# taz.de -- Deutscher Studienpreis 2020: Wo das viele Geld herkommt
       
       > Banken erschaffen Euro und Dollar. In Steueroasen bedroht diese Dynamik
       > das Finanzsystem. Eine Promotion darüber wurde nun ausgezeichnet.
       
 (IMG) Bild: Schön, es zu haben – aber woher kommt eigentlich Geld?
       
       Berlin taz | Es ist ein Mysterium, das sich viele nicht erklären können.
       Wie entsteht Geld? Einen kleinen Teil stellen die Notenbanken zur
       Verfügung, etwa die [1][Europäische Zentralbank (EZB)], indem sie etwa
       Geldscheine drucken. Den größten Teil aber schaffen die Geschäftsbanken.
       Schreiben sie einen Kredit auf einem Privatkonto gut, entsteht neues Geld.
       Die Banken nutzen ein Recht, das sonst niemand hat: Sie kreieren ihren
       eigenen, sich permanent vermehrenden Reichtum. Dieses Privileg genießen
       sie, weil sie Zahlungsmittel unter die Leute bringen sollen, ohne die die
       Wirtschaft nicht laufen würde.
       
       Diesen Mechanismus erläutert die Politologin Andrea Binder in ihrer
       Untersuchung, die an diesem Dienstag mit dem Deutschen Studienpreis 2020
       für die beste Promotion in Sozialwissenschaften ausgezeichnet wird,
       verliehen durch die Körber-Stiftung.
       
       Die Darstellung, wie Geldschöpfung grundsätzlich funktioniert, führt Binder
       zu ihrem eigentlichen Thema. Sie analysiert, dass private Banken kaum
       vorstellbare Summen sogenannter Eurodollar in Steueroasen schöpfen und
       damit handeln. Dieses „Zentralnervensystem der internationalen Wirtschaft“
       arbeite im Wesentlichen intransparent, unreguliert, ohne demokratische
       Kontrolle und beinhalte erhebliche Risiken für die globale
       Finanzstabilität, so Binder.
       
       Zu den typischen Steueroasen gehören die Kaimaninseln in der Karibik. Die
       Niederlassungen von Deutscher Bank, BNP Paribas, Barclays Bank und anderen
       Instituten genießen dort viele Vorteile: wenige gesetzliche Beschränkungen,
       kaum Steuern, große Geheimhaltung. Beste Voraussetzungen, um Eurodollar zu
       schaffen. Diese Zahlungsmittel heißen so, weil die Transaktionen zwar in
       US-Dollar abgerechnet, jedoch von europäischen Banken außerhalb der USA
       abgewickelt werden.
       
       ## Fehlende Regulierung, mangelnde Informationen
       
       Die Geschäfte finden damit außerhalb der Regulierung der US-Zentralbank
       Fed, der EZB und der entsprechenden Regierungen statt, erklärt Binder. Eine
       „Aufsicht der Zentralbanken greift in den Eurodollarmärkten oft nicht“,
       bestätigt Dorothea Schäfer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
       (DIW). „Die Geschäftsbanken segeln dort unter der Regulierung durch.“
       
       Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel schätzt laut
       Binder, dass in den Eurodollarmärkten kurzfristige Schuldverschreibungen im
       Wert von 20 Billionen US-Dollar gehandelt werden – 20.000 Milliarden. Diese
       Größenordnung entspricht in etwa einem Fünftel der weltweiten
       Wirtschaftsleistung eines Jahres. „Sehr wahrscheinlich sind die
       Eurodollargeschäfte aber viel umfangreicher“, sagt Binder. Weil eine
       Regulierung fehle, mangele es jedoch an Informationen.
       
       Einerseits finanzieren die Banken auf diese Art einen beträchtlichen Teil
       des globalen Wirtschaftswachstums: Sie geben Unternehmen beispielsweise
       Kredite, damit diese große Produktionsanlagen errichten können.
       Andererseits wohnen diesem System erhebliche Gefahren inne. Wegen des
       weitgehenden Fehlens jeder Regulierung könnten die Eurodollarmärkte
       Ausgangspunkt weltweiter Finanzkrisen werden, argumentiert die
       Preisträgerin. Zur Stabilisierung im Zuge der Coronapandemie habe die Fed
       Hunderte Milliarden Dollar Notkredite zur Verfügung gestellt. Wie viel
       genau, sei nicht bekannt, so Binder.
       
       ## Geld-Debatten in die Öffentlichkeit
       
       „Wir sollten eine Debatte darüber führen, wie wir das Geldsystem
       demokratisch kontrollieren können“, fordert sie. Es gibt zwei
       Herangehensweisen. Erstens Regulierung: „Die Zentralbanken könnten mehr
       Informationen über die Offshore-Geschäfte und höhere Mindestreserven
       verlangen“, sagt DIW-Ökonomin Schäfer.
       
       Die zweite, radikale Variante wird unter dem Begriff „Vollgeld“ diskutiert.
       Das bedeutet: Man nimmt den Privatbanken das Recht auf Geldschöpfung. Nur
       noch die staatlichen Zentralbanken würden dann die Wirtschaft mit
       Zahlungsmitteln und Krediten versorgen. [2][In der Schweiz stimmte die
       Bevölkerung 2018 darüber schon einmal ab. Drei Viertel der Teilnehmenden
       votierten allerdings gegen die Geldrevolution.]
       
       Ein zentrales Argument gegen das Vollgeld besagte damals, dass die
       staatlichen Zentralbanken zu unflexibel seien, um die Weltwirtschaft
       allein am Laufen zu halten. Die Geschäftsbanken würden besser erkennen, wer
       wo wie viel Kredit zu welchem Preis benötige. Dürften nur die Notenbanken
       Geld via Kreditvergabe schaffen, müssten Unternehmen und Privathaushalte
       dort ihre Konten unterhalten. Der Staat wüsste alles über seine Bürger.
       Dazu, solche Debatten in die Öffentlichkeit zu holen, leistet Andrea Binder
       einen Beitrag.
       
       7 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Forderung-beim-Gruenen-Parteitag/!5725690
 (DIR) [2] /Vollgeld-Initiative-in-der-Schweiz/!5509162
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Koch
       
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