# taz.de -- Krimi-Serie „Reykjavik 112“ auf Arte: Morde mit Aussicht
       
       > „Reykjavik 112“ verbindet nordische Krimi-Brutalität mit beißender
       > Systemkritik. Polizei, Patriarchat und Provinz werden gleichermaßen
       > seziert.
       
 (IMG) Bild: Sowohl spannend, als auch gesellschaftskritisch: Die Serie basiert auf den Romanen von Schriftstellerin Yrsa Sigurðardóttir
       
       Wenn in [1][skandinavischen Krimis] gemordet wird, geht es für gewöhnlich
       sehr grausam zu. So zumindest ist das in den Romanen von Stieg Larsson und
       [2][Henning Mankell], um nur zwei berühmte Beispiele aus Schweden zu
       nennen, die auch hierzulande viel gelesen werden.
       
       Ähnlich brutal geht es bei der isländischen [3][Krimiautorin] Yrsa
       Sigurðardóttir zu, die seit etwa 20 Jahren fast jedes Jahr ein neues Buch
       vorlegt. Ihr Roman „DNA“ (2016) wurde jetzt als spannungsgeladene Serie mit
       dem Titel „Reykjavík 112“ verfilmt.
       
       In dem auf Arte laufenden Sechsteiler geht es um eine Mordserie in der
       isländischen Hauptstadt, bei der Menschen grausam verstümmelt werden. Ein
       kleines Mädchen muss den schrecklichen Mord an seiner Mutter unter dem Bett
       versteckt miterleben. Es bietet fortan den einzigen Anhaltspunkt für die
       Ermittlungen der völlig überforderten Polizei.
       
       Mit dieser Geschichte um den jungen Kommissar Huldar (Kolbeinn
       Arnbjörnsson), der fortwährend auf Nikotinkaugummis herumbeißt, und der
       selbstbewussten Kinderpsychologin Freyja (Vivian Ólafsdóttir) startete Yrsa
       Sigurðardóttir vor zehn Jahren ihre mittlerweile sechs Romane umfassende
       Reihe über diese beiden Protagonisten. Sie versuchen das Geheimnis des
       Falles, bei dem erst einmal jedes Motiv fehlt und dem bald weitere Morde
       folgen, aufzuklären. Dabei muss Huldar vor allem gegen Widerstände in den
       eigenen Reihen kämpfen.
       
       Als junger Vorgesetzter leitet er die Ermittlungen, da gegen einige
       dienstältere Kolleginnen, die dann auch prompt gegen ihn intrigieren,
       gerade intern ermittelt wird. In der Polizei gibt es überdies ein
       Informationsleck, so dass alle eh schon dürftigen Ermittlungsergebnisse
       kurze Zeit später online in der Boulevardpresse zu lesen sind, was in einem
       Fall das Leben einer möglichen Zeugin gefährdet. Bald gibt es auch
       Rassismusvorwürfe gegen die Polizei, die rücksichtslos und ohne Plan
       ermittelt.
       
       ## Spannend und verblüffend
       
       Die isländischen Sicherheitsbehörden kommen in dieser Serie nicht gerade
       gut weg. Die Nachbarn im netten Vorort mit Einfamilienhaus sind auch mal
       Motorrad fahrende Nazis und viele Männer, die in dieser Serie vorkommen,
       verhalten sich gewalttätig gegenüber Frauen.
       
       Damit hat „Reykjavík 112“ den kritischen und gesellschaftspolitischen
       Fokus, wie er prägend ist für zahlreiche skandinavische Krimis, etwa in den
       Wallander-Geschichten und in den Büchern von Stieg Larsson, oder in dem
       Fall eben auch im isländischen Krimi. Auch deshalb erfreuen sich diese
       mitunter finsteren Geschichten hierzulande so großer Beliebtheit.
       „Reykjavík 112“ ist nicht nur als Krimi sehr spannend, sondern auch
       stimmungsvoll inszeniert ist und erlebt am Ende eine absolut verblüffende
       Auflösung.
       
       Die Serie verbindet sehr geschickt verschiedene Handlungsstränge. Es geht
       um das Darknet, um Drogenhandel, journalistische Karrierepläne, Rassismus
       gegen polnische Migranten, Eifersuchtsdramen, gescheiterte Ehen. Auf
       Autofahrten sind immer wieder großartige Bilder der isländischen
       Vulkanlandschaft zu sehen.
       
       Die Serie zeigt gekonnt innere Konflikte der einzelnen Figuren. Kommissar
       Huldar etwa ist ein gutaussehender Frauenheld, der damit aber immer wieder
       baden geht und wie ein verantwortungs- und hilfloser Möchtegern-Macho
       daherkommt. Als leitender Beamter versagt er immer wieder und bekommt
       ständig Stress mit seiner taffen Vorgesetzten.
       
       Psychologin Freyja hadert mit ihrem im Knast sitzenden Bruder und einem
       widerlichen Ex-Mann, der sie ständig belästigt. Und das Liebesleben von
       Huldars Polizei-Kolleginnen wird ebenfalls Gegenstand der Erzählung. Die
       Mordserie ist mitunter so brutal in Szene gesetzt, dass einem bei den
       Bildern fast schlecht werden könnte.
       
       Wobei hier nicht effekthascherisch auf möglichst grausame Brutalität
       gesetzt wird, sondern diese Ästhetik für nordische Krimis einfach
       stilprägend ist. Im Vergleich zum deutschen Krimi, der vor allem in
       öffentlich-rechtlichen Sendern, aber nicht nur dort, täglich zur besten
       Sendezeit geboten wird, ist diese Serie nicht nur brutaler und politischer,
       sondern auch in der Dramaturgie komplexer.
       
       15 Oct 2025
       
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