# taz.de -- Israelischer Film „Yes“: Selbst das Ja ist orientierungslos
> Der Krieg als Panoramaspektakel: Nadav Lapid wirft in seinem Satirefilm
> „Yes“ einen fatalistischen Blick auf die israelische Gesellschaft nach
> dem 7. Oktober.
(IMG) Bild: Yud (Ariel Bronz) und eine Ente in „Yes“
Für eine gelungene Orgie dürfen keine Mühen gescheut werden. Yud und Yasmin
toben durch die Menge und heizen die Stimmung an. Es wird gesoffen,
gefressen, getanzt. Aus den Boxen schallt der Eurodance-Klassiker „Be My
Lover“ von La Bouche. Dem einen Gast wird die Zunge in den Mund gesteckt,
beim anderen mit einem Baguette ein Blowjob imitiert.
Die Kamera wackelt den beiden durch das freidrehende Spektakel hinterher.
Beide wurden als sexy Animateure für eine Feier der dekadenten israelischen
Oberschicht engagiert. Der Abend endet für das Paar im mondänen Haus einer
älteren Dame, die sie für ihre kinky Vorlieben einspannt.
Es ist ein furioser Auftakt, den Nadav Lapid für seinen neuen Film „Yes“
gewählt hat. Ein Auftakt, der eine Vorahnung gibt, welche Richtung der Film
in seinen zweieinhalb Stunden einschlägt. Yud ist eigentlich Musiker,
Yasmin HipHop-Tänzerin. Beide sind sich für nichts zu schade.
Mit ihren schrillen Performances für eine zügellose Elite wollen sie das
große Geld machen, um ihr prekäres Leben hinter sich zu lassen. Israel nach
dem Massaker des 7. Oktober ist für sie unerträglich geworden – erst recht
mit einem kleinen Kind. „Es gibt keinen schlimmeren Ort als Zuhause“, sagt
Yasmin einmal resigniert.
## Schizophrener Alltag
Der Alltag in Tel Aviv wirkt schizophren. Yud bringt den Sohn in die Kita,
Yasmin arbeitet im Tanzstudio, während wenige Kilometer entfernt der
Gazastreifen in Schutt und Asche gelegt wird. Push-Benachrichtigungen über
Bombardements, Tote und Verletzte krachen wie Raketen in den Alltag hinein.
Zugleich ist die Regierungspropaganda allgegenwärtig. „Die Armee lügt
nicht“, redet sich Yud ein.
Der Ausweg aus dem Wahnsinn ist permanente Zerstreuung, Rastlosigkeit, der
Zwang zum Eskapismus. Immer wieder schallt aus den Wohnzimmerboxen oder
Kopfhörern bassübersteuerte Musik. Die Kamera schwenkt hastig durch den
Raum, genauso verloren und orientierungslos wie die beiden
Protagonist:innen.
„Yes“ ist eine schrille Satire, eine völlige Überzeichnung der israelischen
Gesellschaft. Und genau deshalb erzählt der Film sehr viel über den
Gemütszustand der Menschen in diesem zerrissenen Land – und auch über den
Regisseur. Nadav Lapid zählt zu den härtesten Gegnern der
Netanjahu-Regierung, seine Filme sind so kunstvoll wie anklagend und
kreisen immer auch um die Frage der eigenen israelischen Identität.
Die Figuren sind immer auch sein Alter Ego. [1][Wie in „Synonymes“ (2019),]
in dem ein in Paris lebender Israeli zwanghaft versucht, sich seiner
Herkunft zu entledigen, [2][oder in „Aheds Knie“ (2021),] in dem ein
Filmemacher, ebenfalls Yud genannt, die Verrohung der israelischen
Gesellschaft und die Bedrohung der Meinungsfreiheit anprangert.
## Hymne auf den Krieg
Auch „Yes“ richtet sich gegen den Wahnsinn der Regierung, gegen den
grassierenden Nationalismus, der keinen Dissens akzeptiert. Yud soll für
einen russischen Oligarchen, der sich im gelobten Land mit seinem Reichtum
austobt, eine Hymne auf den Krieg in Gaza schreiben, „eine Hymne für die
Generation des Sieges“, wie es heißt, in der die Palästinenser:innen
in einer Art endzeitlichem Kampf zu den neuen „Trägern des Hakenkreuzes“
dämonisiert werden. Mit der fürstlichen Entlohnung vor Augen macht sich Yud
an die Arbeit.
Nadav Lapid spricht unbequeme Wahrheiten an, schlägt sich aber auf keine
Seite im Kampf um die Deutungshoheit des Krieges. Er sucht auch nach
ruhigen Momenten in all den Widersprüchen, nach Halt und Orientierung.
Immer wieder befragt Yud seine tote Mutter, was sie gesagt hätte über
Israel nach dem 7. Oktober. In einem Restaurant am Toten Meer, wohin er
sich für seine Arbeit zurückzieht, trifft er auf seine Jugendliebe Leah.
Für einen kurzen Moment macht sich so etwas wie Unbeschwertheit breit.
Leah arbeitet für die israelische Armee und übersetzt Zeugenaussagen und
Berichte über die Gräueltaten am 7. Oktober für internationale Medien. Eine
der erschütterndsten Szenen zeigt beide im Auto auf dem Weg zur Grenze zu
Gaza. Sie wollen „vom Meer des Todes zur Hölle“. Wie auf Knopfdruck beginnt
Leah Yud von der Brutalität der Hamas-Terroristen zu erzählen, von ihrer
sadistischen Lust an Vergewaltigungen und Verstümmelungen.
Kein Detail, das sie nicht kennt. Wie in einer Dauerschleife ist sie im 7.
Oktober gefangen. Die Kämpfe im nahegelegenen Gazastreifen sind als Echo
der Gewehrsalven und Bombenschläge wahrzunehmen. Zwei israelische Militärs,
die ihnen den Weg versperren, empfehlen ihnen einen Aussichtspunkt, von dem
aus man einen guten Blick auf die Bombardierungen habe. Der Krieg als
vergnügliches Panoramaspektakel.
Nadav Lapid zeigt keinen Ausweg für seine Figuren. Es ist ein
fatalistischer Blick auf Israel. Als Yud seine Propagandahymne fertig hat,
richtet er erneut seine Worte an die tote Mutter: „Entschuldige, dass ich
ein Feigling bin.“ Aus dem ewigen Ja-Sager ist ein Zweifler geworden.
Immerhin.
12 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Tobias Obermeier
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