# taz.de -- Neuer Ludwigshafen-„Tatort“: Wenn eine German Horror Story im trüben Gartenteich landet
       
       > Grusel ist Genre. Und Genre muss erzählerisch konsequent sein. Dieser
       > „Tatort“ schaltet nach 10 Minuten um auf Sozialdrama. Das kann nicht gut
       > gehen.
       
 (IMG) Bild: Im Tatort treffen Nisha (Amina Merai) und Mike (Jeremias Meyer) Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter)
       
       Echter Grusel, das sind Familienmitglieder, mit denen man so gar nicht
       kann. Deshalb gibt es den Gesellschaftshorror, ein Filmgenre, das zuletzt
       zum Beispiel mit [1][„Get Out“ von Jordan Peele] erfolgreich war. Es nimmt
       subtile alltägliche Spannungen, und dreht sie hoch auf handfesten Horror.
       Das ist eine Art Parodie auf unsere sozialen Ängste.
       
       Der neue Ludwigshafen-„Tatort“ mit dem Titel [2][„Mike & Nisha“] dippt den
       Zeh in dieses Genre. Ein junges Paar (Jeremias Meyer, Amina Merai)
       erscheint zum ersten Kennenlernen bei den Schwiegereltern. Typische Szene.
       Es gibt Serviettenringe, verdrängte Spannungen, und Rassismus – erst
       unterschwellig, dann ganz offen. Es dauert keine 10 Minuten, da schnappt
       sich die junge Verlobte einen Schürhaken und haut Schwiergerpapa den
       Schädel ein. Sohnemann kommt zu Hilfe und übernimmt den Schädel von Mutti.
       
       Mit schrägen Kamerapositionen, plötzlichen Zooms, einer übersättigten
       Farbpalette und Setting im karikierten bürgerlichen Vorort ist klar: Das
       hier ist kein Realismus, das ist Gesellschaftshorror. Aber ist es mehr als
       ein gedippter Zeh?
       
       Diese ersten 10 Minuten sind im besten Sinne grauenvoll. Die sich
       steigernde Feindseligkeit mit den Eltern (Judith Hofmann, Bruno Cathomas)
       ist unerträglich. Der Goldjunge hat sich das „falsche“ Mädchen ausgesucht
       und erwartet ein Kind mit ihr, weshalb er Mami und Papi nicht mehr liebhat
       (heißt: nicht mehr gehorcht). Die Schwiegereltern suchen den Fehler
       natürlich beim „Eindringling“ in ihr bürgerliches Familienparadies.
       
       ## Und was nun?
       
       So eine Dynamik ist nicht nur ziemlich gängig, sie ist auch perfekt für
       Horror. Der Film jedoch kappt diese Dynamik mit dem Blutbad in Minute 10,
       ehe sie sich hätte entfalten können.
       
       Was macht man also mit den übrigen 80 Minuten? Wir folgen dem Täterpaar bei
       dem Versuch, ihren Doppelmord zu vertuschen. Ohne seine Gegenspieler sind
       die beiden allerdings auf einmal farblos. Das Drehbuch gibt sich obendrein
       Mühe, sie zu vermenschlichen, will jetzt Sozialdrama werden, was nicht nur
       misslingt, sondern der Story jegliche Schärfe nimmt. Nisha wollte ja
       „niemanden umbringen“, wie sie schluchzend bekräftigt, und sie ist ja auch
       Waise, hatte es nicht leicht und so.
       
       Das ist so sensibel, wie es langweilig ist. Wenn zwei GenZ schon im
       Horrorsetting ihre Chauvi-Eltern zu Brei schlagen, dann erwartet man
       irgendwie mehr Surreales.
       
       Zum Beispiel, dass sich das Pärchen bei dem ganzen Druck spinnefeind wird,
       so spinnefeind, dass sie sich gegenseitig im Gartenteich ertränken.
       Stattdessen schlurfen sie mit bedröppelten Gesichtern durch die Landschaft.
       Ein Gartenteich wird tatsächlich ausgebuddelt, aber für die Story bleibt er
       bedeutungslos.
       
       Kommissarinnen Odenthal und Stern (Ulrike Folkerts, Lisa Bitter) helfen
       auch nicht, denn die leiden sowieso an der Coolness-Krankheit, von der
       viele Frauenfiguren im Krimi betroffen sind. Sie scheinen emotional kaum
       involviert in den Fall, also warum sollten dann wir es sein? Hauptsächlich
       sind Odenthal und Stern dafür da, uns den hauchdünnen Plot herbei- und die
       Ungereimtheiten wegzuerklären.
       
       Dieser Film möchte Unbehagen erzeugen, ist aber viel zu sehr damit
       beschäftigt, keine roten Linien zu übertreten. Für Gesellschaftshorror
       lieber „Get Out“ gucken – oder eben gleich „Shining“.
       
       9 Nov 2025
       
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