# taz.de -- Neuer Franken -„Tatort“: Wenn der „Tatort“ mit schiefem Blick in die Saison startet
       
       > Beim aktuellen Franken- „Tatort“ lohnt es sich, mal zu achten, wie mit
       > dem Thema „Blicke“ gespielt wird. Und dann ist da noch Sigi Zimmerschied.
       
 (IMG) Bild: „Ich sehe dich“ – Franken-Tatort mit den drei Komissar*innen im Einsatz: Eli Wasserscheid, Fabian Hinrichs und Stefan Merki
       
       Berlin taz | Selbstverständlich ist ein „Tatort“ keine schulische Übung im
       filmischen Betrachten. [1][Ein „Tatort“ ist Abendunterhaltung.] Man lässt
       sich reinziehen, vielleicht ist man mal kurz überrascht oder auch mal
       länger gespannt, aber dann geht das Leben weiter – denn wer geht schon hin
       und spult zurück? Andererseits schauen wir „Tatorte“ ja jetzt auch in
       Mediatheken. Also warum nicht Filme auch mal mit dem Finger an der
       Bildlaufleiste genießen. Stichwort Replay Value, also alles, was beim
       zweiten Mal noch dazugewinnt.
       
       Von daher der Hinweis beim aktuellen „Tatort“ mal drauf zu achten, wie oft
       mit dem Thema „Blicke“ gespielt wird. Blicke sind ein bewährtes Mittel in
       Filmen, um Bewegung und Richtung in die Story reinzubringen: Einstellungen
       miteinander verbinden, Reiz und Reaktion zeigen, Beziehungen und Bezüge
       herstellen. Das passiert oft mit ganz genau abgestimmten Blicken. Kriegen
       wir gar nicht mit, wenn’s sauber gemacht ist.
       
       Ist es hier aber nicht, und das hat System. Denn der aktuelle „Tatort“
       heißt „Ich sehe dich“, und da kriegen wir schon den ersten Hinweis. Die
       Blicke gehen nämlich ins Leere. Oft fehlt der Schnitt hin zu dem, was grade
       betrachtet wird. Oder Sichtlinien passen nicht richtig.
       
       Als hätte das Ausscheiden von Dagmar Manzel aus dem Franken-„Tatort“ eine
       Disbalance erzeugt, ist einiges schief beim Team Voss (Fabian Hinrichs) und
       Goldwasser (Eli Wasserscheid). Nicht bloß die Sichtlinien, sondern auch die
       Schulter von Voss, die er sich am Anfang der Folge verletzt. Voss bekommt
       einen Sidekick zugewiesen, der ihn rumkutschieren darf: Grantler Fred
       (reicht schon als Grund, diesen „Tatort“ zu sehen: Sigi Zimmerschied).
       Schief ist auch so ziemlich alles am aktuellen Fall. Im Zentrum steht ein
       rätselhafter 37-jähriger Mann, Fahrradhändler, Fotograf, Ex-Chorknabe,
       dessen Skelett gefunden worden ist, nachdem er zwei Jahre vermisst war.
       Rätselhaft deshalb, weil der Mann, glaubt man Freunden und Familie, so ein
       ganz Netter war. Zu nett, befindet Voss.
       
       ## Bildsprache surreal theatralisch
       
       Wobei, nein, im Zentrum des Falls steht der Mann gar nicht, jedenfalls
       nicht mehr, nachdem die ebenfalls rätselhafte, von Mavie Hörbiger geradezu
       magnetisch gespielte Lisa Blum die Bühne betritt. Sie rückt in den Fokus
       der Ermittlungen und verschiebt damit auch den Fokus der Geschichte.
       Zwischen Lisa Blum und dem Getöteten besteht eine Verbindung, über ein
       Foto. Eine Verbindung, die sie leugnet. Lisa Blum ist außerdem blind, was
       das Thema Blicke noch ein weiteres Mal aufgreift. „Ich sehe dich“, kommt
       von Max Färberböck und Catharina Schuchmann, die schon mehrere Filme in
       dieser eher ungewöhnlichen „Tatort“-Reihe geschrieben haben. Regie führten
       Färberböck und Danny Rosness. Einerseits ist die Bildsprache surreal
       theatralisch übersteigert, andererseits wirken die Figuren lebensnah.
       
       In diesem Film, das gehört dazugesagt, geht es um [2][sexualisierte
       Gewalt]. Und es gehört auch dazugesagt, dass der Film zwar auf jegliche
       explizite Gewaltszene verzichtet, es aber schon darauf anlegt, ein
       größtmögliches Unwohlsein zu erzeugen. Das ist deshalb wichtig, weil es
       einerseits ein respektvoller Umgang mit dem Thema ist, es andererseits für
       Zuschauer:innen mit entsprechenden Vorerfahrungen trotzdem schwer sein
       könnte, den Film anzuschauen. Für alle aber, die sich dieses Wochenende
       einer Runde gesteigerten Unwohlseins gewachsen fühlen, dürfte dieser Start
       in die Krimi-Saison ein gelungener sein.
       
       14 Sep 2025
       
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