# taz.de -- „Ausländerregel“ im Basketball: Zu lange Letten
> Vor 75 Jahren führte der deutsche Basketball eine „Ausländerregel“ ein.
> Grund war die Meisterschaft des BC Degerloch 1950.
(IMG) Bild: Als Basketball zwar schon lang, aber noch klein war: Deutscher Meister BC Degerloch 1950
Einerseits ist [1][Basketball] keine deutsche Sportart. Sie ist in den USA
[2][erfunden] worden, und vorwiegend Amerikaner haben sie auch in der
ganzen Welt populär gemacht. Andererseits hatte der Deutsche Basketballbund
Ende September 1950 dies entschieden: „Nur noch zwei Ausländer dürfen
künftig innerhalb jeder deutschen Basketball-Vereinsmannschaft
Meisterschaftsspiele bestreiten.“
Der Beschluss hat eine Vorgeschichte, die sich erst wenige Monate zuvor
ereignet hatte. Am 21. Mai 1950 war der Ballspielclub Degerloch deutscher
Basketballmeister geworden. Es waren, wie die Zeitung Der Neue Sport.
Frankfurter Wochenzeitschrift für Sport und Jugend mit unüberlesbarem
Ressentiment schrieb, „Pseudo-Degerlocher“ auf dem Platz, nämlich „sieben
DP’s aus [3][Lettland]“. Die Abkürzung DP steht für [4][Displaced Persons],
Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland kamen, aber keine
deutsche Staatsbürgerschaft hatten und als staatenlos galten. Bemerkenswert
ist, dass Der Neue Sport von dem Kommunisten Otto Grossmann gegründet
worden war.
Im 15-köpfigen Kader des BC Degerloch fanden sich sieben lettische Spieler.
Im entscheidenden Spiel gegen den TB Heidelberg liefen sogar ausschließlich
Ausländer auf, und die spielten sehr modern. „Die Letten brachten durch
ihren ‚Fünferblock‘ ihre Gegner einfach nur zur Verzweiflung“, schrieb die
Zeitung Alb-Bote. Auf der Website der [5][PKF Titans], wie der BC Degerloch
jetzt heißt, steht, es seien auch amerikanische GIs im Team gewesen, aber
dafür findet sich kein Hinweis. Immerhin, beim Gegner aus Heidelberg
spielten drei US-Amerikaner, dazu noch ein Slowake, ein Ungar und ein
Kroate.
Am stärksten aber triggerten die „Zwei-Meter-DPs“ (Der Neue Sport) aus
Degerloch. Ein Journalist jammerte, nur der Schiedsrichter sei Deutscher
gewesen, und dann war noch zu lesen, die Trikots der Degerlocher liefen
„deutlich auf ‚[6][Harlem Globetrotters]‘ hinaus“, eine von Afroamerikanern
gebildete Showtruppe, gegen die der BC Degerloch später auf dem Stuttgarter
Schlossplatz ein Spiel absolvieren sollte und die als „Wochenschau-Neger“
angekündigt wurden.
Presseberichte betonen, dass die lettischen Spieler alle sehr lang waren,
zwischen 1,89 und 2,04 Metern, die meisten waren um das Jahr 1930 geboren,
sie wohnten alle in der Gottfried-Keller-Straße 28 in
Stuttgart-Zuffenhausen, und sie arbeiteten angeblich bei einer
„Wachabteilung Zuffenhausen“. Auf der PKF-Titans-Website ist von
„Wachsoldaten“ die Rede. Thomas Pfleiderer, Abteilungsleiter des
BC-Nachfolgevereins, vermutet, dass sie wohl bei der US-Army beschäftigt
waren. Nach der Meisterschaft zerfiel die Mannschaft. Wohin die Letten
gegangen sind, ist kaum zu rekonstruieren. Einer, der 1930 geborene
Heinrich Baikštis, wanderte vermutlich nach Amerika aus, wo er 2004 in
Virginia starb. Das ergibt eine Internetrecherche. Auf seinem Spielerpass
war er als Student eingetragen.
