# taz.de -- Katharina Pistors Adorno-Vorlesungen: Geld ist immer Kredit, aber nicht jeder Kredit ist Geld
       
       > Wie wird Geld geregelt? Ihre Adorno-Vorlesungen in Frankfurt am Main
       > widmete die Juristin Katharina Pistor der aktuellen Verfassung des
       > Finanzsystems.
       
 (IMG) Bild: Menschen versuchen ihr Geld vor der Entwertung zu retten, wie bei diesem Bankensturm im indischen Jammu 2016
       
       Das Schweizer Patriziat, das Überbleibsel des Adels nach der einzigen
       gelungenen demokratischen Revolution von 1848 in Europa, kennt zwar die
       Regel: „Über Geld redetet man nicht, Geld hat man.“ Aber in der Philosophie
       wird schon seit Aristoteles über Geld diskutiert.
       
       Heute gilt Geld als „relationales Gut“, das erst durch seine Nutzung in
       sozialen Beziehungen entsteht.
       
       An drei Abenden der vergangenen Woche referierte die an der Columbia Law
       School in New York lehrende und forschende Juristin Katharina Pistor über
       das Wesen des Geldes, über die aktuelle Verfassung des Geld- und
       Finanzsystems sowie über Möglichkeiten von dessen Neuordnung. Seit 2002
       organisiert das Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main zusammen
       mit dem Suhrkamp Verlag jährlich Adorno-Vorlesungen. Alle drei Vorlesungen
       Pistors waren außerordentlich gut besucht in einem jeweils restlos
       überfüllten Hörsaal der Universität Frankfurt. Die überzeugenden und
       deutlichen Ausführungen der renommierten Expertin fanden großen Beifall.
       
       ## Das Geldsystem schafft wachsende Ungerechtigkeit und Ungleichheit
       
       Die aktuelle Geldverfassung beruht nicht auf fixierten politisch-
       juristischen Normen, betonte die Referentin. [1][Sie sei vielmehr Resultat
       relativ zufälliger und gebräuchlicher Praktiken und Verträge], ihre
       Grundlagen also oft nur privatrechtlicher Natur und durch Usancen bestimmt
       – die nach jeder Krise einfach fortgeschrieben, aber nicht reformiert oder
       korrigiert werden.
       
       Diese Gewohnheiten leben vom Schutz und Prestige der sie hütenden und im
       Notfall verteidigenden Staatsmacht. Insofern spiegeln sich in der aktuellen
       Geldverfassung die hier herrschenden Machtverhältnisse wider: „Geld ist
       immer Kredit, aber nicht jeder Kredit ist Geld“ – schon gar nicht, wenn die
       als letzte Instanz fungierende staatliche Macht zeitweise lahmt oder ganz
       ausfällt, was sich in Krisen als Bankensturm manifestiert.
       
       Das aktuelle Geld- und Finanzsystem beruht auf der Hierarchie der Währungen
       mit dem US-Dollar als Leitwährung und der faktisch fast unbeschränkten
       Kreditschöpfung durch private Banken und Schattenbanken, die das ganze
       System extrem unstabil und störanfällig machen. Obendrein befeuert die
       private Profitorientierung als allein legitimer und legalisierter Zweck des
       Systems dessen wachsende Ungerechtigkeit und Ungleichheit, die zusammen die
       Demokratie der politischen Verfassung gefährden.
       
       Für die fällige Neuordnung des Geld- und Finanzsystems, dessen Grundzüge
       Katharina Pistor abschließend notgedrungen nur grob skizzierte, käme den
       Zentralbanken eine zentrale Rolle zu. Was Kryptowährungen oder dezentrale
       und enthierarchisierte Geldsysteme für eine Neuordnung leisten könnten,
       blieb ziemlich vage, denn bisher beleben sie fast nur das alte
       Vabanquespiel des bekannten Casinokapitalismus.
       
       27 Oct 2025
       
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