# taz.de -- Stuttgart-„Tatort“: Wieso die Stuttgarter mal ein Sabbatical brauchen
       
       > „Überlebe wenigstens bis morgen“ hätte eine einzigartige Story über die
       > Vereinsamung junger Menschen sein können. Aber ...
       
 (IMG) Bild: Die Stuttgarter Tatortkommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare)
       
       Es ist echt ungewöhnlich fies programmiert: drei SWR-„Tatorte“ an drei
       Sonntagen hintereinander. [1][Der aus Ludwigshafen („Mike & Nisha“)] war
       gut, [2][der aus dem Schwarzwald („Der Reini“)] absolut überragend – und
       nun: der Stuttgarter. Ach, sprechen wir nicht drüber.
       
       Müssen wir hier aber. Also. Eigentlich lässt sich „Überlebe wenigstens bis
       morgen“ so umwerfend an: echt in seiner harten Alltäglichkeit. Eine junge
       Frau liegt monatelang tot in ihrer Wohnung. Niemand wundert sich, dass
       Nelly (Bayan Layla) sich nicht meldet, niemand sucht Kontakt, niemand gibt
       eine Vermisstenanzeige auf. Bis die Feuerwehr sie zufällig findet,
       Plastiktüte über dem Kopf, Seil um den Hals, Kabelbinder um die Hände.
       
       Allein dieses Szenario von Verlassenheit könnte eine Story auffalten, die
       ihresgleichen sucht: Erzählt mit Rückblenden zeigt sich ein Drama um
       enttäuschte Freundschaft, eine entfremdete Familie, Sprachlosigkeit und
       Vereinsamung junger Menschen.Stattdessen kann man gleich empfehlen: Schauen
       Sie sich doch einfach nochmal den fantastischen „Tatort“ von voriger Woche
       in der Mediathek an, mit dem Ermittlungsteam um Friedemann Berg (Jochen
       Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau). Hat auch beim zweiten Mal mehr
       Wumms als der neue.
       
       Denn im Vergleich dazu wirkt der aktuelle Stuttgarter Fall, als hätten alle
       keinen Bock mehr. Als hätten sie aufgegeben, bevor der „Tatort“-Vorspann
       auch nur angefangen hat. Die Kommissare Bootz (Felix Klare) und Lannert
       (Richy Müller) [3][hudeln] sich kraft- und lustlos durch ihre Ermittlung.
       Als sei nach 17 Jahren irgendwie die Luft raus, Mord nur noch Alltagskram,
       mehr als blutleere Umsetzung ist nicht mehr drin: vom monoton sprechenden
       Emsemble samt gestelzt schwäbelnder Vorgesetzter (Daniela Holtz) bis zu
       Drehbuch (Katrin Bühlig) und Regie (Milena Aboyan).
       
       Dass der Fall so disparate Dinge umfassen muss wie eine Notfallhotline für
       Selbstmordgefährdete, Livestreams vom Sterben, weitere Opfer sowie
       Betrugsszenarien in Nellys direktem Umfeld, entgrenzt die Story
       willkürlich: Jeder wichtige Aspekt dieser persönlichen Katastrophen
       verpufft in Albernheit. Nichts ergibt irgendeinen Sinn.
       
       Stimmt schon: Mit den Jahren wird es immer schwerer, einen Film zu
       verreißen, schließlich haben so viele Menschen über so viele Monate so viel
       Arbeit reingesteckt. Aber ach. Sagen wir so: Wenn eine Nebenfigur – Idil
       Üner als Nellys Mutter – mit ihren Mini-Momenten alle an die Wand spielt,
       muss man nicht mehr wissen. Vielleicht können die Stuttgarter einfach mal
       ein Sabbatical nehmen, um sich zu erholen? Und wir uns mit?
       
       Der Filmtitel setzt dem Ganzen dann die Krone auf. Dass diese
       baden-württtembergischen Leute aus dem Effeff Gundermann kennen, zitieren
       und singen, ist nun wirklich jenseits des Vorstellbaren – Stichproben
       belegen das. Und doch: Sein [4][„Wenigstens bis morgen“] im Off zu hören,
       ist immerhin das Beste am ganzen Film.
       
       Hier zum Trost: Kommenden Sonntag läuft schon die zweite Folge mit dem
       [5][sensationellen neuen Frankfurt-Main-Team Maryam Azadi (Melika Foroutan)
       und Hamza Kulina (Edin Hasanović)]. Ein Lichtblick.
       
       23 Nov 2025
       
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