## „Wie in einem fremden Land“
„Es gab verschiedene Gruppen von Displaced Persons“, sagt der Historiker
Tillmann Tegeler. Weil aus dem [7][Baltikum] nicht so viele kamen, wurden
DPs aus Lettland, Estland und Litauen organisatorisch als baltische DPs
zusammengefasst. Zu den Motiven lässt sich nichts sagen: Es waren teils
[8][NS-Verfolgte], teils Menschen, die mit dem NS-System kollaboriert
hatten, teils auch Menschen, die vor der [9][Einverleibung] ihrer
Heimatländer durch die Sowjetunion geflohen waren. Was also konkret die
jungen sportlichen Männer zu DPs machte und warum sie nach Deutschland
kamen, ist unklar.
Sportlich verschafften die Letten dem BC, der mittlerweile als PKF Titans
in der [10][Regionalliga Baden-Württemberg] spielt, den größten Erfolg der
Vereinsgeschichte. Und nebenbei sorgten sie ungewollt für die
„Ausländerregel“ im deutschen Basketball. „Wieso kommt es, dass einfach
ganze ‚Ausländermannschaften‘ einen deutschen Klub in einer Deutschen
Meisterschaft vertreten?“, erregte sich der Alb-Bote. Ein anderer
Journalist empörte sich, als er in die Frankfurter Halle kam, in der das
Finale gespielt wurde, er sei wohl „in ein fremdes Land“ gereist.
Der Deutsche Basketballbund versuchte zu beruhigen und erklärte, „dass man
erst einmal unseren Spielern im brüderlichen Kampf mit Ausländern
Gelegenheit geben sollte, reife Basketballkunst zu lernen“, wie es der
Alb-Bote zusammenfasste. Lange hielt diese offizielle Haltung aber nicht.
Ende September 1950, also vor 75 Jahren, wurde die „Ausländerregel“
beschlossen.
2 Oct 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Basketball/!t5012908
(DIR) [2] /Kulturgeschichte-des-Basketballs/!5052512
(DIR) [3] /Lettland/!t5019544
(DIR) [4] /Displaced-Persons/!t5582357
(DIR) [5] https://pkf-titans.de/geschichte/
(DIR) [6] /Dribbeln-fuer-die-Massen/!1612227/
(DIR) [7] /Baltikum/!t5029982
(DIR) [8] /Ein-vergessenes-Zwischenspiel/!1499817/
(DIR) [9] https://www.copernico.eu/de/themenbeitraege/der-9-mai-1945-der-erinnerungskultur-der-baltischen-staaten-beginn-der-zweiten-sowjetischen-okkupation-oder-tag-des-sieges
(DIR) [10] https://basketball-bw.de/Spielbetrieb/Uebersicht/
## AUTOREN
(DIR) Martin Krauss
## TAGS
(DIR) Sportgeschichte
(DIR) Basketball
(DIR) Displaced Persons
(DIR) Social-Auswahl
(DIR) Basketball-EM
(DIR) Juden
(DIR) Schwerpunkt Nationalsozialismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Patriotismus im Sport: Kein Korb für Deutschland
Nach dem Gewinn der EM ist Deutschland im Basketballfieber. Gut so, denn
das Team steht nicht für nationalen Stolz, sondern für Solidarität.
(DIR) Jüdischer Fußballklub SC Hakoah: Schwierige Rückkehr
Der jüdische Berliner Fußballklub SC Hakoah wurde 1933 vom Spielbetrieb
ausgeschlossen und 1947 wieder eingegliedert. Anfeindungen blieben nicht
aus.
(DIR) NS-Geschichte des Basketball: Hakenkreuze an den Körben
Hermann Niebuhr brachte Basketball 1935 nach Deutschland. Bis heute wird er
als Pionier geehrt. Doch laut Zeitzeugen war er stramm auf Nazi-Linie.