenn manche mediale Berichterstattung zum Selbstbestimmungsgesetz und die
       Debatten darum diesen Eindruck erwecken wollen. Hier braucht es dringend
       mehr Aufklärung über die tatsächlichen Lebensrealitäten von trans Menschen!
       
       Wie immer am häufigsten von transfeindlicher Gewalt betroffen sind
       Sexarbeiter:innen. Sie machen im Trans Murder Monitoring 34 Prozent der
       Getöteten aus. Aufgrund von Marginalisierung und Fetischisierung finden
       viele trans Personen nur in der Sex-Industrie eine Möglichkeit, Geld zu
       verdienen. In welch vulnerabler Position viele Sexarbeiter:innen sind,
       zeigt auch eine andere Zahl: Von 2002 bis 2025 wurden in Deutschland 88
       Sexarbeiter:innen getötet und 50 Mal wurde versucht eine zu töten.
       
       Ebenfalls wenig überraschend: 88 Prozent der Ermordeten im Trans Murder
       Monitoring sind nicht weiß. Wie immer spielt Mehrfachdiskriminierung bei
       Übergriffen eine große Rolle. Wachsender Rassismus, Streichung von
       Bildungsprojekten und Schließung von Schutzorten sind eine Frage von Leben
       und Tod. Und sie zeigen, in wessen Interesse Politik gemacht wird.
       
       Insgesamt sind es auch vor allem junge Menschen. Die Hälfte sind unter 30
       und 5 Prozent sogar unter 18 Jahre alt, also Kinder und Jugendliche. Wieso
       schreckt diese Nachricht nicht mehr Menschen auf? Wieso ist diese Nachricht
       generell keine Nachricht wert?
       
       Und fast alle Morde (knapp 90 Prozent) wurden an trans weiblichen Personen
       verübt, sind damit also auch Femizide. Obwohl trans Frauen immens unter
       Gewalt leiden, werden sie weder am 8. März noch am 25. November, dem
       internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, ins Zentrum gerückt.
       
       Diese Zahlen sind nur der Beweis für das, was viele in der trans Community
       eh schon wussten: Diese Gesellschaft hat kein Interesse, trans Personen zu
       schützen. Period.
       
       Genau deswegen braucht es Aktivist:innen, die das ändern wollen. Aber: die
       Gruppe, die nach Sex:arbeiter:innen am häufigsten Zielscheibe
       transfeindlicher Gewalt wird, sind Aktivist:innen und prominente
       Figuren in der trans Bewegung. Das passt ausgezeichnet zu einer weiteren
       Beobachtung der TGEU. Die hat zum ersten Mal in der Geschichte mehr Rück-
       statt Fortschritt in Bezug auf trans Belange verzeichnet. Diese historisch
       einmalige Dimension sollte jede Person aufschrecken lassen, die ein
       Interesse daran hat, dass trans Menschen in dieser Welt existieren können.
       Auf den Staat ist kein Verlass, der regt sich lieber über das „Stadtbild“
       auf. Also müssen wir selbst tätig werden, um Trans-sein (über-)lebbar zu
       machen.
       
       Dank mutiger trans Aktivist:innen finden trotz erstarkender rechter
       Kräfte überall im Land Gedenkveranstaltungen und Demos statt. Allein in
       Baden-Württemberg elf. Doch die Medien interessieren sich mittlerweile nur
       noch für trans Themen, wenn Nazis aus transfeindlichen Motiven vom
       Selbstbestimmungsgesetz Gebrauch machen oder Polizeipräsidien ihre eigenen
       Leute verdächtigen.
       
       Selbst als die Stadtbild-Debatte tobte, kam außer queer.de kein Medium auf
       die Idee, die Perspektiven von trans Personen zu berücksichtigen. Als sei
       die trans Community als relevante Gruppe in der Gesellschaft irgendwann
       nach 2017 einfach von der Bildfläche und damit aus den Köpfen vieler, auch
       Medienschaffender, verschwunden. Außer in Gewaltstatistiken. Das muss die
       Medienbranche ändern.
       
       Wo sind die wichtigen Porträts von trans Ikonen, die es vor einigen Jahren
       gab? Was ist mit positiven Berichten von trans Personen, die tagtäglich in
       ihren Communitys etwas bewegen? Wo bleibt die Anerkennung für alle trans
       Menschen, die sich in diesem gesellschaftlichen Klima trauen, in die
       Offensive zu gehen und gegen Transfeindlichkeit zu kämpfen?
       
       20 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Transgender/!t5010122
 (DIR) [2] /Tag-gegen-Transfeindlichkeit/!6130761
 (DIR) [3] https://tgeu.org/trans-murder-monitoring-2025-reveals-new-trend-in-anti-trans-violence-systematic-targeting-of-activists-and-movement-leaders/
 (DIR) [4] https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_people_killed_for_being_transgender
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Raweel Nasir
       
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