# taz.de -- Spionage-Jugendroman: Plötzlich Fahnenappell
       
       > Als der Vater auffliegt, muss die Familie über Nacht vom Westen in die
       > DDR ziehen: Maja Nielsen hat einen historischen Spionagefall spannend
       > verarbeitet.
       
 (IMG) Bild: Im falschen Leben? Fahnenaplell auf einem Schulhof in Ost-Berlin 1982
       
       Wie können die historischen Erfahrungen des Unrechtsregimes der DDR auch
       die nachfolgenden Generationen zuverlässig erreichen? In „Das falsche
       Leben“ unternimmt Maja Nielsen einen bemerkenswerten Versuch. Der packende
       Jugendroman der Hamburger Schriftstellerin erzählt von Verrat und
       Widerstand vor dem Hintergrund eines wahren Spionagefalls im geteilten
       Deutschland 1979.
       
       Sechzehn Jahre ist Thomas Raufeisen alt, als sein Vater eines Nachmittags
       die Familie in Hannover eilig zu einer Reise in die DDR drängt: der
       Großvater auf Usedom läge im Sterben. Doch schon bald nach dem
       Grenzübertritt müssen Thomas und sein älterer Bruder Michael den wahren
       Grund ihres überstürzten Aufbruchs erfahren: Zweiundzwanzig Jahre lang
       hatte der Vater unbemerkt im Westen als Abteilungsleiter eines
       Energieunternehmens [1][für die DDR spioniert].
       
       Nach dem Überlaufen eines Geheimdienstmitarbeiters droht seine Tarnung
       aufzufliegen. Die Stasi ruft Armin Raufeisen mitsamt seiner Familie zurück
       in den Osten – und nichts bleibt, wie es war.
       
       ## Jugenderlebnisse in der DDR
       
       „Das falsche Leben“ handelt von Thomas Raufeisens erschütternden
       Jugenderlebnissen bis zu seiner Ausreise aus der DDR – erst als Lehrling im
       VEB Autotrans, dann in Untersuchungshaft in Hohenschönhausen oder im
       Hochsicherheitsgefängnis Bautzen II. Der Roman schildert aus der
       Perspektive des gleichnamigen Protagonisten hautnah und intensiv jene
       Spirale einschneidender Ereignisse, die auf den unfreiwilligen Umzug in die
       DDR folgt.
       
       Für ihren 2024 veröffentlichten Roman „Der Tunnelbauer“ über einen
       DDR-Fluchthelfer wurde Maja Nielsen mit dem „Buxtehuder Bullen“ für das
       beste [2][Jugendbuch 2025] ausgezeichnet. Auch in „Das falsche Leben“
       bleibt die Autorin dem dokumentarisch-fiktionalen Ansatz und ihrer Vorliebe
       für zeitgeschichtliche Themen treu. Die atmosphärisch dichte Handlung
       ergänzt sie unaufdringlich, aber faktenreich mit Hintergrundwissen. Ein
       Glossar im Anhang liefert zusätzliche Informationen zu Personen, Orten und
       Begriffen, die im Buch erwähnt werden.
       
       Wütend und ohnmächtig realisieren die Brüder Raufeisen sehr bald, was
       Vaters Spionage für sie bedeutet. Eindeutig geben die zwei für sie
       zuständigen Stasi-Offiziere der Familie zu verstehen, dass nun andere über
       ihre Zukunft entscheiden und die Rückkehr nach Hannover außer Frage steht.
       „Wir sind im falschen Film“, sagte Micha an diesem Nachmittag bestimmt
       sieben Mal. „Das kann alles nicht wahr sein.“
       
       ## Deutsch-deutsche Verhältnisse
       
       Ungläubig beobachten, kommentieren und vergleichen die Jugendlichen aus
       Hannover die neue Lebensrealität mit ihrem vertrauten Alltag in der BRD.
       Aus dieser kontrastreichen Dramaturgie entsteht für Leser aus der Distanz
       ein lebendiges Bild der historischen deutsch-deutschen Verhältnisse.
       
       In Ostberlin wird den Neuankömmlingen von der Staatssicherheit eine
       komfortable Wohnung in den Hochhäusern an der Leipziger Straße zugeteilt.
       Thomas soll dort die Oberschule besuchen. Doch beim Fahnenappell, unter
       FDJ-Hemden oder im Staatsbürgerkundeunterricht fühlt er sich fehl am Platz.
       
       Verändert blickt er auf die selbstverständlichen Freiheiten seines früheren
       Lebens. Nur war sein Vater vor zweiundzwanzig Jahren einen verhängnisvollen
       Pakt eingegangen. Nachdem er den Ausreiseantrag für die Familie gestellt
       hatte, gerieten die Raufeisens ins Visier der Staatssicherheit …
       
       ## Widersprüche des DDR-Regimes
       
       Besonders dank ihrer unkonventionellen Nebenfiguren wie dem Großvater auf
       Usedom oder Thomas' Lehrlingskollegen Ronny gelingt es Maja Nielsens
       Erzählung, auch die Widersprüche und Schattierungen des Regimes der DDR
       abzubilden.
       
       Während Thomas schnell in Konfrontation mit dem System gerät, erscheint
       Ronny ganz zufrieden in der DDR. Ohne Scheu besucht der autobegeisterte
       Freund mit seiner kleinen Schwester Thomas zu Hause in dem berüchtigten
       „Stasi-Hochhaus“. Dann spielen sie zusammen gerne eine Partie des
       verbotenen „Monopoly“ oder blättern in Micky-Maus-Heften und Zeitschriften
       aus dem Westen. Auf diese Freunde kann sich Thomas verlassen.
       
       20 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
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