# taz.de -- CDU vor der Landtagswahl Sachsen-Anhalt: Hauptsache geschlossen auftreten
       
       > Die CDU Sachsen-Anhalt wählt Sven Schulze zum Spitzenkandidaten. Bei eher
       > düsteren Aussichten für die Wahl 2026 heißt es: Lieber leise kritisieren.
       
 (IMG) Bild: Sven Schulze (CDU) fährt fast ohne Frauen in den Wahlkampf
       
       Am Ende seiner Rede gibt Sven Schulze ein Versprechen. Beide Hände auf das
       Pult gestützt, sagt er mit ruhiger Stimme: „Wir werden diese Wahl
       gewinnen!“ Einfach wird das nicht, aber was soll Schulze als designierter
       Spitzenkandidat sonst sagen? Im kommenden Jahr wird in Sachsen-Anhalt ein
       neuer Landtag gewählt, in Umfragen liegt die AfD deutlich vor Schulzes CDU.
       Es scheint nicht einmal mehr ausgeschlossen, dass die rechtsextreme Partei
       die absolute Mehrheit holt.
       
       Der amtierende CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff tritt nicht mehr an.
       Der CDU-Landesvorsitzende [1][Schulze, bislang Wirtschaftsminister] in
       Sachsen-Anhalt, soll an diesem Samstagvormittag offiziell auf Listenplatz 1
       gewählt werden. Die Landesvertreterversammlung tagt im Hotel der Motorsport
       Arena Oschersleben. Selbst durch die geschlossenen Fenster dröhnen immer
       wieder Motorengeräusche von der anliegenden Rennstrecke.
       
       Von den Delegierten bekommt Schulze anhaltenden Beifall. Aber kann er
       halten, was er verspricht? Er geht ohne den Bonus des derzeitigen
       Ministerpräsidenten ins Rennen. Obwohl er Wirtschaftsminister ist, gilt er
       als unscheinbar und farblos. In einer Umfrage von Infratest dimap gaben im
       September 44 Prozent in Sachsen-Anhalt an, ihn nicht zu kennen. Bis 2021
       war er Abgeordneter im Europäischen Parlament, Brüssel ist weit weg. Zu
       seiner Bekanntheit in Sachsen-Anhalt hat es sicher nicht beigetragen.
       
       ## „Bitte enttäuscht mich nicht“
       
       Seine Rede am Samstag lässt zudem erahnen, warum er nicht als großer
       Charismatiker bekannt ist. Schulze spricht kleinteilig und beinahe
       gleichmütig. Zu Beginn geht er zurück ins Jahr 2002, als die CDU nach acht
       Jahren Unterbrechung zum ersten Mal wieder in Sachsen-Anhalt regierte,
       erinnert dann an die lange Regierungszeit Haseloffs seit 2011. Im Anschluss
       rattert Schulze eine Liste der Probleme runter, die er angehen will:
       Ausbildungsplätze, ärztliche Versorgung, Verwaltungsreform.
       
       Um die Schwäche von Schulze weiß offenbar auch Haseloff. Der
       Ministerpräsident steht am Samstag kurz vor Schulze auf der Bühne und
       appelliert eindringlich an die Delegierten, an diesem Samstagvormittag für
       Schulze zu stimmen. Er solle mit einem Ergebnis losgeschickt werden, „dass
       die Menschen im Lande wissen: Wir sind nicht für irgendeinen Platz
       angetreten, sondern dieser Spitzenkandidat ist unser Signal, dass wir
       Nummer 1 bleiben“, sagt Haseloff. „Bitte enttäuscht mich nicht.“
       
       Es gehe es dabei nicht nur um die Union, so Haseloff weiter. „Wenn die CDU
       politisch nicht Erfolg hat, wird es ganz schwierig für unser Land“. Der
       Ministerpräsident hat eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch
       ausgeschlossen, [2][eindringlich warnt er vor der rechtsextremen Partei].
       Eine ähnliche Linie vertritt auch Schulze. Die AfD werde keines der
       wichtigen Probleme in Sachsen-Anhalt lösen. Sie habe auch in der Opposition
       gezeigt, dass sie keine Verantwortung wahrnehme, sagt Schulze. Er will nach
       der Landtagswahl weder mit der AfD noch mit der Linkspartei
       zusammenarbeiten. Wenige Minuten nach seiner Antrittsrede geben ihm 90 von
       99 Delegierten ihre Stimme: 90,9 Prozent. Nur neun Nein-Stimmen, das ist
       ein gutes Ergebnis. Aber beflügelt wirken die Delegierten in Oschersleben
       nicht.
       
       ## Imitation oder Aufbruch?
       
       Für Benjamin Höhne, Parteienforscher an der TU Chemnitz, hat das Ergebnis
       nur eine begrenzte Aussagekraft über die Rückendeckung für Schulze in der
       eigenen Partei. Allen sei schließlich klar, dass die Listenaufstellung
       schon Teil des Wahlkampfs ist. „Das heißt, die Parteien achten stärker
       darauf, geschlossen aufzutreten.“ Höhne sagt, eine Wahl zum Landeschef wäre
       ehrlicher. Bei Schulze ist die schon ein bisschen her: 2023 bekam er gerade
       mal 74 Prozent.
       
