# taz.de -- Reaktionen auf den 7. Oktober: Linke Empathieverweigerung
       
       > In Hamburg trafen sich Eva Illouz und Natan Sznaider und diskutierten die
       > Enttäuschung über die Reaktionen der Linken auf den Überfall der Hamas.
       
 (IMG) Bild: Gelände des Nova-Festivals, bei dem Partygäste von der Hamas getötet und entführt wurden in Reim, Südisrael am 14. September 2024
       
       Eva Illouz hat für unsere, also die linken Kreise, das Buch der Stunde
       verfasst: „Der 8. Oktober“, [1][Essay über den Tag nach dem Massaker der
       Hamas in der israelischen Negev-Wüs]te, nicht über es selbst: Die Linke –
       weltweit, so die französisch-israelische Soziologin – habe auf den Terror
       mit Mitleidlosigkeit reagiert, nicht mit Fake News, aber mit Relativierung,
       mit Inzweifelziehungen. Etwa, als bei einem Pariser Treffen
       islamistisch-linker Zirkel [2][Judith Butler], amerikanische*r
       Sprachwissenschaftler*in, auf die Nachrichten von den sexuellen Gewaltakten
       an den überfallenen, vergewaltigten, malträtierten Frauen mit kältester
       Skepsis erwiderte: Man wisse nicht, ob das wirklich so passiert sei.
       
       Illouz berichtete, sie habe mit Schrecken auf den 7. Oktober reagiert, aber
       am 8. Oktober mit „Schock“: Ihre Leute, „die Linken“, verweigerten
       Anteilnahme, forderten, so wie Butler vor zwei Jahren, „Kontext“, als ob
       Israel bekommen habe, was es verdiene.
       
       Illouz gegenüber saß bei dieser ersten Debatte über ihren Essay in
       Deutschland im Audimax der Bucerius Law School in Hamburg [3][Natan
       Sznaider], gleichfalls Soziologe, aber von anderen Wahrnehmungen
       berichtend: Für ihn, gebürtiger Mannheimer, 1973 von dort nach Israel
       ausgewandert, sei der 7. Oktober selbst auch deshalb eine Zäsur gewesen,
       weil er doch vor über 50 Jahren, nach dem palästinensischen Terrorüberfall
       auf das israelische Team bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München,
       erwogen habe, sein Land des Aufwachsens zu verlassen: In Mannheim habe er
       damals bei Linken nicht nur klammheimliche Freude über die Tötung jüdischer
       Sportler erlebt – dass man sich als Jude nicht nur nicht auf Linke
       verlassen könne, habe er damals noch gewusst.
       
       Er habe am 7. Oktober bis in die letzte Faser seines Körpers gewusst,
       geahnt, gelernt, dass nun auch Israel kein sicheres Land mehr für Juden und
       Jüdinnen sei.
       
       Die Linke habe ihn speziell nicht interessiert, was insofern ein wenig
       geflunkert war, weil Sznaider seine akademische Karriere inklusive etlicher
       diskursstarker Bücher in Deutschland dem linken Zeitgeist verdankt. Aber
       ausweislich seiner Schriften stimmt ja: Einer wie er hat von Kindheit an
       gelernt, sich auf niemand fundamental außerhalb Israels verlassen zu
       können.
       
       Froh, so seine Erinnerung, seien er und seine Frau, dass ihre Tochter am 7.
       Oktober nicht auf dem Nova-Festival war, sie blieb zum Dinner aus Anlass
       des vortägigen Geburtstags Sznaiders in Tel Aviv.
       
       Für Illouz war die Enttäuschung über die Empathieverweigerung persönlicher,
       enttäuschender für den biografischen Entwurf, Teil der akademischen Szene
       global zu sein, die an Aufklärung und also einer besseren Welt arbeitet.
       Die Tischtücher sind, so ließe sich sagen, zerschnitten: Illouz
       charakterisierte Butler als „Scharlatan*in“.
       
       Trump hingegen bezeichnete sie als wichtigsten Mann momentan: Schafft seine
       aktuell einzigartige Macht, das Abkommen mit der Hamas wirklich ins Werk zu
       setzen? Von ihm und seinem Agieren hänge alles ab. Was beide sich
       versprechen? Sznaider hofft auf die Freilassung der Geiseln, unter allen
       Umständen. Und Illouz besteht darüber hinaus zunächst auf „Separation“,
       keine voreilig illusionären Peace-and-Understanding-Moves. Alles Weitere
       werde die Zukunft zeigen.
       
       Die Moderatorin Catherine Newmark setzte schon zu letzten Worten an, da bat
       Illouz um ein letztes kurzes Statement, sie möchte einen jüdischen Witz
       erzählen. Wie erging es, was empfanden, so sagte sie, Juden nach Hitlers
       Machtergreifung? Die Pessimisten kamen nach Hollywood, die Optimisten –
       nach Auschwitz. Beifall für beide im Audimax der Bucerius Law School in
       Hamburg, keine Debatte so kurz vor dem 9. Oktober zwei Jahre danach.
       
       12 Oct 2025
       
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