# taz.de -- Kreislaufwirtschaft: Deutschland verschläft Phosphor-Recycling
       
       > Der Stoff steckt etwa in Dünger und wird oft importiert – zunehmend aus
       > Russland. Die Kläranlagen sollen ihn zurückgewinnen. Das läuft aber kaum
       > an.
       
 (IMG) Bild: Konventionelle 3-stufige Kläranlage in Weilerswist, Nordrhein-Westfalen
       
       Deutschland wird seine selbst gesetzten Ziele zur Rückgewinnung von
       [1][Phosphor] wohl verfehlen, weil nicht genügend Anlagen zur Verfügung
       stehen. Damit bleibt die Bundesrepublik länger als geplant von der
       Versorgung durch Importe abhängig, unter anderem aus Russland.
       
       Phosphor spielt als zentraler Pflanzennährstoff eine wichtige Rolle als
       Dünger in der [2][Landwirtschaft] und somit der Ernährungssicherheit in
       Europa. Experten beunruhigt nicht nur, dass natürliche Vorkommen in
       Marokko, China oder Ägypten sich zunehmend rasch erschöpfen. Das Thema hat
       auch eine geopolitische Dimension, weil rund ein Viertel der europäischen
       Phosphorimporte aus Russland stammt – mit zuletzt steigender Tendenz.
       
       Um unabhängiger zu werden und den kritischen Rohstoff Phosphor effizienter
       zu nutzen, hatte die Bundesregierung 2017 die Klärschlammverordnung
       beschlossen. Sie sieht vor, dass Phosphor aus Klärschlamm oder
       Klärschlammasche rückgewonnen wird. Dies gilt ab 2029 für alle kommunalen
       Kläranlagen, wenn ihr Klärschlamm mindestens 20 Gramm Phosphor je Kilogramm
       Trockenmasse enthält. Ausgenommen davon sind nur sehr kleine
       Abwasserbehandlungsanlagen, mittelgroße haben eine Übergangsfrist bis 2032,
       wenn sie ihren Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Flächen ausbringen.
       
       „Zurzeit gibt es noch keine großtechnische Phosphor-Rückgewinnungsanlage
       aus Asche in Deutschland, die kontinuierlich im Regelbetrieb läuft“, sagt
       Tabea Knickel, Geschäftsführerin des Branchennetzwerks Deutsche
       Phosphor-Plattform. Verschiedene Technologien stehen zur Verfügung und
       werden teils im Versuchs-, teils im Pilotanlagen-Status betrieben.
       
       ## Auf den Klärschlamm kommt es an
       
       Dabei [3][wird Klärschlamm oftmals verbrannt] und der Phosphor dann aus der
       Asche zurückgewonnen. Wenn der Klärschlamm eine gute Qualität aufweist, ist
       es ein wenig aufwendiger Prozess, eine Klärschlammasche herzustellen, die
       Düngemittelqualität aufweist. Das gilt allerdings nicht für alle
       Klärschlämme.
       
       Sind sie stärker belastet, müssen sie aufwendiger verarbeitet werden.
       Knickel geht von rund 1,3 Millionen Tonnen Klärschlamm Trockenmasse
       jährlich aus, die der Phosphor-Rückgewinnungspflicht unterliegen. 2029,
       schätzt sie, werden in Deutschland nur 20 bis 25 Prozent davon einer
       Rückgewinnung zugeführt.
       
       Während das Umweltbundesamt den Einsatz von Klärschlamm als Düngemittel
       wegen möglicher Schadstoffbelastung stets kritisch sah, hält man die
       Verwendung von aus der Asche des Klärschlamms zurückgewonnem Phosphat für
       unabdingbar. Je nach angewandter Technik entstehe hierbei sehr reiner
       Phosphor in guter Qualität, der sich als Düngemittel oder Ausgangsstoff der
       Chemieindustrie eigne.
       
       „Jeder Klärschlamm und entsprechend jede Asche ist anders. Beide sind mehr
       oder weniger intensiv mit Schwermetallen belastet, beim Klärschlamm können
       zusätzlich die Ewigkeitschemikalien PFAS und andere Schadstoffe vorhanden
       sein“, sagt Knickel, „insofern wird jede Anlage auf die Verhältnisse vor
       Ort zugeschnitten, komplett neu gedacht und geplant werden.“ Von der
       Planung bis zur Inbetriebnahme dauere es daher einige Jahre. Soll heißen:
       Selbst wenn eine Kommune jetzt mit der Planung einer Anlage anfängt, wird
       sie 2029 nicht im Regelbetrieb laufen.
       
       Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt die Kläranlagenbetreiber,
       die die Phosphorrückgewinnung umsetzen müssen. „Die Kommunen und ihre
       Betriebe können noch nicht planen, weil noch keine großtechnischen Anlagen
       zur Verfügung stehen“, sagt ein VKU-Sprecher. Zudem müssten nicht nur die
       Anlagen zur Verfügung stehen, die Kommunen müssten die Verwertung ihrer
       Klärschlämme auch rechtssicher ausschreiben. „Für ein Vergabeverfahren
       benötigen wir konkrete Preise und Anbieter“, so der Sprecher, „auch die
       sind noch nicht verfügbar.“ Der VKU fordert daher eine „wirtschaftlich
       vertretbare und rechtssichere Übergangslösung“ für das Inkrafttreten der
       Klärschlammverordnung.
       
       ## Umweltministerium will Fristen nicht verschieben
       
       Das zuständige Bundesumweltministerium hält eine „Verschiebung der Pflicht
       zur Phosphorrückgewinnung jedoch für keine zielführende Option“, wie ein
       Sprecher mitteilt. „Positive Entwicklungen in der Branche würden gehemmt,
       Verunsicherung verstärkt.“ Kommunen und Unternehmen, die bereits investiert
       hätten und deren Umstellung weit vorangeschritten sei, würden
       benachteiligt.
       
       Investiert in Deutschland haben bislang der Lünener Entsorgungskonzern
       Remondis in Zusammenarbeit mit Hamburg sowie das Berliner Unternehmen
       Easymining, eine Tochter des schwedischen Abfallkonzerns Ragn-Sells, in
       Zusammenarbeit mit Gelsenwasser, dem Abwasserbetrieb von Gelsenkirchen.
       Easymining und Gelsenwasser bauen im sachsen-anhaltischen Schkopau eine
       Anlage mit einer Jahreskapazität von 30.000 Tonnen Klärschlammasche pro
       Jahr. 2027 soll sie in Betrieb gehen. Weitere Anlagen sind in Planung.
       
       Die einzige großtechnische Anlage zur Phosphorrückgewinnung aus
       Klärschlammaschen, die in Deutschland schon gebaut wurde, steht in Hamburg
       und wird von der städtischen Hamburg Wasser und Remondis betrieben. Vor
       sechs Jahren war Baubeginn, doch noch immer läuft die Anlage nicht im
       Regelbetrieb und ist wegen Preisexplosionen inzwischen ins Visier des
       Hamburger Bundes der Steuerzahler gerückt.
       
       „Technische Anpassungen bei solchen Pionierprojekten sind gewöhnlich
       erforderlich, weil sich die Herausforderungen einzelner chemischer
       Verfahrensschritte erst in der großtechnischen Umsetzung zeigen“, kontert
       die Hamburger Umweltbehörde. Sowohl die Umsatzmengen als auch die
       Marktbedingungen für den künftigen Verkauf der erzeugten Phosphorsäure
       seien zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Gänze prognostizierbar, und Aussagen
       zur Kostendeckung, möglichen Erlösen oder gebührenwirksamen Effekten ließen
       sich damit noch nicht abschließend treffen. Ziel sei auch nicht ein
       gewinnorientierter Betrieb, sondern „eine möglichst wirtschaftliche
       Erfüllung der kommenden Pflichten im Umgang mit Klärschlamm“.
       
       Im Umweltbundesamt seufzt man, wenn mehr Kommunen dem Hamburger Vorbild
       gefolgt wären, wäre die technologische Entwicklung jetzt weiter. Die
       Behörde hofft, dass sich kleinere Kommunen zusammenschließen und Netzwerke
       und Kooperationen bilden. So könnten unterschiedlich belastete Klärschlämme
       jeweils in spezialisierten Anlagen behandelt werden. Wichtig sei aber, an
       den Zielen 2029 und 2032 festzuhalten.
       
       Das Bundesumweltministerium ist allerdings dabei, den Kommunen ein
       Schlupfloch zu öffnen: Die Klärschlammverordnung sehe die Möglichkeit vor,
       Klärschlammaschen befristet zu lagern, wenn eine Phosphorrückgewinnung
       nicht unmittelbar möglich ist. Eine Langzeitlagerung bringe jedoch auch
       Herausforderungen mit sich. Daher würden „sinnvolle Alternativen“ geprüft.
       
       Die Firma Easymining hält es für wichtig, dass die gesetzlichen Vorgaben
       Bestand haben. „Das Festhalten an alten Geschäftsmodellen und
       Gepflogenheiten ist gerade innenpolitisch omnipräsent“, kritisiert
       Geschäftsführer Christian Kabbe, „während sich die Außenpolitik mehr und
       mehr der Ressourcenbeschaffung und -sicherung widmet.“ Volkswirtschaftlich
       sinnvolles, sekundäres Rohstoffpotenzial würde weiterhin ignoriert.
       
       11 Nov 2025
       
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