       Die CDU, so Höhne, stehe vor einer schweren Aufgabe: „Aus einer Position
       der Stärke“ sei es einfacher gewesen, sich als solide Problemlöserin
       anzubieten. „Aber derzeit ist die [3][CDU die elektoral schwächere
       Partei].“ Er warnt davor zu versuchen, der AfD ihre Themen wegzunehmen,
       nach dem Motto: Wenn die CDU sich um die Migration kümmert, brauche niemand
       die AfD zu wählen. „Dabei wird oft verkannt, dass die AfD von einer
       rhetorischen Annäherung der CDU profitieren kann.“ Wenn die CDU einfach
       Themen übernehme, wirke das wie nur eine Imitation, „zumal die AfD oft noch
       eine härtere Linie fordert“.
       
       Was also sollte die CDU tun? Höhne nennt mehrere Punkte: Gerade
       Regierungsparteien müssten „politische Trägheit“ überwinden und im Dialog
       vor Ort zeigen, was sie wirklich verändern wollen. Und sie brauche ein
       „attraktives personelles Angebot“, glaubt Höhne. Damit könnten
       Wähler*innen mehr anfangen, „als wenn da eine Funktionärsmannschaft
       fortgeschrittenen Alters antritt“.
       
       ## Schlechte Chancen ohne Direktmandate
       
       Genau dieses personelle Angebot hatte im Vorfeld für Aufregung gesorgt. Bei
       dem Vorschlag, den der Landesvorstand vorgelegt hat, findet sich auf Platz
       zehn die erste Frau, auf den ersten 20 Plätzen stehen gerade mal drei
       Christdemokratinnen. Das widerspricht den Regeln, die sich die Bundespartei
       gegeben hat, in Sachsen-Anhalt aber setzt man allein auf den
       Regionalproporz.
       
       Schon bei [4][der Landtagswahl 2021] hatte es einen ähnlich geringen
       Frauenanteil auf der Liste gegeben, allerdings stand die erste Frau
       wenigstens auf Platz zwei. Auswirkungen hatte das nicht, weil die Liste gar
       nicht gezogen hat: Alle Abgeordnete sind über die Direktmandate in den
       Landtag eingezogen. Das wird im kommenden Jahr wohl anders sein. Es ist
       davon auszugehen, dass die AfD 2026 zahlreiche dieser Direktmandate holen
       wird.
       
       Aus Ärger über die wenigen vorgeschlagenen Frauen und der eigenen
       Platzierung auf 37 hatte die ehemalige Bildungsministerin Eva Feußner ihre
       Kandidatur für einen Listenplatz zurückgezogen. Die mangelhafte
       Berücksichtigung sei „demütigend“ für die Frauen in der CDU, sagt sie am
       Samstag – und ist damit die einzige, die offen Kritik äußert. Die CDU müsse
       den Anspruch haben, die Gesellschaft so abzubilden, wie sie ist, so Feußner
       weiter.
       
       ## Die Stimmen der Frauen
       
       Noch vor der ersten Frau stehen aber zwei Landtagsabgeordnete auf der
       Vorschlagsliste, die schon mehrfach medial für Aufmerksamkeit gesorgt
       haben. Lars-Jörn Zimmer (Listenplatz 4) und Ulrich Thomas (Listenplatz 6)
       haben beide gefordert, die Abgrenzung zur AfD aufzuweichen. In einem
       mehrseitigen Papier formulierten sie dazu 2019 unter anderem, es müsse
       gelingen, „das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen“. Am Samstag
       erhielten sie beide zwar eher schlechte Ergebnisse – aber gute
       Listenplätze.
       
       Für Ärger hatte auch gesorgt, dass Markus Kurze auf Platz 8 platziert
       werden sollte. Kurze war im Sommer als parlamentarischer Geschäftsführer
       der Landtagsfraktion nach Belästigungsvorwürfen zurückgetreten, er selbst
       hatte sein Verhalten als verunglückten Handkuss entschuldigt. Erst als
       Kurze im ersten Wahlgang mit 42 Prozent Zustimmung ohne
       Gegenkandidat*in durchfällt, bekommt er Konkurrenz: die
       Landtagsabgeordnete Sandra Hietel-Heuer, die eigentlich erst für Platz 32
       vorgesehen war, tritt gegen ihn an. Und sie gewinnt, Kurze steht am Ende
       nicht auf der Liste.
       
       Mit Blick auf die wenigen Frauen auf der Liste sagt Ex-Ministerin Feußner:
       „Wenn wir um die Stimmen von Frauen werben wollen, ist das kein gutes
       Zeichen.“ Ohne die Stimmen der Frauen aber wird die CDU die Wahl im
       kommenden Jahr kaum gewinnen können.
       
       1 Nov 2025
       
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