# taz.de -- Ausbeutung des Glaubens in Brasilien: Lukratives Callcenter für bezahlte Wunder
       
       > In Rio de Janeiro gehen die Behörden gegen einen angeblichen Pastor vor.
       > Er hat den Ärmsten Segen und Wunder per Schnellüberweisung verkauft.
       
 (IMG) Bild: Segenssprüche per Schnellüberweisung – das System brachte seinem Erfinder mindestens drei Milliarden Real Gewinn
       
       Salvador da Bahia taz | In [1][Rio de Janeiro] hat ein angeblicher
       evangelikaler Pastor ein Callcenter für Wunder eingerichtet. Mindestens 70
       Angestellte des selbst ernannten Propheten offerierten Gläubigen
       Segenssprüche oder Wundertaten gegen Bezahlung per Schnellüberweisung. Auf
       Instagram verkündet der „Prophet Santini“, der mit bürgerlichem Namen Luis,
       Henrique dos Santos heißt, seiner Million Followern fast täglich von
       Geigenmusik untermalte Videobotschaften.
       
       „Dieses Video ist genau für dich,“ behauptet der 30-Jährige mit
       salbungsvoller Stimme „Es ist Gottes Entscheidung, dass du unter Tausenden
       von Videos im Internet genau dieses gefunden hast“. Gerne kündigt er den
       Zuschauenden an, ihr Telefon werde innerhalb der nächsten 72 Stunden
       klingeln, und sie würden eine gute Nachricht erhalten.
       
       Es sind simple Dinge, [2][die der vermeintliche Gottesmann] verspricht:
       Verwünschungen in Segen umzuwandeln etwa, finanzieller Wohlstand oder die
       Ausschaltung von Neidern. Vor allem die Ärmsten glauben an ihn. Etwa eine
       Kundin, die schreibt, sie habe nicht einmal etwas zu essen zu Hause und
       hoffe, durch den erbeteten Wohlstand demnächst das verlangte Entgelt
       entrichten zu können.
       
       Dabei sprechen die Kunden über WhatsApp nicht mit Santini selbst, sondern
       mit dessen Mitarbeitern, die auf die jeweilige Situation abgestimmte, zuvor
       aufgenommene Standard-Audiobotschaften ihres Chefs abspielen. Die
       Angestellten müssen keine religiöse Bindung haben.
       
       ## Angestellte löste Ermittlungen aus
       
       Die Kunden bezahlen zwischen 20 Reais und 1500 Real (3,10 bis 235 Euro) für
       die angeblichen Dienste des Pastors. Ein Opfer soll allein mehr als 80
       Überweisungen getätigt haben.
       
       Innerhalb von zwei Jahren brachte das System seinem Erfinder mindestens
       drei Milliarden Real Gewinn (482 Millionen Euro). Eine Angestellte zeigte
       ihren Arbeitgeber schließlich im Februar 2025 an und löste damit erste
       polizeiliche Ermittlungen aus.
       
       In der sogenannten Operation Blasphemie durchsuchte die Polizei kürzlich
       die Wohnung des Propheten in einer Luxus-Wohnanlage im Westen Rios. Dabei
       fand sie mehr als umgerechnet 5000 Euro in Banknoten verschiedener
       ausländischer Währungen und diverse Handys. Gefunden wurden auch
       Aufzeichnungen, aus denen hervorging, dass die Mitarbeiter Quoten von
       umgerechnet mindestens 80 Euro pro Tag erfüllen mussten, sonst wurden sie
       entlassen. Unter den Mitarbeitern waren sieben noch Teenager.
       
       Die Callcenter operierten an mindestens drei Standorten im Großraum von Rio
       sowie in der Innenstadt. „Es ging bei diesen Diensten nicht um Gebet,
       sondern um kriminelle Ausbeutung des Glaubens“, sagt eine Polizistin in
       einem TV-Interview des Senders SBT.
       
       ## Der selbsternnte Prophet beklagt religiöse Verfolgung
       
       Die Polizei beschlagnahmte sämtliche Beweismittel sowie den Reisepass des
       angeblichen Geistlichen. Das Gericht ordnete laut Medienberichten eine
       elektronische Fußfessel an und untersagte dos Santos, das Land zu verlassen
       oder elektronische Medien zu benutzen.
       
       Die Anklage lautet unter anderem auf Betrug, kriminelle Vereinigung,
       Scharlatanismus, falsche Identität und Geldwäsche. Die Höchststrafe für
       alle Straftaten zusamen beträgt bis zu 29 Jahren Haft.
       
       Der „Prophet“ hingegen stellt sich als Opfer religiöser Verfolgung dar. Auf
       seinem Instagram-Konto versichert er seinen Followern ganz ohne
       Geigenklänge, ihm seien ungerechtfertigte Vorwürfe gemacht worden, und es
       seien Falschmeldungen über ihn im Umlauf. Er trage aber keine Fußfessel und
       sei auch nicht verhaftet. Hunderte seiner „spirituellen Söhne und Töchter“
       versichern daraufhin: „Ich glaube an dich!“. Nur einer fordert ihn auf:
       „Zeig doch mal deine Beine“. Diese Bitte ignoriert der „Prophet“ lieber.
       
       9 Oct 2025
       
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